Wohnbaukrise: Österreichs Neubau droht bis 2025 Minus von 38 Prozent
In Wien könnten die Fertigstellungen von Wohnbauten laut einem neuen Bericht bis 2026 um bis zu 80 Prozent einbrechen. Die Immobilienwirtschaft fordert dringend bessere Rahmenbedingungen zur Sicherung des Wohnraums.
Wien. – Die Ergebnisse des ersten österreichischen Neubauberichts der Exploreal GmbH zeichnen ein düsteres Bild für den Wohnbau. Für 2024 wird österreichweit ein Rückgang der Fertigstellungen um zehn Prozent erwartet. Im Jahr 2025 könnte das Minus gegenüber 2023 bereits 38 Prozent betragen. Besonders dramatisch ist die Prognose für Wien: Von 17.000 fertiggestellten Wohnungen im Jahr 2023 soll die Zahl auf 15.300 im Jahr 2024 sinken, ein Minus von zehn Prozent. Bis 2026 könnte die Zahl um bis zu 40 Prozent einbrechen, in den Folgejahren sogar um bis zu 80 Prozent.
Gewerblicher Wohnbau unter Druck
In Wien sind gewerbliche Bauträger für mehr als 65 Prozent des Wohnungsneubaus verantwortlich, geraten aber zunehmend unter Druck. „Diese Entwicklung ist höchst besorgniserregend. Wenn der gewerbliche Wohnbau weiterhin mehr blockiert als unterstützt wird, ist das gesamte Wohnraum-Angebot in Wien und die Sanierungsquote massiv gefährdet“, warnt Michael Pisecky, Fachgruppenobmann der Immobilien- und Vermögenstreuhänder. Er fordert von der Politik bessere Rahmenbedingungen, um einen „Sanierungs- und Bau-Turbo“ für die Immobilienwirtschaft zu ermöglichen.
Die Bautätigkeit in Wien konzentriert sich zunehmend auf die Außenbezirke. Demnach ist die Bauquote im 22. Bezirk (Donaustadt) mit 18,55 fertiggestellten Wohneinheiten pro 1.000 Einwohner am höchsten. Ähnlich hohe Werte finden sich in den Bezirken 14, 21 und 23 sowie in den großen Stadtentwicklungsgebieten der Bezirke 2 und 3. Die inneren Bezirke weisen hingegen eine geringe Bautätigkeit auf, was auf eine vernachlässigte Innenentwicklung hindeutet.
Regulierungen als Hemmschuh für Innenentwicklung
Hans Jörg Ulreich, Bauträger und Branchenkenner, sieht einen zentralen Grund für die stockende Innenentwicklung in den zahlreichen gesetzlichen Auflagen: „Neben den hohen Baukosten behindern überschießende gesetzliche Regulierungen die Wohnraumschaffung in der bebauten Stadt. Kostentreiber wie die Stellplatzverpflichtung im Neubau oder die Wahrung des Stadtbildes verhindern wichtige Sanierungs- und Ausbaumaßnahmen“.
Die Vernachlässigung der Innenentwicklung gefährdet auch die Erreichung der Klimaziele. „Die thermische Umrüstung in der Stadt erfordert den Fokus auf Innenentwicklung. Mit Anreizen können Bewohner zum Umstieg überzeugt werden“, betont Nicole Fürntrath, Hausverwalterin. Sie sieht Hausverwaltungen als zentrale Multiplikatoren für die Umsetzung von Sanierungen und Umrüstungen auf nichtfossile Heizsysteme. „Für sowohl Sanierung als auch leistbaren Wohnungsneubau in der gebauten Stadt braucht die Branche - neben dringend notwendigen Änderungen im Wohnrecht - auch Rahmenbedingungen in der Bauordnung und Flächenwidmung“, ergänzen Ulreich und Fürntrath.
Forderungen an die Politik
Michael Pisecky richtet klare Forderungen an die Stadt- und Bundesregierung: „Entscheidend für den gewerblichen und für den sozialen Wohnbau sind im Mietrechtsgesetz und im Wohnungseigentumsgesetz die wohnrechtlichen Notwendigkeiten, Duldung durch die Mieter und vereinfachte Beschlussfassung“. Investitionen seien ohne verlässliche Kalkulation zukünftiger Einnahmen nicht möglich.
Zentrale Hebel zur Ankurbelung des Wohnbaus sieht Pisecky auch in der Senkung der Baukosten, etwa durch eine Reform der Stellplatzverpflichtung, sowie in der Beschleunigung und Entbürokratisierung von Genehmigungsverfahren. Sanierungen und Bauaktivitäten würden schlicht ausbleiben, falls sie sich wirtschaftlich nicht rechnen, warnt Pisecky. Sein Appell an die Politik: „Es muss ein ausreichendes Angebot an Wohnraum in Wien geschaffen und aufrechterhalten werden“. Die Rahmenbedingungen dafür würden in ihrer Hand liegen.