Streit um ‚Diciotti‘: Kurz will Anlegestopp für Migrantenschiffe
Der österreichische Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) bekräftigte erneut, dass er ein Ende der Praxis möchte, dass NGOs in Seenot geratene Migranten in europäische Häfen bringen.
Wie die Kleine Zeitung am Montagmorgen berichtet, sprach sich Kurz in einem Telefonat mit seinem maltesischen Amtskollegen Joseph Muscat gegen eine Anlegeerlaubnis in Europa aus. Er vertritt die Ansicht, dass man generell Schiffe mit Migranten an Bord an der EU-Außengrenze stoppen müsse. Die Einreisewilligen soll man stattdessen in die Ursprungsländer beziehungsweise in ein sicheres Drittland auf dem afrikanischen Festland bringen. Gemäß Informationen aus dem Bundeskanzleramt sei man sich einig, dass „nicht jedes Schiff in der EU anlegen“ könne.
Italien und Malta streiten um Zuständigkeit
Seit mehreren Tagen liegt mit der ‚Diciotti‘ ein Schiff der italienischen Küstenwache mit knapp 180 Migranten an Bord ohne Anlegefreigabe im Mittelmeer. Daraufhin entflammte eine Debatte zwischen Italien und Malta um die Zuständigkeit. Während Italien den Standpunkt vertritt, dass der Aufgriff in maltesischen Gewässern geschah, verweist Malta auf die Umstände der Seenotrettung. Italien habe diese nur dort aufgesammelt, um sie aus italienischen Gewässern fernzuhalten.
Inhaltlich vertreten jedenfalls beide Länder im Disput ähnliche Ansichten. Sowohl Italien als auch Malta sind – ähnlich wie Kurz – offenbar für eine Zurückführung auf das afrikanische Festland. Der italienische Innenminister Matteo Salvini bekräftigte dabei seine Absicht, die Migranten zurück nach Libyen zu bringen, falls kein EU-Land zur Aufnahme bereit ist. Gleichzeitig gilt eine Zurückweisung in das nordafrikanische Land als problematisch, da Libyen nicht zu den sicheren Drittländern zählt.
Immer wieder Dispute um Migrantenschiffe
Bereits in den vergangenen Monaten kam es immer wieder zu Debatten rund um die Anlegeerlaubnis von Schiffen mit großen Zahlen an Migranten. Im Juni blockierten sowohl Italien als auch Malta das Einlaufen der „Aquarius“ mit über 600 Schiffsbrüchigen, letztendlich durfte das Schiff im spanischen Valencia anlegen. Wenige Wochen später wiederholte sich das Schauspiel mit der ‚Lifeline‘. Das Schiff einer deutschen NGO befand sich tagelang mit 234 Migranten an Bord auf Irrfahrt im Mittelmeer. Letzten Endes durfte es in Malta einlaufen.
Deren Kapitän Claus-Peter Reisch muss sich nun allerdings wegen fehlerhafter Registrierungen vor einem maltesischen Gericht verantworten. Der gebürtige Bayer verfügt lediglich über einen niederländischen Sportseeschiffersein – dort bestreitet man die behauptete Registrierung der ‚Lifeline‘ als Sportschiff. Außerdem soll er Anweisungen der libyschen Küstenwache missachtet und daher gegen internationales Recht verstoßen haben.
Kritiker wollen ‚Pull-Faktoren‘ eindämmen
In weiterer Folge solidarisierten sich zahlreiche Prominente und Kulturschaffende mit Reisch und sprachen sich für Seenotrettung aus. Gleichzeitig regt sich in vielen europäischen Ländern eine politische und gesellschaftliche Debatte um die Sinnhaftigkeit entsprechender ‚Search-and-Rescue‘-Missionen. Die EU einigte sich letztendlich im Juni auf einen Kompromiss mit gemeinsamen Asylzentren in Nordafrika – Die Tagesstimme berichtete.
Kritiker an dem Treiben im Mittelmeer sind darüber hinaus der Ansicht, erst die Anwesenheit der europäischen Hilfsorganisationen mache die gefährliche Überfahrt attraktiv – und das Geschäft mit Einreisewilligen für libysche Schlepper lukrativ. Um sogenannte ‚Pull-Faktoren‘ einzudämmen fordern sie immer wieder eine Asylpolitik nach dem Vorbild der australischen ‚No Way‘-Maßnahmen.