Cameron Burns: Ästhetik zwischen Vaporwave und Kali-Yuga
Die moderne Zivilisation bewegt sich zwischen Konsum und Dekadenz. Die bildgewaltige Ästhetik dieses Künstlers zeigt die Abgründe, regt aber auch die Phantasie an, um über eine andere Zukunft nachzudenken.
Kommentar von Tino Taffanek
Als junger Rechter stelle ich mir die Frage, wie man das Lebensgefühl, welches mich bisweilen beschleicht, am besten ausdrücken kann. Dieser Geisteszustand, der sich zwischen Kulturpessimismus und von Träumerei gespeistem Tatendrang bewegt. Schon Ernst Jünger sagte: „Niemand ist stärker als der Träumer, der sich den Taten zuwendet.“ Dieser Traum von einer anderen Zukunft, der aber auch schnell zum Albtraum werden kann.
Hinein in den Malstrom
Zufällig stieß ich auf den Künstler Cameron Burns. Er schafft es, dieses Gefühl, zumindest teilweise, in einer bildgewaltigen Ästhetik auszudrücken, die zwischen Vaporwave und Kali-Yuga pendelt. Zum besseren Verständnis noch ein paar Worte zu den beiden Begriffen. Vaporwave ist eine Kunstströmung zwischen Konsum- und Kapitalismuskritik sowie der Sehnsucht nach einer Vergangenheit, die so nie existiert hat. Kali-Yuga hingegen bezeichnet das vierte Zeitalter der hinduistischen Kosmologie. Das Zeitalter von Niedergang und Dekadenz, geleitet von Hass, Gier und Verwirrung. Also hinein in den Malstrom.
Ziplocked
Der Einheitsmensch als Produkt des Kali-Yuga. Sein Leben beginnt und endet in einem Kunststoffbeutel. Gezüchtet wie die Menschen in Aldous Huxleys Dystopie „Brave New World“, aber selbst dessen Kastensystem entbehrend. Ununterscheidbar, auf jedem läuft die gleiche Firmware, seine Hauptaufgabe ist der Konsum. Nie wieder Konflikte, die große Vereinheitlichung der Welt ist endlich abgeschlossen.
Nextworld
Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende, so die Plattitüde. Die Zivilisation ist die Degenerationsform der Gesellschaft und jede Zivilisation geht einmal zu Ende. Danach erwartet uns eine andere Welt, die technischen Errungenschaften sind längst verschwunden und vergessen. Beherrscht von riesenhaften Kreaturen, deren Überreste die Landschaft zieren. Der einsame Ruderer durchstreift die postapokalyptische Welt auf einem hölzernen Ruderboot als Gipfel der Technologie.
DRIVE
Doch wir leben in dieser Welt. Schnelle Autos, bunte Leuchtreklamen und Instant Gratification durch Social Media und Netflix locken stets. Noch sind wir nicht alle gleich, doch am besten Weg, es zu werden. Die industrielle Produktionsweise verfügt noch über natürliche Ressourcen, die sie ausbeuten kann. Wir träumen von Sportwägen und nicht von hölzernen Fischerbooten, die uns in einer Welt ohne Agrarindustrie vorm Verhungern bewahren. Vorwärts durch die Nacht, immer schneller dreht sich unsere Welt.
Oasis
Doch was ist die Alternative? Aussteigen, eine Oase finden? Können wir die Zukunft wieder dahingehend verändern, dass sie für uns, unsere Kinder, unser Volk wieder eine lebenswerte Welt darstellt? Kann uns die Kunst dabei helfen? Kann das ein realistisches Gemälde von Odin Wiesinger leisten? Oder müssen wir tiefer graben, neue Formen finden und hoffentlich irgendwo ankommen?