Erster KI-Song erobert das Internet
Der neue Song „Heart on My Sleeve“ des kanadischen Rappers Drake sorgt derzeit auf TikTok und Spotify für Furore. Der virale Hit hat allerdings einen Haken: Er soll überhaupt nicht von Drake stammen, sondern vollständig von einer künstlichen Intelligenz komponiert worden sein. Steht eine Revolution der Musikindustrie bevor?
Das Lied mit dem Titel „Heart on My Sleeve“ wurde letztes Wochenende von einem mysteriösen Account namens „Ghostwriter977“ auf TikTok veröffentlicht und verbreitete sich anschließend auch auf Spotify und YouTube. In nur wenigen Tagen wurde das Lied bereits mehrere Millionen Male abgespielt und wird nun weltweit diskutiert. Während im Hintergrund die Musik läuft, präsentiert sich der bisher unbekannte Produzent mit weißen Bettlaken und Sonnenbrille – ganz im Stile eines echten „Ghostwriters“.
Wer steckt hinter dem Video?
Bisher ist unklar, ob es sich tatsächlich um eine KI-generierte Komposition handelt. „Ghostwriter977“ selbst gibt an, jahrelang als Ghostwriter für große Labels gearbeitet und dabei kaum entlohnt worden zu sein. Mit dem neuen Lied wolle er nun beweisen, dass künstliche Intelligenz auch ohne menschliche Beteiligung einen Hit produzieren kann. Es könnte sich aber auch um einen Werbecoup handeln: Folgt man den Links zum Video, stößt man auf das amerikanische Unternehmen Laylo, das nach eigenen Angaben „Kunstschaffende mit ihrer Fangemeinde verbindet“. Laylo selbst kommentierte Cohens Spurensuche nur mit einem Gespenster-Emoji.
Drake: „Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt“
Universal Music Group, welches ein Drittel der weltweiten Musikindustrie dominiert und auch die beiden Künstler Drake und The Weeknd unter Vertrag hat, äußerte sich enttäuscht über das Werk und sieht darin eine Verletzung des Urheberrechts und ethischer Grundsätze. Der Konzern drängt darauf, dass solche KI-Anwendungen blockiert werden. Tatsächlich lassen sich die Stimmen der beiden Künstler nicht von ihrer echten Gesangsleistung unterscheiden. Drake zeigte sich schon vor wenigen Tagen über ein anderes Werk verärgert, worin seine Stimme über ein anderes Lied gerappt wurde. Er schrieb, dass sei „der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt.“
Napster – Eine Geschichte, die sich wiederholen könnte
Die Nutzung von KI-Technologien könnte ähnlich wie Napster in den 90er-Jahren zu großen Problemen für die Musikindustrie führen. Damals war die Musikindustrie damit überfordert, dass das Teilen von Musik ohne den Kauf von CDs populär wurde. Die Folge war ein massiver Einbruch der Einnahmen und ein harter Kampf gegen Produktpiraterie. Letztendlich konnte Napster durch eine Klage wegen Urheberrechtsverletzungen und organisierten Verbrechens in Schach gehalten werden.
Diesmal gehen die technischen Möglichkeiten sogar noch einen Schritt weiter: Im Gegensatz zu Napster geht es bei KI-Musik nicht darum, dass ein einzelnes Lied kopiert wird, sondern darum, dass ein ganzer Künstler mit all seinen Fähigkeiten kopiert werden kann. Egal ob Stimme, Texte oder Melodie – alles kann von der künstlichen Intelligenz erstellt werden. Auf diese Weise kann die neue Technologie die Kreativität von Musikern „stehlen“ und sie beliebig verändern.
Comeback von Michael Jackson und Kurt Cobain?
Für Ghostwriter, die hinter vielen berühmten Werken stehen, bedeutet die neue Technologie eine Revolution, weil sie Musiker und Labels überflüssig machen könnte. Warum sollte noch ein echter Künstler einen Titel produzieren, wenn es auch einfach eine KI-Anwendung schneller und günstiger erledigen kann? Auch ein anderer Anwendungsfall wird heftig diskutiert: Werden wir künftig Neuerscheinungen von Michael Jackson oder Kurt Cobain erleben? Auch über den Tod von Künstlern hinaus könnten nämlich Lieder erzeugt werden, die vom Original nicht zu unterscheiden sind.
Die Konsequenzen von KI-basierter Musik sind noch nicht abzusehen. Die Wahrscheinlichkeit ist aber groß, dass sich die Musikindustrie bald gegen die Technologie wehren wird. Bis dahin bleibt abzuwarten, ob sich das Phänomen in der Musikszene durchsetzt wird oder ob es schnell wieder verschwindet. Eines steht jedoch fest: KI-Musik hat das Potenzial, die Branche nachhaltig zu verändern und könnte schon bald zu einem wichtigen Thema in der Debatte um künstliche Intelligenz werden.