Kolumne: Auch linksliberale Journalisten können positiv überraschen
In seinem ersten Kolumnen-Beitrag zeigt sich Tagesstimme-Chefredakteur Stefan Juritz erfreut über wichtige Wortmeldungen linksliberaler Journalisten. Außerdem macht er den Kritikern patriotischer Medienarbeit ein Angebot.
Kolumne von Chefredakteur Stefan Juritz
Anfang der Woche wurde bekannt, dass die Staatsanwalt Graz Anklage gegen insgesamt 17 Aktivisten der Identitären Bewegung Österreich erhebt. Die Vorwürfe lauten unter anderem: Verhetzung, Sachbeschädigung und die Bildung einer kriminellen Vereinigung. Praktisch alle Medien in Österreich berichteten und in den sozialen Netzwerken sorgten die Meldungen für äußerst kontroverse Diskussion.
Mediale Überraschung
Groß war natürlich die Schadenfreude bei Gegnern und Kritikern der Identitären: „Endlich geht die Justiz gegen die ‚Neofaschisten’/’Rechtsextremen‘ vor“, so der allgemeine Tenor im linken Lager. Und der eine oder andere hoffte sogar, dass es nach dieser Anklage auch der FPÖ an den Kragen gehen könnte – schließlich hätten Identitäre und FPÖ ähnliche Ziele. Warum mit dem sogenannten „Mafiaparagraf“ nicht auch gleich gegen die freiheitliche Regierungspartei vorgehen? Wenn man schon dabei ist, sollte man doch gleich tabula rasa machen.
Überraschend und zugleich erfreulich in dieser Diskussion waren aber die Wortmeldungen mehrerer bekannter Journalisten, die sich – obwohl politisch völlig anders als die Identitären verortet – nicht der Schadenfreude hingaben, sondern die Anklage nach § 278 StGB kritisch kommentierten. Falter-Chefredakteur Florian Klenk etwa schrieb: „Ob der § 278 hier richtig ist? Ich denke, man sollte sich hier nicht mit schwammigen Paragrafen helfen, sondern jede einzelne Tat anklagen, beweisen und aburteilen.“ Der bekannte linke Autor und Standard-Journalist Robert Misik pflichtete Klenk umgehend bei – zu Recht, wie ich finde.
Heute Identitäre, morgen Umweltschützer oder Antifa-Gruppen?
Man kann die Identitäre Bewegung natürlich für ihre Ansichten und Aktionen kritisieren. Vielleicht haben sie es mit ihrem Aktionismus manchmal übertrieben. Und natürlich: Dort, wo es zu Gesetzesverstößen kommt, müssen die Behörden aktiv werden. Aber ist es gerechtfertigt, eine politische Gruppe wie die Identitären, die sich ihre Protestformen vor allem bei NGOs wie Greenpeace abschaut, als „kriminelle Vereinigung“ anzuklagen? Den jetzigen Kritikern ist ganz sicher noch der „Tierschützerprozess“ aus den Jahren 2010/2011 in Erinnerung geblieben, und deshalb auch ihre ablehnende Reaktion.
Dass die Kritik an der Anklage nicht nur aus patriotischen Kreisen, sondern auch aus dem linksliberalen bis stramm linken Milieu kommt, war trotzdem überraschend. Umso erfreulicher, dass mit Florian Klenk einer der bedeutendsten österreichischen Journalisten Stellung bezogen und damit Weitblick und eine gewisse geistige Offenheit bewiesen hat. Denn was den Identitären nun vorgeworfen wird, könnte später einmal auch andere – dann vielleicht linke – Gruppen und NGOs treffen.
AK Nautilus veröffentlicht Extremismus-Recherche
Gerade aktuell zur Diskussion um die Identitären veröffentlichte der Arbeitskreis Nautilus (zu dem auch Die Tagesstimme gehört) am Montag seine erste Recherche-Arbeit zum Thema „Extremismus“ (hier gibt es den Text zum Download). In der Fallstudie konnte der Co-Leiter der Identitären Bewegung Österreich, Patrick Lenart, auf den Begriff des (Rechts-)Extremismus allgemein und auf den Rechtsextremismus-Vorwurf gegenüber den Identitären speziell eingehen. Den Text will der AK Nautilus dabei als einen Beitrag zur Extremismus-Debatte in Österreich verstanden wissen.
Von Gegnern der Identitären kam bisher leider kaum inhaltliche Kritik an der Fallstudie. Man begnügte sich auf Twitter eher mit personenbezogener „Kritik“, bezeichnete den AK Nautilus und Die Tagesstimme wahlweise als „Propagandablatt“ der Identitären oder der FPÖ. Nun trifft beides natürlich nicht zu, denn Nautilus und dessen Projekte sind unabhängig von allen Organisationen und Parteien, und das wird auch in Zukunft so bleiben. Wir berichten stets differenziert und vielseitig (führten beispielsweise Interviews sowohl mit Identitären als auch mit Grünen und Sozialdemokraten), bemühen uns bei den Recherchen um größtmögliche Objektivität und lassen uns in unserer journalistischen Arbeit keinerlei Vorschriften machen.
Ein Angebot an die Kritiker
Den Kritikern der Studie mache ich auch gerne ein Angebot: Jeder kann einen sachlichen Kommentar schreiben, in dem er (oder sie, natürlich) inhaltliche Fehler aufzeigt. Der Arbeitskreis Nautilus wird den Text als kritische Replik veröffentlichen. Uns geht es nämlich vor allem darum, einen Debatten-Beitrag zu leisten und so zur demokratischen Willensbildung in unserer Gesellschaft beizutragen. Vielleicht überraschen mich nicht nur Klenk, Misik und Co, sondern auch die sogenannten „Rechtsextremismus-Experten“, wer weiß.