Roman Haider: „Der Green Deal gehört auf den Misthaufen der Geschichte“
In den letzten Jahren ist das Leben in vielen Ländern teurer geworden, darunter leidet auch die Autoindustrie. Schuld daran sei aber nicht der Krieg in der Ukraine, sagt Roman Haider im Gespräch mit FREILICH. Vielmehr sieht er die Ursache für diese und andere Probleme im „Green Deal“ der EU.
FREILICH: Die FPÖ möchte unbedingt den „Green Deal“ verhindern. Was steckt hinter diesem Deal?
Roman Haider: Das ist der Plan der EU, Europa bis 2050 „klimaneutral“ zu machen. Bis dahin soll die EU netto null CO2-Emissionen ausstoßen. Ein Halbzeitschritt dazu ist „Fit for 55“. Da geht es darum, dass bis 2030 die CO2-Emissionen im Vergleich zum Jahr 1990 um 55 Prozent reduziert werden sollen. Um dieses Ziel zu erreichen, gibt es eine Reihe von Richtlinien und Verordnungen. Eine davon ist das viel diskutierte Verbrennerverbot, das ab 2035 in Kraft treten soll. Eine andere Maßnahme ist der Handel mit Emissionszertifikaten oder auch der CO2-Grenzausgleichsmechanismus CBAM. Das spielt alles im Rahmen von „Fit for 55“ eine Rolle.
Dann beginnen wir doch einmal mit dem Zertifikatehandel. Was passiert da genau?
Die 10.000 größten Industriebetriebe – davon 200 in Österreich – sind vom Emissionszertifikatehandel betroffen. Das bedeutet, dass zum Beispiel ein großer Industriebetrieb wie die Voest, der bei der Produktion CO2 ausstößt, dafür eine Art Strafsteuer zahlen muss. Dafür hat man den Zertifikatehandel mit einer eigenen Börse ins Leben gerufen. Die EU gibt Emissionszertifikate aus und Firmen, die weniger Zertifikate brauchen, als sie bekommen, können diese an der Börse verkaufen. Braucht eine Firma mehr, als sie von der EU zugeteilt bekommt, muss sie die Zertifikate eben kaufen.
Interessantes Detail am Rande: Tesla macht seine Gewinne nur durch den Handel mit Emissionszertifikaten und nicht durch den Verkauf der Elektroautos.
Wie haben sich die Preise im Zertifikatehandel entwickelt?
2017 kostete eine Tonne ausgestoßenes CO2 noch 5,80 Euro. Vor anderthalb Jahren wurde die 100-Euro-Schallmauer durchbrochen. Der Preis hat sich also verzwanzigfacht. Und jetzt wissen wir auch, warum in Europa alles so teuer geworden ist. Das war nicht der Ukrainekrieg, sondern das waren einerseits die Sanktionen gegen Russland, die uns selbst schaden, und das war andererseits auch der Emissionszertifikatehandel, weil er die Produktion für die 10.000 größten Industriebetriebe massiv verteuert hat. Auf diesen EU-Wahnsinn hat dann die österreichische Bundesregierung noch eins draufgesetzt und die CO2-Steuer eingeführt. All diese Maßnahmen führen dazu, dass alles teurer wird.
Neben der Teuerung: Wozu führen diese Maßnahmen aus Ihrer Sicht?
Durch die Verteuerung der Produktion wandert die Industrie zum Beispiel nach China ab. Dort kann sie billiger, aber auch mit weniger Umweltauflagen und damit doppelt so dreckig produzieren. Also selbst wenn man diese wahnsinnige Klimapolitik mit den Maßstäben der Klimafanatiker misst, führt sie gar nicht zum gewünschten Ziel, sondern schädigt nur unsere Wirtschaft und unseren Wohlstand. Sie führt eben dazu, dass im Ausland doppelt so dreckig produziert wird. Also völlig unsinnig.
