Aber Inhalte und Strategie gewinnen das Volk
„Dann wäre Wien noch Wien“: Nach drei Wochen flacht die Debatte um den Waldhäusl-Sager allmählich ab. Das patriotische Lager muss nun vor allem strategische Lektionen mitnehmen.
Den Wahrheitsgehalt der Aussage von Gottfried Waldhäusl konnte niemand bestreiten: In Wien ist der Bevölkerungsaustausch längst vollzogen, ob man das nun begrüßt oder kritisiert. Und dank des folgenden Gegackers des polit-medialen Komplexes weiß nun das ganze Land: Da hat jemand in ein Wespennest gestochen. Plötzlich war das Tabuthema der Überfremdung in aller Munde. Ende gut, alles gut? Leider ist es nicht so einfach.
Konzept hinter Parole unbekannt
Was nun wie ein metapolitischer Kantersieg wirkt, offenbart auch eine strategische Sackgasse. Denn der parlamentarische Arm des patriotischen Lagers hantelt sich seit Jahrzehnten vor allem entlang markiger, populistischer Parolen. Nicht falsch verstehen: Ich mag, wenn Politiker nicht „geschwollen“ daherreden, sondern wie ihnen der Schnabel gewachsen ist. Denn es suggeriert Volksnähe, gerade die „einfachen Leute“ sprechen Probleme gerne unverblümt an und pfeifen auf jede Diplomatie.
Aber der größte Trumpf des dritten Lagers ist zugleich seine größte offene Flanke. Die Öffentlichkeit empört sich an zugespitzten Aussagen. Die bleiben dann zwar im Gedächtnis, tatsächliche Konzepte dahinter werden allerdings gar nicht erst Teil der öffentlichen Debatte. Beim Migrationsthema, wo die Freiheitlichen der „Schmied“ sind, eröffnet dies den rot-schwarzen Blendern die Argumentation, dass die FPÖ gar keine Konzepte habe. Wer kennt schon den blauen 20-Punkte-Asyl-Maßnahmen-Plan?
Spielstand rechtfertigt keine Angsthasen
Man kann die aktuelle politische Großwetterlage ein wenig mit einem Eishockey-Spiel vergleichen, in dem man bereits in Unterzahl agiert und einen knappen Vorsprung zu verteidigen hat. Die andere Mannschaft rennt wie wild an, nimmt sogar den Torhüter vom Feld, um noch irgendwie panisch den Ausgleich zu erzielen und eine Verlängerung zu erzwingen. In dieser Situation gibt es zwei Kardinalfehler. Zum einen darf man sich nicht ängstlich vor das eigene Tor drängen lassen – und zum anderen darf man es nicht selbst zum Anlass nehmen, komplett ungeordnet nach vorn zu stürmen.
Durchdachte und ruhige Defensive und das Setzen von Entlastungsangriffen als Nadelstiche führen in dieser Spielsituation oft dazu, dass das führende Team trotz Feldunterlegenheit sogar mit zwei Toren Vorsprung triumphiert. Übertragen auf die politische Eisfläche heißt das: Eine Distanzierung von Akteuren wie Waldhäusl, die etwas hölzern, aber effektiv vorpreschten, ist falsch. Ebenso falsch ist aber ein Sturmlauf, bei dem man den verbalen Puck wahllos herumdrischt. Wenn man glaubt, man ist unschlagbar, wird man im nächsten Spiel wie ein Braunbär übers Eis schlittern oder gar einbrechen.
Irgendwann greift jeder ins verbale Klo
Freilich: Eine Zeitlang kann unkontrollierte Offensive gutgehen. Jüngst empörten sich „die Guten“ über einen Sager von FPÖ-Niederösterreich-Chef Udo Landbauer zur Verschiebung von Steuergeld aus dem Auslandskatastrophenfonds in die Türkei. Dass dies nicht zum Eigentor wurde, war dem Glück des Tüchtigen geschuldet. Erdogans Regime veruntreute über Jahre die Einnahmen aus der „Erdbebensteuer“, auch große Hilfsorganisationen wie der „Rote Halbmond“ operieren im AKP-Dunstkreis. Und während man das Geld für die Ukraine und die Türkei hat, verzichtete die Regierung bei der Flutkatastrophe im deutschen Ahrtal auf solche Geldgaben.
