Gute Ratten, schlechte Ratten: Österreich als groteske Seifenoper

In den letzten Tagen arbeitete die heimische Empörungsmaschinerie auf Hochtouren. Gleich in mehreren Fällen bauschten diverse Journalisten und politische Akteure kleine Nebensächlichkeiten zu veritablen Staatskrisen auf. Und diejenigen, die es betreffen soll, gehen ihnen dabei auf den Leim.
Julian Schernthaner
Kommentar von
24.4.2019
/
4 Minuten Lesezeit
Gute Ratten, schlechte Ratten: Österreich als groteske Seifenoper

Symbolbild: Pexels [CC0]

In den letzten Tagen arbeitete die heimische Empörungsmaschinerie auf Hochtouren. Gleich in mehreren Fällen bauschten diverse Journalisten und politische Akteure kleine Nebensächlichkeiten zu veritablen Staatskrisen auf. Und diejenigen, die es betreffen soll, gehen ihnen dabei auf den Leim.

Kommentar von Julian Schernthaner

Eigentlich fragt man sich, ob man sich in Österreich noch in einer meinungspluralistischen Demokratie befindet – oder ob das mittelmäßige Skript einer täglichen Seifenoper bereits Einzug gehalten hat. Verfolgte man die Medienberichte der letzten Tage konnte man annehmen, im Sog der blauen Regierungsmannschaft wäre soeben das vierte Reich erstanden. In Wirklichkeit handelte es sich um ein harmloses Gedicht, einen mittelprächtigen Comic und einen Spitzenpolitiker, der ein umstrittenes Nachrichtenportal nicht ausreichend überprüfte, bevor er einen Artikel teilte.

Der Inbegriff des Bösen

Die jüngste staatstragende „Widerlichkeit“ betraf ein pointiertes Gedicht eines blauen Vizebürgermeisters in einer Provinzstadt. Aus der Sicht einer städtischen Kanalratte schilderte er die gesellschaftlichen Veränderungen. Wie bei anthropomorphen Fabeln üblich, sind dabei nicht nur der Ich-Erzähler, sondern auch die anderen Leute Tiere. Und die „Stadtratte“ ist zwar schon seit Jahren das Pseudonym des Mannes für seine Kolumne, aber das geriet schnell in den Hintergrund des Aufstands.

Denn die Kombination der verfemten Nager mit der Jahreszeit und der aufgrund ihres berüchtigsten Sohnes unbestrittenen Stadt des absoluten Übels war einfach der Stoff, aus dem die Träume linker Journalisten gemacht sind. Anstatt des landläufigen Osterfriedens hatte man einen neuen „Naziskandal“ rund um einen vermeintlich „Braunen aus Braunau„. Für jenen demographischen Sektor, der im ZDF-Haussatiriker Böhmermann wegen seines „Ziegenficker“-Gedichts ein Genie sieht, gehen Ratten nun mal gar nicht.

Drehbuch gegen Patrioten: Fortsetzung folgt

Freilich hätten die Freiheitlichen der Empörung einigen Wind aus den Segeln nehmen können. Doch in bewährter Taktik distanzierte man sich auf Zuruf, womit der Sturm sogleich zum Orkan wurde. Die Meute wollte den Kopf des Mannes aus der Kleinstadt – und man kam der Forderung nach. Doch es war nicht das Ende der Episode, sondern ein weiterer Cliffhanger.

Denn schnell eilten eifrige Empörte herbei und entdeckten vermeintlich stereotype Darstellungen in einem Comic der hauseigenen Jugend in der Steiermark, rückten die Partei gar in die Nähe eines NS-Propagandablattes. Die Opposition nützte den Rückenwind und spannte letztendlich gar den Bundespräsidenten ein, welcher prompt mit Tadel zur Stelle war.

