Mit den Tupperdosen von Mama in den verpackungsfreien Laden

Über die kommenden Wochen wird die Tagesstimme mehrere nachhaltige Projekte aus der Murmetropole Graz vorstellen. Den Beginn machen „Das Gramm“, „Das Dekagramm“ und „Refill Graz“.
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Mit den Tupperdosen von Mama in den verpackungsfreien Laden

Bild: Das Dekagramm ist einer der verpackungsfreien Märkte in Graz / Bild: Die Tagesstimme

Über die kommenden Wochen wird die Tagesstimme mehrere nachhaltige Projekte aus der Murmetropole Graz vorstellen. Den Beginn machen „Das Gramm“, „Das Dekagramm“ und „Refill Graz“.

Ein Bericht von Monika Šimić

Für manche ist Nachhaltigkeit ein reines Schlagwort, für manche ein bloßer Trend, aber für viele ist es eine Lebenseinstellung. Dass sich unser Konsum und unsere Lebensweisen Schritt für Schritt und damit langsam aber sicher in eine nachhaltigere Richtung entwickeln, kann man fast nicht mehr bestreiten. Das zeigt sich zunehmend auch darin, dass allerorts neue Projekte aus dem Boden sprießen, die sich voll und ganz der Nachhaltigkeit verschrieben haben. Wie in vielen anderen Städten der Welt ist es auch in Graz zum Standard geworden, sich seinen Kaffee „zum Mitnehmen“ etwa in einem Mehrwegbecher oder idealerweise in einem selbst mitgebrachten Becher zu holen. In der zweitgrößten Stadt Österreichs gibt es aber noch viele weitere, teils bereits gut etablierte, teils noch eher unbekannte Projekte, die einen zum nachhaltigen Denken und Handeln animieren möchten. In der Nachhaltigkeitsreihe wird die Tagesstimme eine Auswahl dieser Projekte über die kommenden Wochen näher vorstellen. Heute: „Das Gramm“, „Das Dekagramm“ und „Refill Graz“.

 „Das Gramm“ – gemütlich und nachhaltig einkaufen…

Wer Müll und vor allem Plastikverpackungen vermeiden will, der ist bei „Das Gramm“ in der Grazer Innenstadt genau richtig. Wie die Gründerin Verena Kasser gegenüber der Tagesstimme erklärte, feiert das Projekt im April seinen vierten Geburtstag. Das Besondere an den Produkten, die in der regionalen Greißlerei erhältlich sind, ist, dass sie ohne Vorverpackung angeboten werden. Damit soll gewährleistet werden, dass nur so viel gekauft wird, wie man auch tatsächlich benötigt. Die Kunden bringen ihre leeren Behälter ganz einfach selber mit, leihen oder kaufen sie dort. Diese werden dann abgewogen, befüllt und nochmals abgewogen. Bezahlt wird dann logischerweise nur der Inhalt selbst.

Die Produktpalette reicht dort von nachhaltig angebauten Lebensmitteln über umweltschonende Haushalts- und Hygieneartikel bis zu Fleisch- und Fischwaren vom regionalen Landwirt. Letztere müssen allerdings online oder direkt vor Ort vorbestellt werden. Damit ist garantiert, dass nur das geliefert wird, was auch wirklich nachgefragt wird.

Eine weitere Besonderheit am „Das Gramm“ ist das täglich angebotene Mittagsmenü. Dieses wird nämlich aus Lebensmitteln, die nicht verkauft wurden, zubereitet und ist immer erhältlich solange der Vorrat reicht.

…oder online bestellen

„Das Gramm“ geht mit der Zeit und betreibt auch einen Online-Shop, wo man etwa Haushaltsartikel wie Kaffeefilter aus Porzellan, Trinkbecher aus Edelstahl oder klassische Stoffsackerl, Körperpflegeartikel, Bücher zum Thema Nachhaltigkeit, Bekleidung, Geschenksets und Gutscheine bestellen kann. Nun würde man vielleicht meinen, dass Online-Bestellung grundsätzlich schon nicht nachhaltig sein können. Die Greißlerei, die auf die Vermeidung von Müll setzt, bekommt ihre Produkte für ihr Geschäft jedoch in Säcken und Kartons geliefert, die sie wiederum so gut wie möglich – zum Beispiel für die Verpackung von Onlinebestellungen – wiederverwendet. Wer sich die Versandkosten aber gleich ganz sparen möchte, kann die Bestellung auch einfach selbst abholen. Belohnt wird das mit einem kleinen Geschenk.

