Bewegungslehre: Aktiv werden

Morgen, am 6. März, geht es in Wien wieder auf die Straße, um gegen die Corona-Maßnahmen der Regierung zu protestieren. Wer dabei ist, ist aktiv. Wer noch etwas mehr macht, ist ein Aktivist.
Heinrich Sickl
Kommentar von
5.3.2021
/
4 Minuten Lesezeit
Bewegungslehre: Aktiv werden

Corona-Protest am 31. Januar 2021 in Wien. Bild: TAGESSTIMME.

Morgen, am 6. März, geht es in Wien wieder auf die Straße, um gegen die Corona-Maßnahmen der Regierung zu protestieren. Wer dabei ist, ist aktiv. Wer noch etwas mehr macht, ist ein Aktivist.

Nein, der Wahlzettel ist nicht der alleinige Ausdruck demokratischen Willens. Auch wenn der Innenminister anderer Meinung ist: Das Volk hat des Recht, sich zu versammeln und seine Meinung(en) auszudrücken. Auch auf der Straße, an der frischen Luft. Aber natürlich auch anderen Orten und immer wieder. Dazu müssen wir uns nicht Parteien anschließen, können aber vielerlei Initiativen gründen und damit aktiv Themen bearbeiten, die den Menschen ein Anliegen sind.

Normale Bürger auf der Straße

Die Corona-Demonstrationen der letzten Zeit sind dabei etwas ganz Überraschendes. Nicht weil die Polizei bei den Demonstrationen, an denen sie scheitert, nur ein Viertel bis Fünftel der Teilnehmer zählt, die da auf der Straße sind. Nicht weil die Medien das ungeprüft übernehmen und alle als Rechtsextremisten und Corona-Spinner bezeichnen. Sondern weil Menschen auf zivilen Ungehorsam setzen, auf die Straße gehen und damit aktiv werden, die man da so nicht vermuten würde. Normale Menschen, so wie du und ich. Menschen, die nicht Corona leugnen, sondern denen die Maßnahmen der Regierung Sorgen bereiten: Kurz killt die Wirtschaft, die Menschen haben Angst vor der Zukunft. Die Menschen sorgen sich auch um die Freiheit im Land. In beiden Fällen sind es zutiefst politische Argumente, die viele Menschen aktiv werden lassen. Sie gehen auf die Straße und lassen dort durch ihre aktive Beteiligung Politik stattfinden.

Die Antiregierungsdemonstrationen sind so zu einer mächtigen Bewegung geworden, bei denen auch die FPÖ Partei ergreift. Das ist relativ neu und wertvoll, denn die Straße und die Partei ergänzen sich. Letztere kann Anfragen stellen, meldet Demonstrationen an, und demokratisch gewählte Politiker zeigen durch ihre Anwesenheit bei den Kundgebungen, dass sie gegen eine Kriminalisierung auftreten und bereit sind, die Interessen des Volkes zu vertreten. Wesentlich sind aber die Menschen, die da sind, die vielen, die aktiv werden und durch ihre Anwesenheit zeigen, dass eine Meinung Gewicht hat. Freilich: Hier ist es der Ruf „Kurz muss weg“, der zum in der veröffentlichten Meinung gerne überhörten Statement geworden ist.

Von der Demonstration zur Bewegung

Wer aktiv wird, gibt ein demokratisches Statement ab. Er ist da, er steht mit seiner Person ein für die Meinung, die er vertritt. Er will politisch mitbewegen und bringt sich ein. Viele Tausende sind mit den Antiregierungsdemonstrationen aktiv geworden und sind ein großes politisches Potenzial, das sich im Moment aber kaum verstanden fühlt – außer von jenen, die Partei ergreifen.

Gleichzeitig ist es aber nicht nur die punktuelle Straße, die zählt, sondern, dass auch hier organsiert sein will, was passiert. Wer aktiv wird, ist nur einen Schritt weit vom Aktivisten entfernt, der sich dauerhaft engagiert. Menschen basteln Plakate, tragen Transparente, verteilen Flugblätter. Sie werden zu Aktivisten und gestalten so einen Bewegung aktiv mit. Damit bliebt es auch nicht nur einen Demonstration alle 14 Tage, sondern wird zu einer punktuelle oder auch dynamischen Bewegung und politischen Manifestation in der Gesellschaft. Aktiv zu sein ist Teilhabe an der Demokratie.

Aktivismus ist sozusagen die Kulturtechnik dazu. Wie organisiert man etwas? Wie vermittelt man ein Thema? Wer bringt die Menschen zusammen, damit sie sich ausdrücken? Welchen Stil pflegen wir? Wie schützen wir uns vor allfälliger Repression? Aktivismus bringt Form in die Bewegung. Und formt natürlich auch die Menschen, die hier Hand anlegen. Sie lernen politische Techniken, die wesentlich sind für demokratische Teilhabe und Auseinandersetzung. Aktivismus ist gewaltfrei, kann aber durchaus zuspitzen und darf provozieren.

Aktivisten als Potenzial

Die, die auf die Straße gehen, leben uns vor, wie man sich demokratisch engagiert. Sie zeigen jenen Idealismus, der sonst oft fehlt und bei dem die Sonntagsredner der Demokratie so gerne sich darüber beklagen, dass „keiner mehr sich für etwas einsetzt“ und die Jugend „politisch desinteressiert“ sei. Umgekehrt sind Aktivisten ein besonders wertvolles Potenzial: Sie bringen Themen auf die Tapete. Sie organisieren Gruppen. Sie bringen Menschen in Aktion. Sie vertreten Standpunkte und vermitteln sie. Ihr Idealismus ist Vorbild für andere. Und alles das prädestiniert sie dafür, wenn die Aktivisten nicht mehr in Bewegung sind, selbst Partei zu ergreifen, weiter politisch zu arbeiten. Wer aktiv wird, ist ein politischer Mensch. Dieses Engagement ist wichtig für die Demokratie. Es sollte so lange wie möglich erhalten werden und bietet vor allem für eine Bewegungspartei ein hohes Potenzial, um dorthin zu kommen, wo die Menschen sind. Und politische Menschen in die Gebietskörperschaften zu bringen. Und mit ihnen etwas zu bewegen, langfristig und auf allen Ebenen.

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Die in Gastbeiträgen geäußerten Ansichten geben ausschließlich die Meinung des jeweiligen Autors wieder und entsprechen nicht notwendigerweise denen der Freilich-Redaktion.
Über den Autor
Heinrich Sickl

Heinrich Sickl

Zur Person: Heinrick Sickl wurde 1973 in Kärnten geboren, wo er mittlerweile auch mit seiner Familie lebt. Er leitet die Freilich Medien GmbH als Geschäftsführer.
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