Der neue Nahe Osten: Trump als Dealmaker und Zionist in der Sackgasse
Trump befindet sich in einem geopolitischen Wettlauf um den Nahen Osten, wie der Politikwissenschaftler Seyed Alireza Mousavi in seiner Analyse für FRElLICH feststellt. Das könnte die Zukunft Israels entscheidend beeinflussen.
Der israelische Premierminister war der erste ausländische Staatschef, der Washington seit dem Amtsantritt von Donald Trump einen Besuch abstattete. Zuvor war Netanjahu nur einmal von Joe Biden empfangen worden. Die Politik von Netanjahus rechter Koalition und die israelische Kriegsführung im Gazastreifen haben die beiden Politiker entzweit. Aber auch Netanjahus Verhältnis zu Trump ist nicht unkompliziert. In den letzten Jahren haben sich die Beziehungen zwischen Netanjahu und Trump abgekühlt. Als Trump die Wahl 2020 verlor, schien er verärgert, als Netanjahu Biden zur Präsidentschaft gratulierte.
Projekt Groß-Israel
In Donald Trumps zweiter Amtszeit als US-Präsident nähern sich christliche Evangelikale und Israels zionistische Hardliner an. In Israel hoffen radikale Zionisten, dass Trump sich in der Nahostfrage der Groß-Israel-Ideologie verschreiben wird. Dabei geht es um weitere Annexionen im Westjordanland und die Umsiedlung der Palästinenser aus Gaza nach Ägypten. Trump hat bereits Mike Huckabee zum neuen US-Botschafter in Israel ernannt. Huckabee gilt als überzeugter Unterstützer Israels und verteidigt die israelischen Siedlungen im besetzten Westjordanland, die von der Mehrheit der internationalen Gemeinschaft als illegal angesehen werden. Huckabee lehnt den Begriff „Westjordanland“ ab und verwendet stattdessen die biblische Bezeichnung Judäa und Samaria. Auch eine Zweistaatenlösung mit den Palästinensern lehnt er ab und begründet dies damit, dass Gott das Land den Juden versprochen habe. Auch deshalb freuen sich in Israel nationalreligiöse Hardliner wie Itamar Ben-Gvir und Bezalel Smotrich über die Nominierung von Mike Huckabee zum US-Botschafter.
US-Präsident Trump erklärte kürzlich im Sinne radikaler Zionisten, die Palästinenser hätten keine andere Wahl, als den Gazastreifen zu verlassen, und er würde es begrüßen, wenn die Nachbarländer Jordanien und Ägypten die vertriebenen Palästinenser aufnehmen würden. Auch der nationalreligiöse israelische Finanzminister Smotrich lobte kürzlich den Vorschlag von US-Präsident Trump, die im Gazastreifen lebenden Palästinenser umzusiedeln. Die strategische Allianz zwischen nationalreligiösen Israelis und christlichen Evangelikalen in den USA wird Trumps zweite Amtszeit prägen. Auch deshalb sieht es für den Nahost-Friedensprozess düster aus, sollte Trump eine zionistische Agenda im Nahen Osten verfolgen.
Trumps Schaukelpolitik
Doch Trump betreibt derzeit geschickt eine Schaukelpolitik zwischen der America-First-Agenda und der Groß-Israel-Ideologie. Die Enttäuschung bei den nationalreligiösen Hardlinern in Israel war groß, als Trump noch vor seinem Amtsantritt Netanjahu drängte, dem Abkommen mit der Hamas zuzustimmen. Die Zionisten wollen keinen Frieden, sondern die Vernichtung der Hamas in Gaza.
Trump geht es beim Gaza-Deal um mehr als das Schicksal der am 7. Oktober 2023 Verschwundenen. Es geht ihm um ein multilaterales Abkommen, einen Verteidigungspakt zwischen den USA und Saudi-Arabien, gepaart mit einem israelisch-saudischen Friedensabkommen. Ohne eine Beruhigung im Nahen Osten dürfte dieses diplomatische Großprojekt nicht vorankommen. Grundsätzlich sind Saudi-Arabien und andere Golfstaaten an einer Normalisierung der Beziehungen zu Israel interessiert. Dem steht neben dem brutalen Vorgehen der israelischen Armee in Gaza vor allem die Person des israelischen Ministerpräsidenten Netanjahu entgegen, gegen den der Internationale Strafgerichtshof einen Haftbefehl beantragt hat. Mit ihm und seinen Annexionsplänen gilt eine Versöhnung zumindest als schwierig.
