Milliardenproblem Bürgergeld: Offene Rückforderungen explodieren, Ausländeranteil hoch
Ein über Jahre gewachsener Schuldenberg macht die gravierenden Schwächen im System der Grundsicherung deutlich und stellt die Durchsetzungsfähigkeit des Sozialstaats infrage.
Eine aktuelle Anfrage an die Bundesregierung hat ergeben, dass Rückforderungen aus zu Unrecht bezogenen Leistungen kein Randphänomen mehr sind. Die aktuelle Summe der Rückforderungen bewegt sich im Milliardenbereich. (Symbolbild)
© IMAGO / Hanno BodeBerlin. – Im Bereich der Grundsicherung haben sich über Jahre hinweg erhebliche Außenstände aufgebaut. Laut der Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der AfD belief sich der Bestand offener Forderungen im Rechtskreis des Zweiten Buches Sozialgesetzbuchs zuletzt auf mehr als 2,5 Milliarden Euro. Die Entwicklung zeigt, dass Rückforderungen aus zu Unrecht bezogenen Leistungen kein Randphänomen mehr sind, sondern ein strukturelles Problem des Sozialsystems darstellen.

Millionen Leistungsberechtigte
Im Jahresdurchschnitt 2024 bezogen rund 5,56 Millionen Menschen Leistungen nach dem SGB II. Davon verfügten etwa 2,91 Millionen über die deutsche Staatsangehörigkeit, während 2,65 Millionen Ausländer waren. Seit 2021 ist die Gesamtzahl der Leistungsberechtigten damit um rund 246.000 Personen gestiegen. Für das laufende Jahr liegen noch keine vollständigen Jahresdaten vor, doch der Trend zeigt weiterhin nach oben.
In den Jobcentern wurden zwischen 2021 und 2025 über 100 Millionen Bescheide im SGB II erstellt. Darunter befanden sich mehr als 13 Millionen Erstattungsbescheide, mit denen zu Unrecht ausgezahlte Leistungen zurückgefordert wurden. Im Bereich des Arbeitslosengeldes nach dem SGB III summierten sich die Erstattungsbescheide auf rund 1,5 Millionen Fälle. Die Bundesregierung weist jedoch darauf hin, dass für das Jahr 2025 bislang nur Teiljahreswerte vorliegen.
Widersprüche gegen Rückforderungen
Gegen zahlreiche Erstattungsbescheide wurde Widerspruch eingelegt. Dabei entfielen im SGB II regelmäßig rund 14 bis 16 Prozent aller Widersprüche auf das Sachgebiet „Aufhebung und Erstattung“. Im Jahr 2025 wurden 29,7 Prozent dieser Widersprüche ganz oder teilweise anerkannt. Auch im SGB III lag der Anteil erfolgreicher Widersprüche teils deutlich über einem Drittel. Die Bundesregierung spricht hierbei ausdrücklich von dem Sachgebiet „Aufhebung und Erstattung“.
Ein erheblicher Teil der offenen Forderungen ist seit Jahren unbeglichen. Millionen Forderungen bestehen seit mehr als drei oder sogar fünf Jahren. Eine weitergehende Aufschlüsselung nach Forderungsalter ist laut Bundesregierung „systemseitig nicht möglich“. Somit bleibt unklar, wie hoch der Anteil der praktisch uneinbringlichen Rückstände tatsächlich ist.
Um Forderungen durchzusetzen, greifen die Behörden zunehmend auf Mahnverfahren und Aufrechnungen zurück. Im Jahr 2024 waren allein im SGB II über 1,6 Millionen Leistungsberechtigte von einer Aufrechnung betroffen. Der durchschnittliche monatliche Abzugsbetrag lag zuletzt bei etwas über 40 Euro. Im Bereich des Arbeitslosengeldes summierten sich die aufgerechneten Beträge zwischen 2021 und 2025 auf deutlich über 100 Millionen Euro.
Niederschlagungen und Erlasse in Millionenhöhe
Nicht alle Forderungen werden tatsächlich umgesetzt. Jährlich werden hunderttausende Fälle niedergeschlagen. Im Jahr 2022 kam es sogar zu negativen Salden, da mehr befristete Niederschlagungen storniert als neu vorgenommen wurden. Hintergrund ist die sogenannte „Verjährungssachbearbeitung“ infolge eines Urteils des Bundessozialgerichts. Erlasse spielen demgegenüber nur eine untergeordnete Rolle und bewegen sich im niedrigen sechsstelligen Bereich.