Das Verbrennerverbot geht in die gleiche Richtung. Hier geht es darum, dass ab 2035 im Bereich der Pkw und der Kleinlaster keine Neufahrzeuge mit Verbrennungsmotor mehr zugelassen werden. Gleichzeitig wird einseitig die Elektromobilität gefördert, weil sie angeblich so umweltfreundlich ist.
Aber was spricht gegen eine CO2-Reduktion durch das Verbrennerverbot?
Der europäische Anteil an den weltweiten CO2-Emissionen beträgt nur acht Prozent. Von diesen acht Prozent entfallen nur 15 Prozent auf jenen Teil des Verkehrssektor, der vom Verbrennerverbot erfasst wird. 15 Prozent von acht Prozent sind 1,2 Prozent. Theoretisch bringt das Verbrennerverbot also 1,2 Prozent Emissionsreduktion. In der Realität ist es noch weniger, weil die alten Fahrzeuge auch nach 2035 noch fahren werden. Ich prophezeie: Es wird bei uns dann wie in Kuba aussehen, wo die ganzen Oldtimer herumfahren (lacht).
Das ist doch alles ein Wahnsinn: Wegen einer so geringen CO2-Reduktion ruinieren wir die europäische Automobilindustrie – die übrigens die sauberste Industrie der Welt ist – und ruinieren zwölf Millionen Arbeitsplätze – allein 400.000 in Österreich durch die Zulieferindustrie. Wir deindustrialisieren Europa und zerstören dadurch unseren eigenen Wohlstand und unsere eigene Zukunft. Die ganze Welt steht staunend da, schüttelt den Kopf und reibt sich natürlich auch die Hände, weil unsere Industriebetriebe zu ihnen abwandern. Völlig wahnsinnig, völlig verrückt – das ist „Fit for 55“.
Was wäre dann die freiheitliche Lösung für diese Probleme?
Der „Green Deal“ gehört auf dem Misthaufen der Geschichte entsorgt. Es ist absolut nicht erstrebenswert, das EU-Ziel von netto null CO2-Emissionen bis 2050 zu erreichen.
Damit ich richtig verstanden werde: Nein zum Klimawahn, aber Ja zum Umweltschutz. Natürlich bin ich auch der Meinung, dass wir langfristig aus den fossilen Brennstoffen aussteigen müssen. Das ist eine endliche Ressource, mit der es irgendwann vorbei ist. Aber wir sollten das nicht in dieser Geschwindigkeit und unter diesen zerstörerischen Bedingungen des „Green Deal“ tun.
Wir brauchen einen Umweltschutz mit Augenmaß. Gerade wir als Österreicher mit unserem Tourismus. 15 Prozent unserer Wertschöpfung kommen davon, dass wir eine saubere und schöne Umwelt haben. Ich selbst war jahrelang Obmann des Tourismusausschusses im Nationalrat. Das ist selbstverständlich eine freiheitliche Agenda, aber dieser völlig überzogene Klimawahn muss ein Ende haben.
Was wären dann aus Ihrer Sicht sinnvolle Maßnahmen in der Klimapolitik? Oder ist Klimapolitik automatisch „Klimawahn“?
Ich erlebe gerade in diesem Haus, wenn es ums Klima geht, dass es oft eine reine Glaubensfrage ist und mit überzogenen Maßnahmen versucht wird, einer regelrechten Hysterie eines möglichen Weltunterganges entgegenzutreten. Dabei geht aber jedwede vernünftige Herangehensweise an dieses Thema verloren. Das ist sehr gefährlich, weil wir am Ende der Geschichte weder dem Klima noch den Menschen geholfen haben. Man kann Maßnahmen setzen, aber nicht solche, die planwirtschaftliche Agenden verfolgen und von einem Tag auf den anderen den schwer erarbeiteten Wohlstand des Kontinents gefährden, nur weil wir eine Vorbildwirkung haben sollen, die der Rest der Welt aber nicht als solche anerkennt. Ich glaube, die Politik muss hier Schritt für Schritt vorgehen. Erneuerbare Energien fördern, aber gleichzeitig die fossilen nicht einfach abschalten, die gerade für die Industrie auf dem Kontinent wichtig sind. Zudem die Entrepreneurships in diesem Bereich durchaus zu fördern und diese grundsätzlich steuerlich zu entlasten und nicht KMUs (Kleine und mittlere Unternehmen, Anm. d. Red.) durch ideologischen Firlefanz in eine Teuerungswelle nach der anderen zu jagen.
