Frankreich: „Gelbwesten“ wollen bei Europawahl mit eigener Liste antreten
Seit November tragen wöchentlich zehntausende Franzosen ihre Unzufriedenheit mit den Zuständen und der Politik im Land auf die Straße. Nun wollen sie auch an der Wahlurne reüssieren und ihre Forderungen in die Parlamente tragen.
Paris. – Wie die tagesschau am Donnerstagmorgen berichtet, möchte die erfolgreiche Protestbewegung ihren Forderungen nun auch auf parlamentarischem Weg einigen Nachdruck verleihen. Als erstes Ziel fasst man dabei die Erringung von Sitzen bei der Europawahl im Mai. Dabei stehen Frankreich voraussichtlich 79 Mandate zur Verfügung, welche diesmal landesweit zwischen allen Parteien, welche die 5-Prozent-Sperrklausel überspringen, verteilt werden.
„Neue Marianne“ als Spitzenkandidatin
Als Spitzenkandidatin agiert dabei die 31-jährige Krankenpflegerin Ingrid Levavasseur. Die Aktivistin zählte in den vergangenen Wochen zu den prominentesten Gesichtern der Proteste. Mit ihrem authentischen Auftreten verkörpert sie die Proteste der geschundenen Mittelschicht der vergessenen „France périphérique“ wie kaum eine andere Person. In Anlehnung an die französische Nationalfigur bezeichneten sie manche Kommentatoren sogar als „neue Marianne“.
Die erste Liste beinhaltet zehn Namen, bis Mitte Februar will man allerdings insgesamt 79 Kandidaten präsentieren – quasi einen pro Mandat. Levavasseur erklärte den Grund des Antretens gegenüber dem Sender BFMTV wie folgt:
„Die am 17. November 2018 in unserem Land geborene soziale Bürgerbewegung unterstreicht die Notwendigkeit, Wut in ein menschliches politisches Projekt zu verwandeln“.
Gelbwesten könnten drittstärkste Partei werden
Dass der nun formierten Liste der Einzug ins Europarlament gelingen könnte, steht Beobachtern zufolge außer Frage. In den jüngsten Umfragen – allerdings noch vor der Listenpräsentation – gaben 13 Prozent an, den Gelbwesten ihre Stimme geben zu wollen. Damit kämen sie hinter dem patriotischen Rassamblement National und Macrons La Republique en Marche auf den dritten Platz. Sie lägen somit noch vor den langjährigen Volksparteien der Sozialdemokraten und der Republikaner (früher UMP)
Proteste reißen nicht ab
Unterdessen reißen die Proteste gegen die Politik der französischen Regierung weiterhin nicht ab. Am vergangenen Wochenende versammelten sich zum bereits zehnten Mal zehntausende Bürger in mehreren französischen Städten zu Protesten. Anlass für die ersten Proteste war eine geplante weitere Steuererhöhung auf fossile Brennstoffe.
Weil die Menschen im Land das Gefühl haben, sich das Leben nicht mehr leisten zu können, weiteten sie sich schnell aus. Längst sind die Demonstration der gelben Westen ein Fanal für die generelle Unzufriedenheit mit der Wirtschaftspolitik der Regierung.
Dreiviertel der Franzosen mit Macron unzufrieden
In der Zwischenzeit lenkte Präsident Macron stellenweise ein und erhöhte etwa den Mindestlohn. Auch von der Ökosteuer auf fossile Brennstoffen nahm er mittlerweile Abstand. Dennoch sind Umfragen zufolge dreiviertel aller Franzosen mit dem Staatsoberhaupt unzufrieden. Das teilweise brutale Vorgehen der französischen Exekutive gegen großteils friedlich protestierende Bürger, sorgte über die Grenzen hinweg für Empörung und Kritik.
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