Gunnar Lindemann (AfD): „Man muss den Menschen auf der Straße zuhören“
2016 zog Gunnar Lindemann als Direktkandidat der AfD für den Wahlkreis Mahrzahn-Hellersdorf ins Berliner Abgeordnetenhaus ein und konnte sein Direktmandat bei der letzten Wahl 2021 verteidigen. Im TAGESSTIMME-Interview spricht er über u.a. seinen Erfolg und die Corona-Proteste.
TAGESSTIMME: Wie kam Ihr Weg zur Alternative für Deutschland und Ihr Beschluss, sich als Direktkandidat für Berlin aufstellen zu lassen?
Gunnar Lindemann: Ich bin 2015 zur AfD gekommen, weil ich nicht mehr untätig zusehen wollte, wie nach der Eurokrise die Asylkrise über uns hereinbricht. Daher hatte ich mich entschlossen, der AfD beizutreten und die AfD zu unterstützen. 2016 habe ich nur für meinen Wahlkreis Marzahn-Nord kandidiert und nicht für die Landesliste. Ein Wahlkreis, den die Linken immer haushoch gewonnen hatten, und wo niemand damit gerechnet hatte, dass die AfD den Wahlkreis direkt gewinnt. So bin ich 2016 ins Abgeordnetenhaus von Berlin gekommen und musste erst einmal mit meinem Arbeitgeber, einer privaten Eisenbahngesellschaft, einen vernünftigen Übergang organisieren.
Ihr Mandat führte Sie nicht nur in die Berliner Politik, sondern auch nach Russland und die Ukraine. 2018 reisten Sie nach Russland und in das Donbass-Gebiet. Was bewog Sie zu der Reise und wie waren Ihre Erfahrungen dort?
Zum einen wollte ich mir selbst einen Überblick über die Situation vor Ort, insbesondere im Kriegsgebiet machen. Zum anderen hatten mich viele Russlanddeutsche in meinem Wahlkreis auf die Probleme der ethnischen Deutschen auf der Krim und im Donbass hingewiesen. Auf der Krim leben über 2.000 Deutsche und auf dem Gebiet der nicht anerkannten Republik Donezk rund 300 Deutsche. Die deutsche Regierung hat diese Deutschen schlicht vergessen. So bekommen diese Menschen fast gar keine Visa, um ihre Verwandten zu besuchen. Auch die Goetheinstitute haben sich zurückgezogen. Daher unterstütze ich z.B. die deutsche Schule Nr. 5 in Luhansk, die zwei sehr engagierte Deutschlehrerinnen hat, mit Unterrichtsmaterial, aber auch andere Projekte. So habe ich 2019 gemeinsam mit dem Außenministerium von Donezk in Donezk für die Russlanddeutschen ein Oktoberfest gesponsert und organisiert. Das ist für unsere Landsleute im Kriegsgebiet wichtig, dass sie von Deutschland nicht ganz vergessen werden. Die Coronasituation hat leider die Aktivitäten momentan etwas eingeschränkt.
Neben Russland waren Sie auch in Syrien, genauer gesagt beim internationalen Wirtschafts- und Investorenforum in Damaskus. Wie waren Ihre Eindrücke von dem noch immer vom Bürgerkrieg gebeutelten Land?
Der Bürgerkrieg in Syrien ist grundsätzlich vorbei. Lediglich im Norden und Osten gibt’s lokale Konflikte. In Damaskus gibt’s faktisch keine Kriegsschäden. An anderen Orten befindet Syrien sich im Wiederaufbau. Und die syrischen Regierungsvertreter haben mir ganz deutlich zu verstehen gegeben, dass Syrien seine Menschen zurück haben möchte. Dafür hat Präsident Bashar al Assad beispielsweise eine Generalamnestie erlassen. Im übrigen stehe ich in regelmäßigen Kontakt mit dem Geschäftsträger der syrischen Botschaft, und arbeite im Berliner Abgeordnetenhaus an einem Rückführungsprogramm für syrische Migranten.
2021 gewannen Sie Ihr Direktmandat erneut. Woraus erklären Sie sich Ihren Erfolg als Direktmandat?
