Rechtsbündnis triumphiert: Erdrutschsieg für Melonis „Brüder Italiens“

Der gestrige Wahlsonntag wurde zum Triumphzug für das rechte Lager in Italien, insbesondere für „Fratelli d’Italia“-Chefin Giorgia Meloni, die aller Voraussicht nach erste weibliche Regierungschefin Italiens werden könnte. Nach Hochrechnungen kam sie auf knapp 26 Prozent der Stimmen. Das Mitte-Rechts-Bündnis mitsamt Lega & Forza Italia überspringt die 40-Prozent-Marke.
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Rechtsbündnis triumphiert: Erdrutschsieg für Melonis „Brüder Italiens“

Vox España, CC0, via Wikimedia Commons

Der gestrige Wahlsonntag wurde zum Triumphzug für das rechte Lager in Italien, insbesondere für „Fratelli d’Italia“-Chefin Giorgia Meloni, die aller Voraussicht nach erste weibliche Regierungschefin Italiens werden könnte. Nach Hochrechnungen kam sie auf knapp 26 Prozent der Stimmen. Das Mitte-Rechts-Bündnis mitsamt Lega & Forza Italia überspringt die 40-Prozent-Marke.

Rom. – In den vergangenen anderthalb Jahren traten Meloni und ihre Partei konsequent als Opposition gegen die Konzentrationsregierung von Ex-EZB-Chef Mario Draghi auf. Zum Höhepunkt der Corona-Zeit kritisierte man Lockdowns und Impfdruck, zuletzt machte man auf das wachsende Problem importierter Gewalt aufmerksam. In der zerklüfteten italienischen Politlandschaft neigen die Wähler zudem seit Jahren dazu, markige Oppositionspolitiker bei Wahlen mit einem Vertrauensvorschuss auszustatten.

Rasanter Aufstieg der „Brüder Italiens“

Der Wahlsieg Melonis ist nicht nur auf die Kräfteverhältnisse in beiden – praktisch gleichberechtigten – Parlamentskammern gerechnet ein Erdrutschsieg, sondern auch innerhalb des rechten Lagers. Im Vergleich zur letzten Wahl im Jahr 2018 gewannen ihre „Brüder Italiens“ gut 20 Prozent dazu, das ist faktisch eine Verfünffachung. In der Wählergunst lief sie Ex-Innenminister Matteo Salvini den Rang ab: Lag dieser 2019 in Umfragen noch nahe der 40-Prozent-Marke, erreichte er nun knapp neun Prozent.

Damit blieb er nur noch knapp vor der christdemokratischen „Forza Italia“ (etwa 8 Prozent), die wie Salvinis Lega für ihre Teilnahme an Draghis Regierungsexperiment abgestraft wurde. War die Partei von Ex-Premier Silvio Berlusconi in den Nullerjahren die größte Partei einer Mitte-Rechts-Koalition – Meloni war 2008-11 Ministerin für Jugend und Sport – ist sie künftig das kleinste Glied. Die „FdI“, in der eher Sozialpatrioten und Nationalkonservative ihre Heimat finden, wird zur dominanten Kraft.

Rechte Mehrheit in beiden Parlamentskammern

Obwohl das Bündnis auf dem Papier „nur“ etwa 41 Prozent der Wählerschaft hinter sich weiß, hilft ihm das Wahlsystem wohl zu einer satten Mehrheit im Abgeordnetenhaus (ca. 240 von 400 Sitzen) und im Senat (ca. 120 von 206 Sitzen). Das aktuelle Wahlsystem „Rosatellum bis“ wurde übrigens ironischerweise einst auf Vorschlag eines Mitte-Links-Politikers eingeführt. Etwa 37 Prozent der Sitze werden über Direktwahlkreise bestimmt, die übrigen 63 Prozent durch Verhältniswahlrecht.

