Sorge vor Diskriminierung: Corona-Mutanten heißen jetzt ‚Alpha‘ bis ‚Delta‘

Damit bei der Einordnung des Infektionsgeschehens keine Assoziation von bestimmten Virensträngen mit bestimmten Erdteilen geschieht, sollen Corona-Mutationen künftig nach dem griechischen Alphabet benannt sein.
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Sorge vor Diskriminierung: Corona-Mutanten heißen jetzt ‚Alpha‘ bis ‚Delta‘

Symbolbild (WHO-Gebäude): Thorkild Tylleskar via Wikimedia Commons [CC BY-SA 3.0] (Bildausschnitt)

Damit bei der Einordnung des Infektionsgeschehens keine Assoziation von bestimmten Virensträngen mit bestimmten Erdteilen geschieht, sollen Corona-Mutationen künftig nach dem griechischen Alphabet benannt sein.

Genf. – Das beschloss die Weltgesundheitsorganisation (WHO). Dort sorgt man sich, dass Namen wie „südafrikanische Mutation“ oder „indische Variante“ dazu führen könnten, dass Personen, die aus den jeweiligen Ländern kommen oder dort leben, Diskriminierung erfahren. Dieser möglichen Situation soll das neue Benennungsschema vorbeugen. Die „besorgniserregende“ Hauptvarianten sollen mit diesem System benannt werden. Unklar ist freilich, ob sich dieses im allgemeinen Sprachgebrauch des Volkes auch so durchsetzen wird – auch die Länderbezeichnungen waren keine offiziellen.

Zuletzt verstärkte Kritik an Benennung nach Ländern

Weil sie als erste dieser Virusvarianten entdeckt wurde, heißt die britische Mutation B.1.1.7 ab sofort „Alpha“. Dem selben Muster folgend ist die in Südafrika aufgetauchte Mutation B.1.351 künftig „Beta“ und die in Brasilien erstmals nachweisbare Variante P.1 fortan „Gamma“. Die jüngste Addition zu den nach Ansicht der WHO „besorgniserregenden Varianten“ ist die Mutation B.1.617.2, zuletzt als „indische Variante“ in den Schlagzeilen.

Tatsächlich hatte sich gerade aus Indien zuletzt einiger Widerstand gegen die bisherige Benennung geregt. Das mit knapp 1,4 Mrd. Einwohnern zweitbevölkerungsreichste Land der Welt hatte sich gegen die Bezeichnung als „indische Variante“ gewehrt. Das dortige Gesundheitsministerium hatte dafür keine Grundlage erkannt und erließ eine Verordnung, die alle Betreiber sozialer Netzwerke dazu verpflichten sollte, die Bezeichnung „indische Variante“ umgehend zu löschen.

„China-Virus“: Trump auf Millionenzahlung verklagt

Allerdings ist der Schritt der WHO zumindest offiziell keine direkte Reaktion auf diesen Vorfall. Denn dort beriet man schon seit Monaten über eine neutralere Namensgebung. Zeitweise standen Vorschläge wie griechische Götter oder pseudo-klassische Schöpfungen im Raum, wie die Süddeutsche Zeitung unter Berufung auf einen am maßgeblichen Gremium beteiligten Bakteriologen berichtet.

Die Benennung von Viren nach ihrem Entdeckungsland sorgte schon seit Längerem für Debatten. Weil Ex-US-Präsident Donald Trump das in Wuhan erstmals aufgetretene SARS-CoV-2 als „China-Virus“ bezeichnete, verklagte ihn unlängst sogar eine chinesisch-amerikanische Bürgerorganisation wegen eines vermeintlich „rassistischen“ Sprachgebrauchs auf knapp 23 Millionen US-Dollar.

Historischer Fall der „Spanischen Grippe“

Dabei ist dieses Namensgebungsmuster keineswegs neu: Die schwere Grippe-Pandemie der Jahr 1918 bis 1920 kommt im kollektiven Gedächtnis fast ausschließlich als „Spanische Grippe“ vor. Diese sorgte in den Nachkriegsjahren für zwischen 20 und 50 Millionen Tote, bei einer geschätzten Letalität von 5 bis 10 Prozent und war damit statistisch weitaus tödlicher als Covid-19. Besonders gefürchtet war das Virus auch, weil es insbesondere junge Menschen zwischen 20 und 40 Jahren dahinraffte.

Ihre Namensgebung hatte diese historische Pandemie aber nicht etwas Spanien als Ursprungsland zu verdanken. Der tatsächliche Seuchenherd ist bis heute unklar, ein US-Ursprung gilt unter den gängigen Theorien am wahrscheinlichsten. Weil das südwesteuropäische Land aber im Vergleich zu anderen Ländern damals eine liberale Zensur hatte, bürgerte sich der Ausdruck „spanische Grippe“ ein. Dem Ansehen der Iberer in der Welt tat diese Bezeichnung übrigens keinen Abbruch.

Über den Autor
Julian Schernthaner

Julian Schernthaner

Der studierte Sprachwissenschafter wurde 1988 in Innsbruck geboren und lebte sieben Jahre in Großbritannien. Vor kurzem verlegte er seinen Lebensmittelpunkt ins malerische Innviertel, dessen Hügel, Wiesen und Wälder er gerne bewandert.

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