Seit Jahresbeginn haben sich europaweit Bauernproteste entwickelt. In Österreich war es sehr ruhig bisher …
Ja weil da die ÖVP mit dem Bauernbund die Hand drauf hat.
Was sind die politischen Hintergründe der Proteste?
Für die Bauern geht es ums Überleben. Sie spüren jetzt die Auswirkungen des „Green Deal“ auf die Landwirtschaft. Die EU-Agrarstrategie heißt „Farm to Fork“. Da gibt es zum Beispiel die RED-III-Richtlinie für erneuerbare Energien und das Nature Restoration Law – das Gesetz zur Wiederherstellung der Natur. Das ist natürlich ein Euphemismus. In Wirklichkeit ist es ein Bauernenteignungsgesetz. Fakt ist jedenfalls, und das steht auch in der eigenen Folgenabschätzung der Kommission: Bei Vollumsetzung der „Farm to Fork“-Strategie wird die Nahrungsmittelproduktion in Europa um zehn bis zwanzig Prozent sinken. Europa wird dann vom Nahrungsmittelexporteur zum -importeur. Wir begeben uns damit in neue Abhängigkeiten und treten in Konkurrenz zu unseren bisherigen Abnehmern, die sich neue Lieferanten suchen müssen. Wir sind schon in vielen Bereichen abhängig von China, Russland, den USA usw., und jetzt machen wir uns auch noch im Nahrungsmittelbereich abhängig.
Das ist eine völlig irrsinnige Politik und das merken die Bauern als erste, weil es bei ihnen immer knapp mit dem finanziellen Auskommen ist. In Österreich haben wir eine Nebenerwerbsquote von 57 Prozent. Diese Bauern brauchen einen weiteren Beruf, um die Landwirtschaft überhaupt betreiben zu können. Nur von der Landwirtschaft allein können nur noch die wenigsten leben.
Wir unterstützen natürlich die Proteste, weil wir sehen, was da schiefläuft. Die Viehwirtschaft zum Beispiel wird zum Feindbild stilisiert und soll reduziert werden. Dafür soll man sich nach alternativen Proteinquellen umschauen. Wir wissen, was das heißt: Algen und Insekten sollen gegessen werden.
Dieser „Green Deal“ will einfach das Leben in jedem Bereich transformieren. Dagegen wehren sich die Bauern, dagegen wehren wir Freiheitliche uns schon seit Jahren. Wir haben die „Green Deal“-Pläne von Anfang an abgelehnt, weil wir sehen, wie zerstörerisch sie für unseren Kontinent sind – und die Maßnahmen bringen auch der Umwelt nichts.
Aber profitieren die Bauern nicht auch von der EU? Immerhin erhalten sie zig Milliarden Euro an Subventionen.
Nein, sie profitieren überhaupt nicht von der EU. Die Agrarpolitik ist auf EU-Ebene völlig vergemeinschaftet. Wenn die Landwirtschaft wieder renationalisiert würde, also wieder in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten fiele, dann könnten wir unsere Bauern viel besser fördern. Wir als Nettozahler könnten dann unser Geld für unsere eigenen Leute verwenden. Deshalb fordern wir die Renationalisierung der Landwirtschaft. Die Landwirtschaftspolitik muss raus aus den Händen der Eurokraten, die nur die großen Agrarkonzerne im Auge haben und unsere kleinstrukturierte Landwirtschaft kurz- und mittelfristig umbringen.