Die Menschen im Marzahn-Nord sind mit meiner Politik zufrieden. Ich wohne auch mitten in meinem Wahlkreis in der Platte und bin für die Bürger jederzeit sichtbar und ansprechbar, während alle Mitbewerber woanders wohnen.
Ihre Partei kommt weiterhin nicht zur Ruhe, sondern ist immer noch ein „gäriger Haufen“, wie Alexander Gauland sie einmal charakterisierte. Wie nehmen Sie die parteiinternen Kämpfe und Streitigkeiten wahr?
Natürlich müssen wir verschiedene Themen, auch kontrovers, diskutieren. Aber wir sollten das zukünftig hinter verschlossenen Türen debattieren und dann alle das Ergebnis mittragen.
Sie sind offenbar nicht nur in Ihrem Wahlkreis beliebt, sondern gelten auch als ein Liebling von „Rechtstwitter“, also von patriotischen Nutzern in sozialen Netzwerken. Sie sind selbst in sozialen Netzwerken rege aktiv, regelmäßig verbreiten Sie neben politischen Themen auch Fotos vom Kochen oder andere private Inhalte und können sich über eine entsprechende Interaktion mit ihren Anhängern freuen. Wieso legen Sie so viel Wert auf die Interaktion in sozialen Medien?
Die traditionellen Medien in Deutschland berichten nahezu gar nicht über meine Arbeit. Daher ist „Social Media“ neben meiner Wahlkreiszeitung die einzige Möglichkeit, über meine Arbeit zu informieren. Und natürlich dürfen ein paar private Einblicke auch nicht fehlen. Es ist mir wichtig, Interessenten die Möglichkeit zu geben, mehr über mich und meine Arbeit zu erfahren.
Sie sind einer der wenigen Politiker der AfD, der offen zur Teilnahme an den coronakritischen Montagsspaziergängen aufruft und auch selbst teilnimmt. Wieso scheinen große Teile Ihrer Partei mit den Protesten zu fremdeln?
Ich nehme seit 2020 bereits an Demonstrationen, Spaziergängen usw. gegen diese Corona-Politik teil. Diese Maßnahmen schränken unsere Grundrechte und unser Grundgesetz ein. Ich bin nicht generell gegen eine Impfung, aber es darf keine Impfpflicht geben. Jeder Bürger muss die Möglichkeit haben, selbst zu entscheiden. Und Corona wird von den Medien und Altparteien als etwas dargestellt, was es gar nicht ist. Ich selbst bin 2021 an Corona erkrankt. Eine Woche Bettruhe, und ich war genesen. Und wir dürfen die Bevölkerung deswegen nicht in Angst und Schrecken versetzen und unsere Unternehmen und Arbeitsplätze zerstören.
Leider hat die AfD in der Anfangszeit von Corona da ein sehr gespaltenes Bild abgegeben, aber seit einigen Monaten ist das, was ich schon immer vertreten hatte, Konsens in der Partei. Und darüber freue ich mich natürlich. Mit den Protesten auf der Straße fremdelt noch der ein oder andere, das ist auch richtig, aber das wird sich hoffentlich auch ändern. Man muss den Menschen auf der Straße zuhören. Das wird in Berlin inzwischen auch recht gut umgesetzt.
Zuletzt hatten einige Angehörige Ihrer Jugendorganisation mit einem Banner „Die Krise heißt Kapitalismus“ für erhebliche Debatten in Ihrer Partei gesorgt. Wie positionieren Sie sich zwischen den beiden Enden, freier Marktwirtschaft und sozialem Patriotismus?
Dieses Banner und dessen Hintergrund ist mir persönlich nicht bekannt. In Berlin wurde über dieses Banner auch nie debattiert. Ich stehe für die soziale Marktwirtschaft. Mit mir wird es weder einen Raubtierkapitalismus noch einen Sozialismus geben. Beides lehne ich ab.
Zur Person:
Gunnar Norbert Lindemann, Jahrgang 1970, ist ein deutscher Politiker (AfD) und ist seit 2016 Mitglied des Berliner Abgeordnetenhauses. Außerdem ist er Mitglied im Landesvorstand der AfD Berlin.
Homepage: https://www.gunnar-lindemann.de/
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