Gute Ratten, schlechte Ratten

Erst zu spät fiel den Blauen die Heuchelei der Agierenden auf. Längst war das Narrativ der Sammlung an täglichen Einzelfällen geboren, wonach ihre Partei mit angeblich entmenschlichenden „Ratten“-Vergleichen das politische Klima „vergiften“ würde – und sich „immer wieder von ihrem rechten Rand distanzieren“ müsste.

Denn die Karikatur von Burschenschaftern als Ratten löste einst keinen medialen Shitstorm aus. Auch eine derartige Bezeichnung in Richtung des Vizekanzlers vonseitens einer grünen Spitzenkandidatin führte in Niederösterreich nicht zu deren erzwungenem Rücktritt. Offenbar übertragen nur „Stadtratten“ politische Krankheiten – der Rest darf sich eh Haustiere nach Wahl halten.

Strache als kokainbetriebener Nazi-Roboter

Ebenso interessiert es offenbar niemanden, dass die SPÖ einst einen weitaus geschmackloseren Comic als irgendetwas, über das Österreich derzeit spricht, veröffentlichte. Dort wurden Freiheitliche und Burschenschaftler als „Nazi-Zombies“ verunglimpft. Strache agierte darin als von Kokain betriebene, dauerhaft hetzende Roboter-Marionette in den Fängen eines „Meister Kackl“.

Der Macher des Comics rechtfertigte das gewalttätige Auftreten des Protagonisten „Mr. X“ damals damit, dass man halt „mit Zombies nicht reden“ könnte. Wie bereits das jüngste Schaulaufen gegen eine patriotische Gruppierung zeigte: Es gibt im Land aus Sicht mancher offenbar so etwas wie gute und schlechte Entmenschlichung – und wohl auch legitime und illegitime politische Gewalt.

Falsche Loyalitäten

Aber anstatt solchen Umtrieben im Dunstkreis des Gegenübers den Kampf anzusagen, beteiligen sich freiheitliche Spitzenpolitiker ungeniert an Kampagnen gegen friedliche Patrioten. Sie subventionieren Boulevardmedien, deren Journalisten ihnen auch Attacken gegen eigene Funktionäre diktieren wollen, mit Inseraten in Millionenhöhe.

Gleichzeitig können sie sich „nicht vorstellen“, mit kritischen, patriotischen Medien, welche solche Kampagnen anprangern, irgendwie „im gleichen Boot“ zu sitzen. Sie treten gegen alles aus, was sich neben ihnen im dritten Lager bewegt – in der Hoffnung, selber aus dem Hamsterrad zu kommen. In Wirklichkeit betreiben sie damit die Tretmühle ihrer Kritiker erst recht.

Ausbruch aus der Scheinwelt wagen

Vielleicht hat die Partei aber auch einfach noch nicht verstanden, dass diese Kampagnen inszeniert sind, um sie selbst unglaubwürdig zu machen und ihr scheibchenweise das Um- und Vorfeld abzugraben. Alle Beobachter sitzen vor dem Bildschirm und wissen es. Nur der blaue Protagonist hält es weiter für ein authentisches Erlebnis, dass er selbst zu steuern vermag.

Es bleibt nur zu hoffen, dass sie das Spiel irgendwann durchschaut, und ihr eigenes Seahaven verlässt, um ihr Dasein nicht weiter nach dem Drehbuch ihrer Gegner zu fristen. Die Show der Vertreter der linken Hegemonie hat ihren Zenit längst überschritten – vorbei ist sie aber erst, wenn die FPÖ sich entschließt, bei diesem grotesken Schauspiel nicht länger mitzuspielen.

Die in Gastbeiträgen geäußerten Ansichten geben ausschließlich die Meinung des jeweiligen Autors wieder und entsprechen nicht notwendigerweise denen der Freilich-Redaktion.
Über den Autor
Julian Schernthaner

Julian Schernthaner

Der studierte Sprachwissenschafter wurde 1988 in Innsbruck geboren und lebte sieben Jahre in Großbritannien. Vor kurzem verlegte er seinen Lebensmittelpunkt ins malerische Innviertel, dessen Hügel, Wiesen und Wälder er gerne bewandert.

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