Coronavirus: Die Regierung kaschiert ihr bisheriges Versagen
Seit dieser Woche macht die türkis-grüne Regierung in Österreich plötzlich ernst und führt drastische Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus ein. Unabhängig davon, wie gefährlich die neuartige Krankheit jetzt wirklich ist, verblüfft vor allem die plötzliche Kehrtwende.
Kommentar von Julian Schernthaner
Freilich, angesichts der eskalierenden Lage in unserem Nachbarland Italien ist es absolut richtig, auf Nummer sicher zu gehen. Und: Soviel muss man auch über die ideologischen Grenzen hinweg sagen – es ist gut, dass die Regierung jetzt Maßnahmen setzt. Ja, man könnte sogar sagen: Der grüne Gesundheitsminister Anschober, beim Bier mit Freunden schon einmal salopp als „Rudi Ratlos“ bezeichnet, hat sich staatsmännisch verkauft. Aber, und das ist auch wichtig: Man hätte früher reagieren können – vielleicht sogar müssen.
Kommt der Öffentlichkeitsbann zu spät?
Denn das Coronavirus grassiert nicht erst seit gestern. Der erste Medienbericht über eine „mysteriöse Lungenkrankheit“ in China stammt noch aus dem alten Jahr. Dass sich im Reich der Mitte zigtausende Menschen infizierten, ist schon einige Wochen her. Und in Italien kippen auch schon ein bisserl länger sogar fitte Menschen ohne Vorerkrankung reihenweise um. Aber bislang hatte die Regierung in typisch österreichischem Müßiggang beschwichtigt. Einreisende aus China mussten anfangs nur Fragebögen ausfüllen.
Und auch die italienische Grenze blieb aus politischer Räson bis gestern auch hochoffiziell offen. Anschober verkündete noch vor Kurzem, man könne ja „keinen Glassturz“ über Österreich errichten. Plötzlich, einige Zeit später, ist das Virus dann auf einmal so gefährlich, dass alle Veranstaltungen in der Halle über 100 Menschen verboten sind und man über Schulschließungen berät. Dass die heimische Politik recht spät reagiert, aber dann umso drastischer, macht den Eindruck, als wolle man das Scheunentor schließen, nachdem das Pferd bereits ausgebüchst ist.
Grenzschließungen und Kontrollen waren zu nachlässig
Denn so viel ist klar: Angesichts der langen Inkubationszeit ohne Symptome könnten viele von uns das Virus bereits in sich tragen. Ein plötzlicher Stopp sozialer Kontakte kann die weitere Ausbreitung zwar eindämmen. Im Ernstfall könnte es trotzdem so kommen wie in Italien, das ja bekanntlich das liebste Urlaubsland der Österreicher ist. Spätestens nachdem alle ersten Fälle es von dort mitbrachten, hätte man die Grenze dichtmachen müssen. Selbst vor dem Hintergrund, dass es mir als gebürtigem Nordtiroler umso mehr wehtut, die Innengrenze zu unseren Brüdern südlich des Brenners abzusperren.
Und vielleicht hätte sogar eine überall beschworene ‚europäische Lösung‘ stattfinden müssen. Spätestens, nachdem die Epidemie in China weit um sich griff, hätte man sich an die Dynamik der verwandten SARS-Krankheit erinnern müssen. In einem Zeitalter der Globalisierung können sich Erreger in Windeseile in alle vier Richtungen verbreiten. Hätte man ausnahmslos jeden China-Rückkehrer von Anfang an unter Quarantäne gesetzt, müssten wir nun möglicherweise nicht in der Furcht leben, zuletzt bei Kaffee und Kuchen das Todesurteil unserer eigenen Großeltern unterschrieben zu haben. Ein proverbialer „Glassturz“ über die Heimat wäre nicht die allerdümmste Idee gewesen.
Vorbereitung auf Krisenlagen ist schlecht
Vielleicht ist es alles nur halb so wild, und die Vorsichtsmaßnahmen stellen sich bald als unbegründet, die Eskalation der Lage in Norditalien als Pech des Schicksals heraus. Und ich muss zugeben, das Virus lange Zeit selbst für eine „bessere Grippe“ gehalten zu haben. Ganz überzeugt, dass es nicht bloß eine Hysterie ist, welche den Mächtigen die Instrumente gibt, das öffentliche Leben auszuschalten, bin ich immer noch nicht. Aber: Ich weiß es nicht. Und es würde sich definitiv weniger mulmig anfühlen, morgens in den Zug einzusteigen, ohne damit rechnen zu müssen, dass der wandelnde Tod in meinem Abteil sitzt.
Uns wurde auch eindrucksvoll vor Augen geführt, wie fragil das tägliche Leben eigentlich ist. Die allermeisten Menschen sind für eine Krise, egal welcher Art, kaum vorbereitet. Selbst jene unter uns, welche sie düster im Jahrestakt herbeischwafeln, mussten bei den Vorräten nachrüsten und oftmals feststellen, dass Engpässe entstehen. Und auch vermeintlich krisensichere Branchen stehen vor Herausforderungen und Fragestellungen, die zuvor niemals denkmöglich schienen.
Coronavirus als Chance zur Notfall-Vorbereitung
Die plötzlichen Einschnitte haben somit aber auch etwas Positives. Dies gilt insbesondere dann, wenn sich die neuen Regelungen als überzogen herausstellen. Vielleicht – eine naive Hoffnung – ist die Corona-Krise also ein Warnschuss zur rechten Zeit. Die von Wohlstand verwöhnten Menschen könnten die Lektion mitnehmen, künftig besser vorzusorgen. Das heißt jetzt nicht zwingend, Vorräte zu bunkern, dass man fünf Jahre durchkommt. Aber für zwei, drei Wochen – also bis der Normalzustand wieder intakt ist oder sowieso das Chaos ausbricht – sollte man sich wappnen. Das verhindert beim nächsten Mal eher Hamsterkäufe und folgende Engpässe.
Denn die Herausforderungen unterscheiden sich von Krise zu Krise. Der Ausfall der Trinkwasserversorgung würde vor andere Probleme stellen als ein landesweiter Elektrizitäts-Blackout. In einer ganz landläufigen Wirtschaftskrise sind andere Vorräte vonnöten als bei unerwartet aufziehendem Bürgerkrieg. All diese Dinge sind fern und werden uns vielleicht in unserem Leben glücklicherweise niemals betreffen. Aber alles ist besser, als vollkommen nackert dastehen. Lieber eine Dose Linsen und eine Flasche Wasser zu viel im Schrank als im Ernstfall beim ebenso schlecht vorbereiteten Nachbarn darum betteln müssen.
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Coronavirus: Regierung setzt drastische Maßnahmen (10.3.2020)