Anstieg um das 300-fache in fünf Jahren: Britische Asylindustrie meldet Traumgewinne
Der private Dienstleister Clearsprings steigert seinen Gewinn mit Asylunterkünften um 60 Prozent. Die Labour-Partei will nun die Verträge überprüfen.
London/Essex. – Der rasante Anstieg von Asylanträgen in Großbritannien hat der Firma Clearsprings einen beeindruckenden Gewinnsprung beschert. Die Labour-Partei will die Verträge und Gewinne des Unternehmens kritisch hinterfragen. Das britische Outsourcing-Modell zur Unterbringung von Asylsuchenden rückt damit erneut in den Fokus der politischen Diskussion.
Clearsprings, ein privates Unternehmen mit Sitz in Essex, das im Auftrag der britischen Regierung Unterkünfte für Asylsuchende betreibt und unter Vertrag nimmt, konnte im vergangenen Geschäftsjahr seinen Gewinn um 60 Prozent auf 119 Millionen Pfund (141 Millionen Euro) vor Steuern steigern. Das Unternehmen führt dies auf die „politischen und wirtschaftlichen Umwälzungen in vielen Ländern“ zurück, die zu einem Anstieg der Asylanträge in Großbritannien geführt hätten. Dies habe die Nachfrage nach Unterkünften für Asylsuchende – darunter auch Notunterkünfte wie Hotels – auf einem hohen Niveau gehalten, heißt es in einer Mitteilung.
Labour-Partei reagiert kritisch
Angesichts der hohen Gewinne von Clearsprings und anderen privaten Betreibern zeigt sich die Labour-Partei besorgt. Medienberichten zufolge zeigten sich die neuen Innenminister der Partei „schockiert“ über die finanziellen Erfolge dieser Unternehmen, die auf mehrjährigen Verträgen der konservativen Vorgängerregierung beruhen. Labour plant nun, die Klauseln im Jahr 2026 zu überprüfen, um die Vertragsbedingungen zu überarbeiten oder die Verträge gegebenenfalls zu kündigen.
Die konservative Vorgängerregierung hatte 2019 die Vergabe von Asylunterkünften neu strukturiert und Zehnjahresverträge an drei große Unternehmen vergeben: Serco, Mears und Clearsprings. Diese Verträge haben nach Angaben des Ausschreibungsdienstleisters Tussell ein Gesamtvolumen von rund 4,6 Milliarden Pfund (5,4 Milliarden Euro). Clearsprings, dessen Hauptgeschäft mittlerweile auf den Asylverträgen mit dem Innenministerium basiert, konnte seinen Gewinn vor Steuern seit 2019 von bescheidenen 369.209 Pfund (438.620 Euro) auf mehr als das 300-fache steigern. Die operative Marge stieg im gleichen Zeitraum von 0,6 auf 6,7 Prozent.
Kritik an Lebensbedingungen und Kostenexplosion
Neben der finanziellen Seite stehen auch die Lebensbedingungen der Asylsuchenden und die enormen Kosten in der Kritik. Das Institute for Public Policy Research (IPPR), ein Labour-naher Think-Tank, kritisiert die „unsauberen Lebensbedingungen“, die mit der Vergabe an private Anbieter verbunden seien. Durch die hohe Abhängigkeit von Hotelunterkünften aufgrund eines Rückstaus von Asylanträgen sind die Kosten pro Asylbewerber drastisch gestiegen – von 17.000 Pfund (20.196 Euro) im Jahr 2019/20 auf 41.000 Pfund (48.708 Euro) im vergangenen Jahr.
Das IPPR fordert, die Auslagerung an private Unternehmen zu überdenken und eine Dezentralisierung der Budgets und Entscheidungsbefugnisse an regionale Behörden einzuleiten. Die Regierung hat sich außerdem verpflichtet, die Nutzung von Hotels und Massenunterkünften zu reduzieren, nachdem es im Sommer zu rechtsextremen Ausschreitungen gegen von Asylbewerbern bewohnte Gebäude gekommen war.
Clearsprings selbst sieht die politische Entwicklung mit Sorge. Das Unternehmen weist darauf hin, dass neue Gesetze und politische Maßnahmen der Regierung darauf abzielen, die Zahl der Asylsuchenden in Großbritannien zu reduzieren. Welche Auswirkungen dies auf die zukünftigen Gewinne und die Geschäftsstrategie von Clearsprings haben wird, bleibt abzuwarten.