Brexit: Grenzsituation zu Irland bleibt große Ungewissheit
Weiterhin spießt sich die Frage rund um den EU-Austritt Großbritanniens an den Modalitäten einer möglichen neuen Grenze zwischen Irland und Nordirland.
London/Dublin/Belfast. – In der Vorwoche fuhrt die britische Premierministerin Theresa May bei einer Abstimmung über einen von ihr ausgehandelten Brexit-Deal eine historische Schlappe ein. Seitdem sind die künftigen bilateralen Beziehungen zwischen der EU und Großbritannien umso unklarer – und die Zeit drängt. Als besonders problematisch bei einem „hard Brexit“ – also einem EU-Austritt ohne Vereinbarung – gilt die ungeklärte Grenzfrage zu Irland.
Niemand will harte Grenze
Denn seit dem Karfreitagsabkommen seit 1998 ist die Grenze zwischen dem britischen Nordirland und der Republik Irland de facto verschwunden. Da bei einer neuen „harten“ Grenzsituation ein Aufkochen alter Ressentiments zu befürchten ist, wollen alle Beteiligten eine derartige Situation vermeiden. Gleichzeitig stellt sich die Frage, wie dies ohne ein Zollabkommen mit der EU überhaupt zu bewerkstelligen ist. In den letzten Wochen kam die Möglichkeit eines „Backstops“ auf.
Furcht vor Dauer-„Backstop“
Dabei handelt es sich um eine Auffanglösung, bei der Großbritannien bis zu einer machbaren Lösung innerhalb der Zollunion bleibt. Dieses Szenario gilt aber unter zahlreichen Brexit-Befürwortern im britischen Unterhaus als umstritten. Das Problem hierbei liegt in der bis 2021 geltenden Übergangsphase, in der Großbritannien weiterhin Beiträge zahlt und EU-Recht befolgen muss – aber keinerlei Stimmrecht mehr besitzt. Bei einem „Backstop“ befürchten Gegner dieser Lösung eine unbestimmte Verlängerung dieses Zustandes.
Irland wünscht keinen ‚Alleingang‘
Um eine gangbare Lösung jenseits eines „Backstops“ zu erarbeiten, entstand zuletzt auch die Idee über bilaterale Verhandlungen mit Irland. Das Ziel entsprechender Verhandlungen vonseiten May wäre hierbei, dass neben Hardlinern in der eigenen Partei auch die DUP damit einverstanden wäre – auf deren Unterstützung ist May für eine Mehrheit im Parlament angewiesen.
Diesen Plänen erteilte die irische Europaministerin Helen McEntee allerdings eine schnelle Absage. Ihrer Ansicht nach würden die Verhandlungen stets zwischen Großbritannien und allen 27 Mitgliedsstaaten geführt. Ein irisch-britischer Alleingang ist für sie also keine Option. Die EU-Kommission wiederum ist der Ansicht, dass der „Backstop“ ein fester Bestandteil der Vertragsvorlage sei – und deshalb im Rahmen dieser auch nicht mehr verhandelbar.
Rumänischer Ratsvorsitz gesprächsbereit
Weniger scharf äußerte sich hingegen der rumänische Ratsvorsitz. Außenminister Teodor Melescanu. Dieser signalisierte die Bereitschaft der EU, ihre Positionen anzupassen – dafür müsste allerdings zuvor in London Klarheit herrschen. Angesichts der ebenfalls instabilen parlamentarischen Situation in Großbritannien munkeln einige Amtskollegen wie der Spanier Josep Borell über eine mögliche Verschiebung des britischen Austritts über fünf Jahre.
In diesem Fall wäre auch Zeit für ein von Austrittsgegnern vehement gefordertes zweites Referendum – jedenfalls aber für Neuwahlen, welche klarere Mehrheiten im britischen Unterhaus schaffen würden. Dieser Zeitrahmen wird dem ORF zufolge auch von May als maximal festlegbare Dauer für eine „Backstop“-Lösung favorisiert.