 „Das Gramm“ hat eine große Schwester

Seit 2018 gibt es in Graz „Das Dekagramm“, sozusagen die „große Schwester“ vom „Das Gramm“. In der zweiten verpackungsfreien Filiale finden Kunden auf einer Verkaufsfläche von 120 m² ein breiteres Sortiment von über 2.000 Produkten, das aufgrund der Nachfrage noch erweitert werden soll, wie Verena Kassar erklärt. Doch nicht nur bei den losen Produkten gibt es eine große Nachfrage, „auch beim Thema Non-Food wird immer mehr nach festen Shampoos oder nachfüllbaren Kosmetikprodukten gefragt“, so die Gründerin. Neben diesen Produkten gibt es im „Dekagramm“ auch Kleidung für Kinder sowie Erwachsene, die zwar nicht so günstig ist, dafür aber teilweise in Österreich produziert wurde.

„Jeder Einkaufszettel ist ein Stimmzettel, mit meiner Entscheidung unterstütze ich immer den Menschen, die Firma, die Organisation dahinter – im negativen aber auch positiven Sinn“. (Verena Kassar)

Geschätzt werden „Das Gramm“ und „Das Dekagram“ bereits jetzt schon von Jung und Alt. Doch das Thema nachhaltiges Einkaufen sei dank „Fridays For Future“ vor allem auch bei der jüngeren Generation noch mehr angekommen. „Das freut mich besonders“, betont Kassar.

Im „Dekagramm“ werden aber nicht nur Produkte verkauft. In den Räumlichkeiten gibt es auch einen eigenen Workshop- und Ausstellungsbereich, in dem Vorträge und Workshops zu Themen wie Ressourcenschonung, Abfallvermeidung oder „Do-It-Yourself“ stattfinden können. Zusätzlich ist es Gruppen und Schulklassen möglich, sich für geführte Touren anzumelden. 

Die Ideen gehen Verena Kassar jedenfalls nicht aus. „Es gibt natürlich noch viel zu tun und mir fallen laufend gute
Projekte ein, die umgesetzt gehören, der Tag hat nur irgendwie zu wenig Stunden.“ Mit ihrem Team plant sie, das Angebot im „Dekagramm“ zu erweitern. „Wir haben viele Anfragen zum Thema Bewusstseinsbildung und wollen den Workshopbereich erweitern, sodass man sich auch wochenends einmieten kann und als Workshopleiter die Möglichkeit für Räumlichkeiten hat. Außerdem bin ich gerade dabei, ein Nachhaltigkeitszentrum in Graz zu gründen.“ Es fehle ein Treffpunkt für Firmen, Vereine etc. so Kassar. „Jeder arbeitet viel, teilweise alleine, aber sehr motiviert, um etwas Positives zu bewirken. Es wäre viel sinnvoller, sich zu vernetzen und gemeinsam unsere Welt zu verändern.“

 „Einmal auffüllen, bitte.“

Ein weiteres Projekt, das von „Das Gramm“ initiiert wurde und bereits hohen Zuspruch findet, ist „Refill Austria“. Ursprünglich stammt die Idee aus Bristol, wo die ersten Refill-Stationen 2015 installiert wurden. Später schaffte die Idee den Sprung nach Deutschland und dann auch nach Graz. Flasche austrinken, auffüllen, wiederverwenden – das ist die Idee hinter dem Projekt. In allen Grazer Lokalen, die mit dem „Refill Graz“-Aufkleber gekennzeichnet sind, kann man sich seine Trinkflasche seit 2017 kostenlos mit Leitungswasser befüllen lassen.

Dieser Sticker weist darauf hin, wo man seine Flasche gratis mit Trinkwasser auffüllen kann. / Bild: Die Tagesstimme

Bisher nehmen schon mehr als 40 Stellen in der steiermärkischen Landeshauptstadt an dem Projekt teil und leisten damit ihren Beitrag zur Vermeidung von Müll.

Fazit

Dass die Menschen nicht von heute auf morgen ihr Verhalten ändern und plötzlich nachhaltiger Denken und Handeln werden, ist klar. Mit Projekten wie der verpackungsfreien Greißlerei bzw. dem Supermarkt werden Konsumenten aber zumindest zu einem bewussteren und schonenderem Umgang mit Ressourcen und vor allem auch mit Lebensmitteln animiert. Ob das Angebot angenommen wird oder nicht, bleibt letztlich die Entscheidung eines jeden Einzelnen. Die Entwicklung geht aber definitiv in diese Richtung. Und: Nachhaltiges Denken nimmt weiter zu, wie sich in den verschiedensten Lebensbereichen zeigt.

Im nächsten Teil unserer Nachhaltigkeitsreihe stellen wir deshalb die Projekte „Fairteiler“, „Gutes von gestern“ und „Too Good To Go“ vor – drei Projekte, deren Ziel es ist, das Wegwerfen von noch genießbarem Essen zu verringern oder im Idealfall sogar zur Gänze zu vermeiden.

Über den Autor

Monika Šimić

Monika Šimić wurde 1992 in Zenica (Bosnien und Herzegowina) geboren. Die gebürtige Kroatin wuchs in Kärnten auf und absolvierte dort die Höhere Lehranstalt für wirtschaftliche Berufe.

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