Plädoyer für ein gemeinsames Verständnis für eine deutsche Jugend und ihre Geschichte
Der AfD-Politiker Benjamin Filter fordert einen differenzierten Umgang mit den Erfahrungen der ehemaligen DDR-Jugend. Statt die Vergangenheit zu verdammen, sollten die positiven Elemente der Jugendbewegung aufgegriffen werden, meint er in seinem Kommentar für FREILICH.
Die Deutsche Demokratische Republik war ein Staat des subtilen Totalitarismus. In dieser sowjetisch besetzten Zone gab es, genau wie in den westlichen, ebenfalls besetzten Teilen Deutschlands, eine Jugendorganisation. Die Pionierorganisation Ernst Thälmann feierte ihren Geburtstag am 13. Dezember und zählte 1989 fast zwei Millionen Mitglieder. Ich habe dieses Datum als Anlass genommen, den ehemaligen Mitgliedern, also den jetzt Erwachsenen, einen freundlichen Gruß zu senden: „Ich grüße alle ehemaligen Halstuchträger zum Tag der Jungen Pioniere am 13. Dezember ...“
Keine pauschale Verurteilung
Die Reaktionen auf diese Banalität ließen aufhorchen. Denn sie reichten von dem Vorwurf der Wiedergängerei des Kommunismus über sogenannte „Ostalgie“ bis hin zu unwürdigen Anwürfen. Insbesondere scheint die Differenzierung zwischen den Menschen und der staatlich gelenkten Organisation einigen (bewusst) unmöglich zu sein. Wenn die DDR subtil totalitär war, war es ihre Jugendorganisation sicherlich auch. Doch kann es nur deshalb verboten sein, den ehemaligen Mitgliedern, den Menschen, die sich dort zusammenfanden, einen freundlichen Gruß zu senden? Selbstverständlich nicht, denn zu einem angemessenen Umgang mit unserer Geschichte gehört es auch, die Menschen in ihrer Zeit im Hier und Heute nicht pauschal zu verurteilen. Oder anders gesagt: Die so viel beschworene Lebenserfahrung als Fundament des eigenen Seins ist nicht viel wert, wenn man nicht weiß, wie man sie einordnen muss.
„Wenn wir keine geistige Tradition erben, die sie deutet, lehrt uns die Lebenserfahrung nichts.“
– Nicolás Gómez Dávila
Bevor wir also die Lebenserfahrung von Jugendlichen und Kindern in der DDR deuten, stellen wir fest, dass es nicht die eine Lebenserfahrung in der Kinder- und Jugendzeit in einem geteilten Deutschland geben kann, sondern mindestens zwei – und keine davon ist besser oder schlechter. Ich möchte deshalb weiter ausgreifen, um ein gemeinsames Verständnis für eine deutsche Jugend und ihre Geschichte zu entwickeln.
Teil der Lebens- und Volkserfahrung
Weit vor der Gründung der Pioniere nahm die Jugendbewegung ihren Lauf. Dabei stößt man auf ein überaus ambivalentes Geflecht: Wandervögel, Bündische, Edelweißpiraten, Hitlerjugend, Pioniere, FDJ und Pfadfinder – alle gehörten, wenn manches Mal auch nur in Teilen, dazu. Ein Beispiel: Die Pioniere der DDR waren zentralistisch und durch Partei und Staat kontrolliert und gesteuert, hatten jedoch gleichwohl Erbschaften und Anlagen in der Jugendbewegung des 20. Jahrhunderts. Andere Elemente der Letztgenannten waren genau das Gegenteil. Sie waren nie zentral gesteuert und unterwarfen sich nie einer einzigen politischen Richtung. Eines der zentralen Merkmale war ihre Tendenz zu Abspaltungen und in der Hauptsache anders zu sein als die anderen.
Wie kann es also sein, dass zwei so gänzlich unterschiedliche Phänomene doch mit gleichem Blick betrachtet werden sollten? Die Antwort darauf muss sein, dass wir den Jugendlichen und Kindern, seien sie nun aus freiem Willen oder aus (subtilem) Zwang „organisiert“, vorurteilslos und immer im Kontext der gesellschaftlichen Gegebenheiten ihrer Zeit gegenübertreten. Ich kann den Mitgliedern der Jugendbünde und Organisationen pauschal keine Vorwürfe machen oder sie dafür verurteilen. Deshalb ist ein Gruß an ebendiese, heute Erwachsenen, ehemaligen Pioniere in der DDR keinesfalls ein Ausklammern der Abgründe Makarenkowscher Pädagogik, sondern ein Signal dafür, dass auch sie Teil unserer Lebenserfahrung als Volk – unserer Volkserfahrung – sind.