Erneut waren also die Fakten aufseiten der Freiheitlichen – und das Volk erinnerte sich noch an den peinlichen Auftritt des übrigen Einheitsblocks der übrigen Parteien und der Mainstream-Medien. Dass dieser undurchdacht glaubte, was einmal schief geht, würde ein zweites Mal klappen, half der FPÖ, die Skandalisierung schlug weitgehend fehl. Aber irgendwann setzt man auch selbst bei der Phrasendrescherei auf das falsche Pferd. So geschehen bei der Parteijugend in Kärnten. Diese glaubte plötzlich, eine „Slowenisierung Kärntens“ beklagen zu müssen. Völlig ohne Not oder Vorteil gab man sich aus heiterem Himmel dem Servierteller der Kritik preis.
Dabei stimmten viele Kärntner Slowenen 1920 für den Verbleib bei Österreich, prägten seitdem die Kärntner Identität maßgeblich mit. Der leidige Volksgruppenstreit wurde vor einigen Jahren endgültig beigelegt. Nun wurde ein Fass geöffnet, nach dem keiner verlangte. Am Ende steht ein Nachbarland, das ein Verbotsverfahren fordert und jede Menge eigene Stammwähler, die sich am Kopf kratzen und fragen, ob die freiheitliche Jugend in der aktuellen Krisenlage keine anderen Probleme hat. Chapeau …
Ohne Strategie fällt man nur schrill auf
Solche Vorfälle sind auch Symptom einer gewissen Theorie- und Strategiefaulheit. Man hätte die Ressourcen, um den Parteinachwuchs ordentlich zu schulen, anstatt ihn von Grillabend zu Shisha-Bar pilgern zu lassen. Die Personaldecke bleibt daraufhin dünn und rekrutiert sich fortan oft aus einer schwindenden Zahl von Burschenschaftern statt aus einer breiten patriotischen Zivilgesellschaft. Man setzt auf die Politik in den „Gebietskörperschaften“, das Vorfeld lässt man allzu häufig weitgehend verdursten. Das Resultat ist hausgemacht – und das Umdenken geht allzu langsam vonstatten.
Rechte Politiker übergehen die wachsende Schar an freien Alternativmedien oft, um große Storys bei Inseratenkaisern zu deponieren, die bald wieder „FPÖ am Ende“ titeln werden. Parteikader müssen laut keifen, um den Mainstream aufmerksam zu machen und wollen ihm doch gefallen, wenn er ein Spaltungspotenzial wittert. Dabei zeigte Corona: Im Zweifelsfall sind etablierte Medien ein mit Geld gefügig gemachter Lautsprecher der parlamentarischen Einheitsfront. Über detaillierte blaue Anfragen oder Konzepte werden sie sich hingegen lustig machen oder sie gänzlich totschweigen.
Aus dem Protest-Fahrstuhl ausbrechen
Wir erleben also eine Schiefstand, in dem die „linke Reichshälfte“ ihre Kampagnen in der Verzahnung von NGOs, Parteien und „ihren“ Medien spielt. Das konservativ-patriotische und systemkritische Lager kommt dort entweder als „Schocker“ oder als Prügelknabe vor, den man auf seichte Parolen reduzieren kann. Die durchaus existenten detaillierten Inhalte und Konzepte bleiben auf der Strecke. Man ist darauf angewiesen, dass gerade eine Krise oder ein politisches Schlechtwetter besteht, wo man wieder ein Alleinstellungsmerkmal hat, das eine breite Stimmung im Volk abbildet.
So wird eine patriotische Wende allerdings nicht nachhaltig sein. Man wird bei Wahlen im Fahrstuhl nach oben fahren, bis jemand mit mehr polit-medialem Wohlwollen die Parolen stiehlt. Kommt man im Zwischenstock als Juniorpartner in die Regierung, ist man Hauptziel des Establishments, die Umsetzung der Konzepte scheitert an mangelnder Hausmacht und der normativen Kraft des Faktischen. Es geht dann im Fahrstuhl wieder nach unten. Aber so wie im Sport die Offensive zwar Spiele gewinnt, jedoch keine Meisterschaften, ist es auch in der Politik. Es braucht eine Vision, bei der die populistische Parole kein Selbstzweck, sondern nur ein Teil eines großen Ganzen ist.