In Österreich gibt es immer weniger Bauern. Wie könnte man dieses Bauernsterben verhindern?
Indem man vor allem Regionalität fördert und die unsinnigen Verbote und Reglementierungen aus Brüssel abschafft. Große Agrarkonzerne können sich leicht umstellen und wir sehen auch, dass sich durch die wahnwitzige „Green Deal“-Ideologie Europa in schwerwiegende Abhängigkeiten bewegt, was die Landwirtschaft anbelangt. Wir als Freiheitliche sehen keinen Sinn und Zweck, Knoblauch aus Ägypten oder Hühner aus Thailand zu importieren. Man muss endlich die Regionalität auch entsprechend fördern und unterstützen. Ich glaube, viele Menschen würden auf dieses Angebot zurückkommen und die Bauern würden davon profitieren und vor allem ihre Existenz nicht als gefährdet ansehen.
Vor Kurzem veranstalteten Sie mit Ihrem Kollegen Harald Vilimsky eine Podiumsdiskussion zum Thema ESG (Environment, Social and Governance) in Straßburg. Ein Thema, das bisher noch nicht so sehr im Fokus der medialen Aufmerksamkeit gewesen ist. Was ist das Problem an diesen Kriterien für „nachhaltige Unternehmensführung“?
Das Problem ist hier die Schaffung eines Werte- bzw. Scoringmechanismus, bei dem ein Zuwiderhandeln im schlimmsten Fall das Ende des eigenen Unternehmens bedeuten kann. Die EU gibt Zielvorgaben für Unternehmen in den Bereichen Umwelt, Soziales und „woke“ Unternehmensführung vor. Betriebe, die sich diesen in höchstem Maße undefinierten und damit willkürlichen ESG-Vorgaben nicht beugen, werden Schwierigkeiten haben, Finanzmittel oder öffentliche Aufträge zu erhalten. Denn obwohl die Definition von ESG sehr lasch ist, ist der Strafmechanismus sehr eindeutig. In diesem Zusammenhang warnen wir ausdrücklich vor dem EU-Lieferkettengesetz: Das ist eine Verordnung, die derweil nur auf größere europäische Unternehmen anwendbar ist, aber ein eindeutiges Haftungsregime vorsieht, sollten Zulieferer aus Drittstaaten gegen Vorgaben im Bereich der Umwelt- oder Menschenrechte Verstöße begangen haben.
Als Referent trat unter anderem James Taylor vom Heartland Institute aus den USA auf. Wie ist dieser Kontakt zustande gekommen? Und wird es in Zukunft eine Zusammenarbeit geben?
Ich kenne Herrn Taylor von der amerikanischen CPAC-Konferenz, wo er sein Institut vorgestellt hat, das besonders in der Klimapolitik forscht und dabei zu Ergebnissen gelangt, die die Weltuntergangsszenarien des hysterischen „Klimaexperten“-Mainstreams entzaubern. Gerade im Bereich der Umwelt- und Klimapolitik zeigt sich die Notwendigkeit, breitere Netzwerke zu nutzen, um eine akzeptable Alternative zu den düsteren Prophezeiungen der UN-Apologeten über das wahrscheinliche Wetter in 100 Jahren schaffen zu können. Diese Angstmache mit dem neuen Begriff der Klimaveränderung (vor ein paar Jahren waren es noch die Ölknappheit, der saure Regen, das Ozonloch, und bis vor kurzem noch die Erderwärmung) dient einzig und allein dem Gefügigmachen der Bürger und der Abschaffung von Eigentum an Häusern, Wohnungen und Autos. Dies entspricht einer von oben verordneten Degradierung zum reinen Konsumenten.
Herr Haider, vielen Dank für das Gespräch!
Zur Person:
Roman Haider, geboren 1967 in Grieskirchen, Oberösterreich, wohnhaft in Aschach an der Donau, war von 2008 bis 2019 Nationalratsabgeordneter der FPÖ. Seit Juli 2019 ist er Abgeordneter im Europäischen Parlament.