Der Weg im neuen Jahrhundert
Egal ob in der ehemaligen DDR oder der Bonner Republik, in beiden deutschen Staaten versuchten Kinder und Jugendliche, ihr Leben zu gestalten. Überwältigt wurden beide gleichermaßen. Im „Westen“ durch die Millionen aus dem Bundesbildungsplan, mit denen sie indirekt in die amtlich gewünschten Strukturen gezwungen wurden. Die organisierte Jugend wurde somit „gekauft“, und es entwickelten sich Berufsjugendtum und andere Auswüchse. Beim Blick in den „Osten“ entdecken wir Ähnliches.
Unser Weg im neuen Jahrhundert muss ein anderer sein. Und er kann nur anders werden, wenn wir die Lebenserfahrungen der Vergangenheit nicht vergessen, sondern sie annehmen und daraus lernen. Und wir können versuchen, die positiven Elemente zu übernehmen – im Falle der Jungen Pioniere sind es beispielsweise die Botschaften aus Liedern wie „Unsere Heimat“ oder „Kleine weiße Friedenstaube“. Keine totalitäre Anschauung, die ausschließlich in Gut und Böse unterteilt ist, darf Fuß fassen. Freiheitlich-rechte Jugendpolitik stellt das Bekenntnis zum Menschen und die Distanz zur Politik in den Mittelpunkt. Dies klingt gegensätzlich, aber eben genau darin liegt die Herausforderung der kommenden Jahrzehnte.
Perspektive abseits dystopischer Szenarien
Wir müssen versuchen, unseren Kindern und Jugendlichen eine Zukunftsperspektive zu geben. Eine Zukunft jenseits von dystopischen Szenarien, in denen Industrien mit maximaler Effizienz und Kapazität arbeiten, der erwirtschaftete Überschuss dabei vom Staat absorbiert wird und individuelle Freiheiten nur soweit reichen, wie die erpressten Punkte im Sozialkreditsystem.
Wenig hilfreich ist dabei die Beschwörung vergangener, besserer Zeiten und das daraus folgende Mitleid für die heutige Generation. Denn man muss feststellen, dass die heutigen Zeiten nur deshalb entstehen konnten, weil die Älteren diese dazu haben werden lassen. Man muss also im Hier und Jetzt ansetzen und wissen, was zu tun ist, um eine bessere Zukunft zu gestalten. Wohl wissend, dass man diese selbst vermutlich nicht mehr erleben wird, da über viele Jahre zu viele falsche Entscheidungen getroffen wurden. Frei nach Ernst Jüngers Aussage: „Heute kann nur leben, wer an kein Happy End mehr glaubt, wer wissend darauf verzichtet hat.“
Zukunft gemeinsam und mutig gestalten
Dass dies jedoch für die künftigen Generationen nicht gelten muss, steht fest. Wir müssen politisch darauf hinwirken, dass wir für die Kinder und Jugend eine freiheitlich-rechte Politik machen, die Eigenverantwortlichkeit, Selbstbestimmung und innere Wahrhaftigkeit bei ihnen bestärkt. Ihnen keine Scheuklappen anlegt, keine Unterteilung der Welt in nur Gut und Böse vermittelt. Sie nicht mit Geld zuschmiert in der Hoffnung, dass sie dann nur ja „auf Linie“ bleiben. Sie nicht überlastet mit einer Schuld, die ihnen einreden soll, sie seien Kinder von Verbrechern.
Kurzum: Wir müssen die Zukunft unserer Kinder und Jugendlichen mit ihnen gemeinsam mutig gestalten und dürfen uns und ihnen nicht selbst im Weg stehen. Wir dürfen unseren Nachfahren nicht im Wege stehen, nur weil wir unsere gemeinsame Vergangenheit des geteilten Deutschlands noch nicht richtig verarbeitet haben. Ich werde meinen Teil als Mitglied der AfD dazu beitragen. Genauso wie viele Tausende ehemalige Pioniere, die ebenso Mitglieder der jüngsten Volkspartei Deutschlands sind.