Golfmonarchen und Trumps Nahost-Plan
Saudi-Arabien hat eine wichtige Forderung im Verhandlungsgepäck mit den USA. Die Führung in Riad verlangt einen verbindlichen Fahrplan für eine israelisch-palästinensische Zweistaatenlösung. Doch das ist politischer Sprengstoff, der Netanjahus Koalition sprengen würde. Generell ist Saudi-Arabien an einer Deeskalation in der Region interessiert. Die Saudis haben auch kein Interesse an einem israelisch-amerikanischen Krieg gegen den Iran. Was das iranische Nuklearprogramm angeht, ist noch nicht klar, wie Trump in seiner zweiten Amtszeit vorgehen wird. Aber Netanjahu wird die Schwächung des Iran nach dem Sturz Assads und der Zerschlagung der Hisbollah-Führung nutzen, um Trump zu einem Luftangriff auf iranische Atomanlagen zu bewegen.
Zugleich ist Trump im Wettstreit der Großmächte auf das Wohlwollen der Saudis angewiesen. Denn die Ölmilliarden der absoluten Monarchie werden nicht nur dringend für den Wiederaufbau Gazas benötigt, ein Friedensvertrag mit Israel wäre für Trump auch ein geostrategischer Gewinn, um den wachsenden Einfluss Chinas und Russlands in der Region einzudämmen. Vor allem den Nahen Osten will Trump nicht an die Chinesen verlieren. Die Golfstaaten orientieren sich heute noch stärker nach Asien und China. Sie sind nicht mehr bereit, Chinas Einfluss zurückzudrängen. China unterhält heute einen Marinestützpunkt in den VAE, die Emirate sind den von China geführten BRICS beigetreten und in allen Golfstaaten ist China der mit Abstand wichtigste Handelspartner. Auch den Krieg in der Ukraine will Trump durch niedrigere Ölpreise beenden. Offenbar geht Trump davon aus, dass ein niedrigerer Ölpreis den wirtschaftlichen Druck auf Russland so erhöht, dass es den Krieg nicht mehr finanzieren kann. Dabei ist er wiederum auf die Saudis angewiesen, die in der OPEC eine führende Rolle spielen.
Netanjahu steht unter Druck
In Israel sprach man von einem Schicksalstreffen zwischen Trump und Netanjahu in Washington, da die Trump-Administration und die israelische Regierung derzeit unter anderem über die Fortsetzung des Waffenstillstands zwischen Israel und der Hamas verhandeln. Itamar Ben-Gvir von der Partei „Jüdische Stärke“ erklärte nach der ersten Phase des Waffenstillstands zwischen Israel und der Hamas seinen Austritt aus Netanjahus Koalition. Dem Premierminister gelang es jedoch, Smotrich davon zu überzeugen, dass seine Partei „Religiöser Zionismus“ die Koalition nicht verlässt. Smotrich drohte jedoch, die Regierung zu verlassen, sollte Israel nach der ersten sechswöchigen Phase nicht aus dem Abkommen aussteigen. Netanjahu habe ihm versichert, dass der Krieg nicht enden werde, ohne dass die Hamas völlig zerschlagen sei.
Nun sollen die Verhandlungen über die zweite Phase des Abkommens beginnen, in der ein dauerhafter Waffenstillstand in Gaza ausgerufen werden soll. Die Ausgangssituation für Netanjahu ist kompliziert. Ein möglicher Austritt Smotrichs aus der Koalition würde Netanjahus Regierung auseinanderbrechen lassen. Netanjahu befürchtet bereits, dass Trump letztlich auf neue Kräfte in Israel setzen wird, mit denen er seine geopolitischen Ambitionen und Geschäfte mit den reichen Golfstaaten besser umsetzen kann. Der neue Nahe Osten, von dem Netanjahu nach der Schwächung der vom Iran angeführten Achse des Widerstands spricht, könnte am Ende ohne ihn in der Region entstehen. Noch ist nicht klar, wo sich Trumps Politik zwischen den Polen America-First-Isolationismus und aktivem Engagement in der Region bewegen wird. Gleiches gilt für seine Haltung zu Israels Kriegen. Nach seinem Treffen mit Netanjahu verkündete Trump im Weißen Haus, dass Washington langfristig die Kontrolle über den Gazastreifen anstrebe und die Palästinenser umsiedeln wolle. Trump sagte, er gehe davon aus, dass eine langfristige Kontrolle Washingtons „große Stabilität“ in die Region bringen werde. Trumps Übernahmeplan bedeutet nicht automatisch die Übergabe des Gazastreifens an Israel. Als erste Reaktion auf Trumps Plan schloss Saudi-Arabien jedoch erneut eine Normalisierung der Beziehungen zu Israel aus, solange es keinen unabhängigen palästinensischen Staat gibt.