Schottland: London weiter gegen zweites Unabhängigkeitsvotum

Die schottische Regierungschefin Nicola Sturgeon (SNP) will die Schotten im Herbst 2023 ein zweites Mal über die Unabhängigkeit abstimmen lassen. Dazu braucht sie die Zustimmung des gesamtbritischen Westminster-Parlaments, bzw. deren Regierungsmehrheit. Doch in London denkt man weiterhin nicht daran, den nördlichen Landesteil ziehen zu lassen. Nun wird die Sache zum Fall für das dortige Höchstgericht.
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Schottland: London weiter gegen zweites Unabhängigkeitsvotum

Bild (Nicola Sturgeon 2017): Arctic Circle via Flickr [CC BY 2.0] (Bild zugeschnitten)

Die schottische Regierungschefin Nicola Sturgeon (SNP) will die Schotten im Herbst 2023 ein zweites Mal über die Unabhängigkeit abstimmen lassen. Dazu braucht sie die Zustimmung des gesamtbritischen Westminster-Parlaments, bzw. deren Regierungsmehrheit. Doch in London denkt man weiterhin nicht daran, den nördlichen Landesteil ziehen zu lassen. Nun wird die Sache zum Fall für das dortige Höchstgericht.

Edinburgh/London. – Die Schotten sind seit jeher ein widerständiges Völkchen, in der Geschichte waren oft die benachbarten Engländer der Gegner, seit 1707 sind die beiden größten britischen Teilstaaten offiziell vereinigt. Doch seit Jahrzehnten bekommt die Unabhängigkeitsbewegung in Schottland immer mehr Rückenwind. Politisch getragen wird sie vor allem von der inhaltlich linksliberalen „Scottish National Party“, die im devolvierten schottischen Parlament in Edinburgh fast die Hälfte der Sitze innehat. Bei einem Referendum im Jahr 2014 sprach sich eine knappe Mehrheit für den Verbleib bei Großbritannien aus.

Schotten wollten in EU bleiben, dann kam Brexit

Es hätte der größte Tag im Leben des langjährigen Parteichefs und Ersten Ministers Alex Salmond sein können, es wurde seine größte politische Niederlage. Das Unionisten-Lager hatte mit Zugeständnissen geworben, viele Schotten waren zudem in Sorge, dass sie die EU-Mitgliedschaft so verlören, die nördlich des Flusses Tweed weitaus beliebter war als in England. Am Ende waren nur 45 Prozent für die Abspaltung – diese war damit aber noch lange noch nicht vom Tisch.

Denn viele der versprochenen Zugeständnisse blieben nur Lippenbekenntnisse. In der Folge gewann die SNP unter ihrer neuen Chefin Nicola Sturgeon im Folgejahr bei der britischen Unterhauswahl 56 der 59 schottischen Direktmandate- zuvor waren es nur sechs gewesen. Aktuell sind es derer 48. Dann kam auch noch der Brexit ins Spiel: Obwohl 62 Prozent der Schotten in der EU bleiben wollten, stimmte das Vereinigte Königreich in seiner Addition für den Abschied von Brüssel. Dies wurde hauptsächlich vom Votum der EU-skeptischen Engländer getragen.

Ist „beratende Volksabstimmung“ zulässig?

Sturgeon argumentiert seitdem, dass sich die Ausgangslage geändert habe und fordert eine zweite Abstimmung über eine mögliche schottische Unabhängigkeit. In London stieß sie damit auf taube Ohren, dort hält man das Referendum von 2014 für ein historisches Ergebnis und will keine zweite derartige Abstimmung. Die gesamtbritische Regierung müsste eine solchen allerdings zustimmen. Also versuchte es Sturgeon mit einer „beratenden Volksabstimmung“, die zuerst einmal folgenlos bliebe.

Die Taktik dahinter: Wenn eine große Mehrheit der Schotten den Austritt aus der britischen Union will, könnte dies die Westminister-Regierung von sich heraus zu entsprechenden Schritten bewegen. Sie will den obersten britischen Gerichtshof prüfen lassen, ob dies auch ohne grünes Licht aus London möglich wäre. Die konservative britische Regierung wiederum ist der Ansicht, dass ein solches Referendum – egal ob bindend oder nicht – außerhalb der Gesetzgebungskompetenz des schottischen Parlaments liegt und somit ungültig wäre.

Katalonien-Referendum: Nachwehen spürbar

Immer wieder führen Unabhängigkeitsbestrebungen auch in Westeuropa zu hitzigen Grabenkämpfen. In Spanien hielt Katalonien im Jahr 2017 ein einseitiges Unabhängigkeitsreferendum ab, das zuvor von der Zentralregierung in Madrid verboten worden war. Bei einer Wahlbeteiligung von 42 Prozent stimmten dort etwa 90 Prozent der Katalanen für eine Abspaltung. Diese kam nie zustande: Stattdessen wurden Prozesse gegen 18 federführende Links-Separatisten gestartet.

Die meiste Öffentlichkeit erfuhr das Schicksal von Ex-Regionalpräsident Carles Puigdemont. Dieser floh vor der juristischen Verfolgung quer durch Europa, wurde dann aber in Deutschland festgenommen. Mit seiner Wahl ins EU-Parlament im Jahr 2019 erhielt er parlamentarische Immunität; diese wurde zwischenzeitlich zuerst ab- und dann wieder zuerkannt. Indes kommt es weiterhin regelmäßig zu großen Demonstrationen, die sich für eine Loslösung von Spanien aussprechen.

Über den Autor
Julian Schernthaner

Julian Schernthaner

Der studierte Sprachwissenschafter wurde 1988 in Innsbruck geboren und lebte sieben Jahre in Großbritannien. Vor kurzem verlegte er seinen Lebensmittelpunkt ins malerische Innviertel, dessen Hügel, Wiesen und Wälder er gerne bewandert.

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