Koalitionsbruch in Spanien: Was steckt hinter der Neuorientierung der Partei VOX?
Vor zwei Tagen hat die spanische Partei VOX angekündigt, mehrere regionale Koalitionen mit der Oppositionspartei Partido Popular verlassen zu wollen. In seinem Kommentar für FREILICH erklärt Felix Hagen, dass der Streit für die VOX zu einem schwierigen Zeitpunkt kommt.
Der spanische Premierminister, Pedro Sánchez, kann seine Freude kaum verbergen: Heute sei „ein großer Tag“ für Spanien. Den Grund für die kaum verhohlene Schadenfreude des linken Premiers liefert ausgerechnet die rechte VOX. Deren Parteichef, Santiago Abascal, kündigte den Rückzug aus allen Koalitionsregierungen in fünf spanischen Regionen am Donnerstagabend an (FREILICH berichtete). Tagelang hatte die Partei mit der zentristischen PP über deren Entscheidung gerungen, im Einklang mit der Zentralregierung, etwa 400 illegale Einwanderer von den Kanarischen Inseln zu holen und sie auf das Festland umzuverteilen.
Seit Monaten sieht sich die Inselgruppe im Atlantik einem regelrechten Migrationsansturm ausgesetzt; über 19:000 Neuankömmlinge sind in den ersten Monaten dieses Jahres auf den bei Touristen beliebten Vulkaninseln gelangt. Eine Migrationswelle, die die ohnehin angespannte Infrastruktur der Region völlig überfordert. Dennoch sieht die spanische Rechtspartei in der Umverteilung der Einwanderer keine langfristig tragbare Perspektive. Niemand habe seine Partei gewählt, um „die Invasion illegaler Einwanderer fortzuführen, sondern um sie zu stoppen“. Dieses Versprechen sei seiner Partei „wichtiger als Amtssitze“. Die Antwort auf die Überforderung der Kanaren sei „Grenzschutz“, nicht „Umverteilung“, so der VOX-Chef.
VOX-Parteiführung konzentriert sich auf PP
Für die Partei kommt der Streit zu einer schwierigen Zeit. Vom „Rechtsruck“, den einige Linke in der spanischen Gesellschaft ausgemacht haben wollen, kann VOX nicht richtig profitieren und stagniert in den Umfragewerten knapp über zehn Prozent. Mit der etwas anarchistisch anmutenden, aber ideologisch noch schärferen „Se Acabo La Fiesta“ (SALF) hat sich bei den EU-Wahlen eine Konkurrenz von Rechts fürs erste etablieren können und unverändert steht die CDU-Schwesterpartei „Partido Popular“ bei kräftigen 32 Prozent. Seit langem verzweifelt VOX daran, die etablierten „Konservativen“ inhaltlich stellen zu können, auf dem Weg zu einer größeren Akzeptanz unter bürgerlichen Wählerschichten hat Abascal seiner Partei auf einigen Politikfeldern inhaltliche Mäßigung verordnet und damit auch dazu beigetragen, das Potenzial der SALF zu erhöhen, ohne nennenswerte Zugewinne bei Wählern der Mitte einfahren zu können. Der Streit um die Illegalen auf den Kanaren kommt ihm dabei gelegen.
Längst hat auch die Parteiführung der VOX verstanden, dass der wahre politische Fressfeind nicht der ideologische Hauptfeind ist. Während sich die Rechten mit Sánchez in der Vergangenheit hitzige Gefechte rund um Gender, Migration und Patriotismus geliefert haben, konnte die deutlich größere PP von der dadurch angeheizten Polarisierung Spaniens paradoxerweise konzentrieren. Schritt für Schritt hat Abascal daher die politische Vorlage anderer europäischer Rechtsparteien übernommen und bezeichnet zunehmend auch den bisherigen Koalitionspartner PP als „etablierte“ Partei – im Unterschied zu seiner eigenen VOX. Ob sich der Streit um die Umverteilung der 400 illegal eingereisten Minderjährigen am Ende auszahlt, bleibt allerdings abzuwarten.
Zur Person:
Felix Hagen lebt und arbeitet nach Aufenthalten in Buenos Aires, Santiago de Chile und Bogotá in Brüssel. Als Journalist ist er auf politische Prozesse in der Iberosphäre spezialisiert und spricht fließend Spanisch.