OÖ-Wahl & FPÖ: Wenn ein Verlust fast ein Gewinn ist
Heimo Lepuschitz analysiert das FPÖ-Ergebnis bei der oberösterreichischen Landtagswahl:
Das Wahlergebnis der Freiheitlichen in Oberösterreich liegt mit knapp 20 Prozent im Rahmen des Erwartbaren. Eine Niederlage, aber doch angesichts der geänderten Rahmenbedingungen und Konkurrenz ein Zeichen dafür, dass die FPÖ mit dem neuen Parteiobmann Herbert Kickl bundesweit wieder im Aufwind ist und der Einsatz und die respektable Bilanz der oberösterreichischen Landesgruppe vom Wähler auch anerkannt wurden. Auch angesichts der enormen Dynamik, die angesichts der kommenden Corona-Verschärfungen und der bewussten Anti-FPÖ-Kampagnisierung der ÖVP und ihr zu Dank verpflichteter Medien entstanden ist, ein respektables Ergebnis.
Corona-Kurs der FPÖ
Spannend ist die Analyse mancher Politanalysten, auch im freiheitlichen Umfeld, die der Ansicht sind, der klare Coronas-Kurs der Bundes-FPÖ habe Menschen zur neuen Bewegung MFG getrieben. Sie haben damit – freiwillig oder unfreiwillig – genau den überall getrommelten Nachwahl-Spin der ÖVP übernommen, deren Bundesparteiobmann Kurz sinngemäß meinte, die „Radikalität“ von Kickl habe die Menschen so abgeschreckt, dass sie zu den „Radikalen“ gewandert seien. Die Message-Control-Phrasen der ÖVP waren auch schon einmal logischer und widerspruchsloser. Aber offenbar verfangen Sie im ÖVP-affinen Umfeld.
Auch die Theorie, man habe die letzten Wochen zu stark an die ÖVP verloren, wird durch die geringen Gewinne der ÖVP und unveröffentlichte Umfragen, die die ÖVP zwei Wochen vor der Wahl deutlich über 40 Prozent erwartet haben, widerlegt. In einem Gesamtplus der oberösterreichischen Volkspartei von einem Prozentpunkt haben nicht viele Freiheitliche Platz – bei über 6 Prozent der MFG durchaus. Und die FPÖ-Wähler, die seit 2015 zur ÖVP ab- bzw. rückgewandert sind, sind bereits vor Jahren zum neuen ÖVP-Obmann bzw. Kanzler Sebastian Kurz gegangen.
Viele namhafte Politikbeobachter mit Praxiserfahrung, wie Peter Westenthaler oder Gerald Grosz, sehen zu Recht gerade den klaren Kickl-Kurs bei Corona als Dammbau gegenüber der neu angetretenen und erfolgreichen MFG. Ohne die klare Positionierung der FPÖ pro Impffreiheit wären die Freiheitlichen an die MFG ausgeronnen. Was unvernetzte Politanalysten vielleicht nicht wissen: Die MFG lag bereits Wochen vor der OÖ-Wahl in den Rohdaten (!) unveröffentlichter Umfragen bei fünf Prozent, was normalerweise mindestens sieben bis acht Prozent Wahlergebnis bedeutet und einen Durchmarsch Richtung zehn Prozent befürchten ließ. Dies hätte die FPÖ viele zusätzliche Prozentpunkte und zumindest Platz zwei gekostet.
Wofür die FPÖ klarerweise nichts kann, ist, dass die Opposition gegen die Corona-Politik naturgemäß die Regierenden adressiert, zu denen in den letzten sechs Jahren in Oberösterreich auch die Freiheitlichen zählten. Dabei half es der FPÖ zwar, dass sie mit einem beliebten und souveränen Landeshautmannstellvertreter Haimbuchner als Korrektiv zu einer völlig enthemmten ÖVP Schlimmeres verhinderte – immerhin war es ÖVP-Landeshauptmann Thomas Stelzer, der als erster bedeutender Politiker Österreichs das Wort „Impfpflicht“ in den Mund nahm. Alle Kritiker vermochte man damit aber wohl nicht zu überzeugen.
Selbstverständlich ist das FPÖ-Minus vornehmlich im Ibiza-Skandal und in der neuen türkisen Positionierung der ÖVP begründet, wie auch in der Person des beliebten Landeshauptmannes Stelzer, der allein der ÖVP das Plus vor dem Ergebnis gerettet hat. Aber auch missverständliche Formulierungen aus der oberösterreichischen FPÖ wie das nachher klargestellte „Vorstellen-Können“ einer Impfpflicht für Beschäftigte im Gesundheitswesen sowie ein Kuschelkurs gegenüber der ÖVP waren sicher für freiheitliche Kernwähler verwirrend.
FPÖ darf nicht CSU-Fehler begehen
Es ist aber massiv davor zu warnen, wie manche – auch FP-nahe – Auguren zu sagen, dass „Corona und MFG bald Geschichte sein werden“. Die MFG vielleicht, weil die Geschlossenheit von solchen Bewegungen immer innerhalb von Legislaturperioden erledigt ist – siehe Team Stronach. Aber die FPÖ muss größten Wert darauf legen, dass Sie nicht den CSU-Fehler macht, kopflos in die Mitte zu rücken und dabei auf die Flanken zu vergessen. Noch dazu, wo Sebastian Kurz in der Mitte ein gewichtiger Gegner ist.
Ohne die klare Kickl-Kante am Ende des Wahlkampfes wären die FPÖ Oberösterreich und ihre tausenden Mitstreiter wohl um viele Früchte ihrer guten Arbeit der letzten Jahre umgefallen. Ohne Emotionalisierung, Positionierung und Mobilisierung bleiben FPÖ-affine Wähler oft zuhause. Oberösterreich ist hier, trotz bitterer Verluste, als ein Wendepunkt zu sehen. Die FPÖ erholt sich österreichweit wieder und hat sich mit dem neuen, klaren, medial präsenten Kurs rund 20 Prozent Wähleranteil zurückerkämpft. Mit „lieb und nett“ gewinnt man keine Wahl, schon gar nicht als Freiheitliche Partei.
Zur Person:
Heimo Lepuschitz ist politischer Kommunikationsspezialist und war Medienkoordinator der letzten ÖVP-FPÖ-Regierung. Er ist auf Strategieberatung, Public Affairs und Krisenkommunikation spezialisiert.