Keine wirkliche Chance hatte somit der Linksblock um den sozialdemokratischen „Partito Democratico“. Etwa 19 Prozent der Stimmen als zweitstärkste Einzelkraft und gut 26 Prozent als Bündnis reichen künftig wohl nur für etwa 90 Sitze für den Mitte-Links-Block. Ebenfalls dezimiert wurde die bislang stärkste Einzelfraktion, die Fünf-Sterne-Bewegung, die sich auf etwa 16 Prozent halbierte – damit aber dank sozialpolitischer Versprechen gegenüber Umfragen noch ein wenig Boden gutmachen konnte.

„Zwei Völker der italienischen Rechten“

Rezipiert man die „Fratelli d‘ Italia“ und die Lega als klassische Rechtsparteien, so gibt es durchaus Unterschiede. John Hoewer, Buchautor („Europa Power Brutal“) und profunder Kenner der italienischen Politlandschaft, sprach in einer Vorabanalyse für die Aktivistenzeitung Heimatkurier von „zwei Völkern der italienischen Rechten“. Die Lega schöpfe eher aus regionalpopulistischen Ansätzen und vertrete einen eher libertären Wirtschaftskurs, die FdI stehe für den italienischen Zentral- & Einheitsstaat und „sozialstaatlich orientierte und etatitisch bis gar sozial-korporatistische Ansätze“.

Es sind nicht die einzigen inhaltlichen Unterschiede. Zur Nagelprobe für den Zusammenhalt der wahrscheinlichen Mitte-Rechts-Koalition könnte auch die Haltung im Russland-Ukraine-Konflikt sein. Denn Meloni positionierte sich seit Kriegsausbruch eher auf der Seite der Ukraine und hat Verständnis für EU-Sanktionen, was auch mit den NATO-Partnern näher in Einklang zu bringen sein dürfte. Salvini hingegen positionierte sich zuletzt als scharfer Kritiker der in ihrer Wirkung umstrittenen Sanktionen. Die italienischen Interessen dürften allerdings bei beiden – vor der Geopolitik – an erster Stelle kommen.

Von Medien zur „Postfaschistin“ gestempelt

Die unterschiedlichen Nuancen werden in der etablierten Medienlandschaft weitgehend ausgeblendet. Der „Stern“ erklärte Meloni zuletzt auf dem Titelblatt zur „gefährlichsten Frau Europas“, sogar der ORF rezipiert sie als vermeintliche „Postfaschistin“. Dies baut auf der Tatsache auf, dass die „Brüder Italiens“ aus den Überresten der „Alleanza Nazionale“ hervorgingen, die ihre Wurzeln wiederum im „Movimento Sociale Italiano“ hatte, der sich jahrzehntelang positiv auf den ehemaligen Faschismus bezog, ehe der spätere Vizepremier Gianfranco Fini (AN) sich von diesem historischen Erbe distanzierte.

Allerdings ist die italienische Politlandschaft ohnehin eine Unikum. Nach Korruptionsskandalen in den 90er-Jahren, welche die alten Volksparteien erodierten, ist die „Lega“ (gegründet 1989) heute die älteste politische Kraft im Land. Zuvor hatte Italien als einziges westeuropäisches Land eine politisch relevant kommunistische Partei, deren „Eurokommunismus“ inhaltlich aber in die „Mitte“ drängte. Sie ist eine der Parteien, die Vorläufer des „Partito Democratico“ sind, einstige Kommunisten-Funktionäre schafften es sogar zum Ministerpräsidenten (Massimo D’Alema) und Staatspräsidenten (Giorgio Napolitano).

Über den Autor
Julian Schernthaner

Julian Schernthaner

Der studierte Sprachwissenschafter wurde 1988 in Innsbruck geboren und lebte sieben Jahre in Großbritannien. Vor kurzem verlegte er seinen Lebensmittelpunkt ins malerische Innviertel, dessen Hügel, Wiesen und Wälder er gerne bewandert.

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