„Ich unterstütze ihre Sache“: Staatsanwalt und Richterin verharmlosen Angriffe von Klimaaktivisten
Der Farbanschlag auf den Weihnachtsbaum in der Leipziger Mädler-Passage sorgte im Jahr 2023 für bundesweite Aufmerksamkeit. Nun mussten sich drei Klimaaktivisten vor Gericht verantworten und trafen dort auf erstaunlich viel Verständnis.
Im Dezember 2023 verübten drei Aktivisten der „Letzten Generation“ einen Farbanschlag auf den Weihnachtsbaum in der Leipziger Mädler-Passage. Nun kamen sie vor Gericht vergleichsweise glimpflich davon.
© Letzte GenerationLeipzig. – Im Dezember 2023 hatten Kim S. (28), Melanie G. (30) und Lina S. (24) den weithin bekannten Kunstbaum in der Leipziger Mädler-Passage mit oranger Farbe aus Feuerlöschern besprüht und ein Banner mit der Aufschrift „Besinnlich in die Katastrophe? Nächstenliebe = Klimaschutz” gezeigt. Vor Gericht räumte das Trio seine Beteiligung ein und erläuterte die Motivation hinter der Aktion.

„Mahnmal für Klimaschutz“
„Wir wollten den Baum symbolisch färben, um zu zeigen, wie die Klimakrise in den Alltag eingreift“, zitiert die Leipziger Volkszeitung Kim S. Er habe zudem nicht gewusst, dass es sich um einen Kunststoffbaum handelte. Nach eigenen Angaben sollte der Baum sowieso nur noch eine Woche als „Mahnmal für Klimaschutz“ stehenbleiben, bevor er nach Weihnachten ohnehin weggeworfen würde.
Melanie G. betonte hingegen ihre Verzweiflung über die globalen Entwicklungen: „Die Welt wird unbewohnbar, das ist nicht mehr aufzuhalten.“ Sie sei es leid, über die Folgen des Klimawandels zu sprechen, während weiter konsumiert werde. „Wenn wir Plastikspielzeug für unsere Kinder kaufen, werden wir ihre Zukunft zerstören.“ Ihre Mitangeklagte Lina S. beschrieb ihr Gefühl der Überlastung angesichts drohender Umweltkatastrophen: „Was soll ich tun, wenn die Welt zu kollabieren droht? Es gibt eine Diskrepanz zwischen exzessivem Konsum und ökologischer Dringlichkeit.“
Der vermeintlich austauschbare Baum entpuppte sich jedoch als wiederverwendbare Dekoration, die seit 2011 jedes Jahr neu aufgebaut wird. Die Reinigung verursachte Kosten in Höhe von rund 10.000 Euro. Eine Ladenbetreiberin berichtete im Zeugenstand: „Unser schöner Baum war erstmal hin.“
Lange Liste an Vorstrafen
Die Angeklagten waren über Jahre hinweg Teil professioneller Klimaaktionen, unter anderem im Umfeld der „Letzten Generation“. Zwischen 2022 und 2024 wurden sie mehrfach wegen Nötigung und Sachbeschädigung verurteilt. Zwei von ihnen sind zudem im Zusammenhang mit der Farbattacke auf das Brandenburger Tor angeklagt, bei der ein Schaden von über 110.000 Euro entstand.
Inzwischen seien sie nicht mehr aktiv, erklärten sie. „Das Ding ist durch“, so Melanie G. Dennoch bedauern die drei ihre Aktionen nicht. Die psychische Belastung durch die vielen Strafverfahren sei jedoch deutlich spürbar, so Lina S.: „Ich kann mich gar nicht aufs Studium konzentrieren.“
Staatsanwalt zeigt Sympathie
Für Verwunderung sorgte die Haltung der Strafverfolgungsbehörde. Staatsanwalt Benjamin von Renner erklärte, dass er „Recht und Gesetz“ vertrete und deshalb eine Geldstrafe von 120 Tagessätzen pro Person fordere. Gleichzeitig betonte er aber auch: „Ich unterstütze ihre Sache.“
Die Verteidigung plädierte für deutlich geringere Strafen und führte idealistische Motive an, die mildernd zu werten seien. „Es war keine eigennützige Aktion, unter Einsatz eines hohen persönlichen Risikos auf die Klimakrise aufmerksam zu machen“, argumentierte Anwältin Regina Götz.
Urteil: Deutlich geringere Strafen als beantragt
Richterin Ute Fritsch folgte dem Antrag des Staatsanwalts nicht und verhängte geringere Geldstrafen. Kim S. und Melanie G. erhielten jeweils 90 Tagessätze à acht bis zehn Euro, Lina S. 80. In ihrer Urteilsbegründung zeigte die Richterin Verständnis: „Ich verstehe ihre Wut“, sagte sie. „Sie wollten mit ihrer Tat aufrütteln.“



