Still und heimlich: Wie die EU einen neuen Migrationspakt vorantreibt

Weitgehend von der Öffentlichkeit unbeachtet verstrich die Äußerungsfrist zu einem geplanten „EU-Migrationspakt“. Nun regen sich leise Stimmen des Unmuts – denn einige Punkte haben es in sich.
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Still und heimlich: Wie die EU einen neuen Migrationspakt vorantreibt

Asylwerber an der Grenze

© Metropolico

Weitgehend von der Öffentlichkeit unbeachtet verstrich die Äußerungsfrist zu einem geplanten „EU-Migrationspakt“. Nun regen sich leise Stimmen des Unmuts – denn einige Punkte haben es in sich.

Brüssel. – Diese Form der Bürgerbeteiligung dürfte einigen Leuten sauer aufstoßen. Völlig ohne eine offizielle Aussendung oder andere transparente Kommunikation über Massenmedien ließ die EU-Kommission zwischen 30. Juli und 27. August eine Frist anlaufen, in der sich Bürger zustimmend oder ablehnend über den Pakt respektive den zweiseitigen „Fahrplan“ für einen solchen äußern konnten.

Seehofer will legale Zuwanderung nach Europa ermöglichen

Erst nachdem einige patriotische Akteure darauf hingewiesen hatten, liefen die Äußerungen in den letzten Tagen so wirklich an – und auch große, etablierte Medien schrieben wenig darüber. Am Wochenende traute sich dann NÖN-Herausgeberin Gudula Walterskirchen in einem Presse-Kommentar aus der Deckung, um diese „sehr diskrete, um nicht zu sagen klammheimliche“ Form der Kommunikation seitens der wichtigsten EU-Institution zu kritisieren.

Möglicherweise wollte man es dort den politischen Akteuren ermöglichen, über die Pläne selbst zu sprechen. Und tatsächlich: Der deutsche Innenminister Horst Seehofer (CSU) lanciert just drei Tage nach Ablauf der Äußerungsfrist einen vermeintlich selbständigen Vorstoß für ein solches europäisches Übereinkommen. Die Argumentation: Neben Verbesserung der Lebensbedingungen vor Ort müsse es auch Möglichkeiten zur legalen Zuwanderung nach Europa geben.

„Effizienteres“ System durch Verteilung von Migranten?

Tatsächlich hat das bisherige Papier zwiespältige Punkte. Auf der einen Seite spricht es von der Notwendigkeit einer Rückführung von Nicht-Asylberechtigten in ihre Heimatländer. Ein Communiqué der Kommission zu den Projekten im dritten Quartal lässt aber auch schließen, dass man diesen Personen stattdessen über ein „belastbareres, humaneres und effizienters Migrations- und Asylystems“ die legale Einwanderung ermöglichen will – und zwar bei voller Beibehaltung der Freizügigkeitsregeln des Schengen-Raumes.

Mindestens ebenso umstritten: Die explizite Forderung nach einem „echten gemeinsamen Asylsystem“ der Mitgliedsstaaten, das sich auf „Solidarität und Verantwortungsteilung“ stützen soll. Was sich auf dem Papier gut anhört, hat einige Tücken. Personen würden hierbei nach einem Verteilungsschlüssel aus dem Hauptankunftsländern auf alle anderen Staaten verteilt.

Bislang sperrte sich vor allem eine Allianz im östlichen Mitteleuropa, die sogenannten Visegrad-Staaten (Polen, Tschechien, Ungarn, Slowakei), gegen solche Maßnahmen zu ihren Ungunsten. Auch Österreich war traditionell kein Freund der Umverteilung von Migranten.

Deutsche patriotische Akteure üben scharfe Kritik

Kritiker des Vorhabens wie das Bürgernetzwerk Ein Prozent erinnern daran, dass der Pakt „nicht zur Lösung des westeuropäischen Migrationsproblems beitragen“ werde. Vielmehr verhindere der „Versuch, eigenes Politikversagen auf andere Staaten abzuwälzen […] eine Beendigung der Massenzuwanderung“. Die Pläne seien geeignet, um den „Spalt zwischen den identitären Osteuropäern und den globalisierten Westeuropäern“ zu vertiefen. Durch Druck auf den Osten „könnte sich die Migrationsfrage weiter zum Spaltpilz der EU auswachsen“.

Auch die deutsche AfD sieht den Pakt problematisch: „Die Agenda ist klar: Migrationswege sollen geebnet, Schleppershuttleservices eingerichtet und Europas Tore für die ganze Welt geöffnet werden“, so AfD-EU-Parlamentarier Bernhard Zimniok gegenüber der Jungen Freiheit. Der Bundesvize der Jungen Alternative, Tomasz Froelich, kritisierte zudem die vage Formulierung des Papiers.

Ziele des UN-Migrationspakts über die Hintertür

Der EU-Migrationspakt folgt jedenfalls keine zwei Jahre nach dem umstrittenen UN-Migrationspakt. Diesen angeblich „nicht rechtlich bindenden“ Pakt kritisierten breite Kreise bis hin zum Grünen-Rebellen Boris Palmer. Die Sorge einer rechtlichen Verpflichtung über die Hintertür und eines Endes der staatlichen Souveränität in Migrationsfragen wurde damals laut.

Am Ende nahmen 164 Länder den Pakt im Dezember 2018 an, darunter Deutschland. Fünf stimmten offen dagegen: Die USA, Ungarn, Polen, Israel und Tschechien. Ihre Sorgen könnten je nach endgültigem Wortlaut des neuen Papiers entweder vorerst entschärfen – oder eben vertiefen und aus Kritikersicht als berechtigt bestätigen.

Türkis-blaue Ablehnung überdauerte Regierungsende

Viel kritischer als beim Nachbarn gestaltete sich die Debatte in Österreich und der Schweiz, die sich beide ihrer Stimme enthielten. Nicht zuletzt infolge kritischer und detaillierter Berichterstattung in der patriotischen Medienlandschaft kippte das heimische Stimmungsbild gegen das Vertragswerk zusehends.

Die damalige türkis-blaue Regierung meldete öffentliche Bedenken an und erklärte, dem Pakt nicht beitreten zu wollen. Dies führte zu einem Dominoeffekt vor allem in Europa, immer mehr Staaten zweifelten an der Sinnhaftigkeit. Auch die türkis-grüne Folgeregierung trat dem UN-Pakt nicht bei.

Über den Autor
Julian Schernthaner

Julian Schernthaner

Der studierte Sprachwissenschafter wurde 1988 in Innsbruck geboren und lebte sieben Jahre in Großbritannien. Vor kurzem verlegte er seinen Lebensmittelpunkt ins malerische Innviertel, dessen Hügel, Wiesen und Wälder er gerne bewandert.

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