Unterbrechung der Lieferkette: Aussichtslose Militäroperation gegen die Huthi im Jemen
Die Huthi sehen sich als Teil der gegen Israel und die USA gerichteten „Achse des Widerstands“ und greifen in der Meerenge Bab al-Mandab massiv Schiffe an, um sie an der Durchfahrt nach Israel zu hindern. Damit drohen die Huthi, die Versorgungskette im Westen zu unterbrechen, wovon Deutschland am stärksten betroffen ist. Der Politikwissenschaftler Seyed Alireza Mousavi analysiert die Lage auf den orientalischen Wasserstraßen.
Seit dem 19. Oktober greift die von Iran unterstützte Huthi-Bewegung im Jemen mit Raketen und Drohnen Handelsschiffe mit mutmaßlicher Verbindung zu Israel im Roten Meer an. Die Huthi sehen sich als Teil der gegen Israel und die USA gerichteten „Achse des Widerstands“ und attackieren in großem Ausmaß Schiffe in der Meerenge Bab al-Mandab, um sie an einer Durchfahrt in Richtung Israel zu hindern. Die Huthi-Bewegung hat zum Ziel, einerseits den Strippenzieher des Gazakriegs, nämlich die USA, herauszufordern, indem sie die westliche Lieferkette über den Suezkanal gefährdet und anderseits Israel zum Waffenstillstand in Gaza zwingt.
Reaktion im Westen auf Huthi-Angriffe
Vor einigen Wochen formierte sich unter Führung der USA die internationale Marinemission „Operation Prosperity Guardian“ zum Schutz der Handelsschiffe gegen die Huthi-Angriffsoperationen. Während die Huthi in der Region die Schifffahrt im Roten Meer stören, fallen seither die Bomben des Pentagon und der britischen Royal Air Force auf Ziele im Jemen. Die angelsächsische Achse, die sich längst die Kontrolle über strategische Meerengen gesichert hat, sieht ihre Machthebel in Gefahr und zieht nun auch Europa in den Konflikt mit den Huthi hinein: Die EU-Staaten beschlossen kürzlich den geplanten Militäreinsatz im Roten Meer. Die europäischen Kriegsschiffe sollen Frachtschiffe vor den Angriffen der Huthi aus dem Jemen schützen. Eines dieser Kriegsschiffe ist die Bundeswehr-Fregatte „Hessen“. Mit der Fregatte Hessen schickt die Bundeswehr eines ihrer kampfstärksten Kriegsschiffe ins Roter Meer. Sie ist die jüngste der drei Fregatten der Sachsen-Klasse, die im April 2006 in Dienst gestellt wurden.
Unklar bleibt derzeit, wie groß das Waffenarsenal der Huthi ist. Bekannt ist, dass sie über Mittel- und Langstreckenraketen, Antischiffsraketen, Drohnen und Schnellboote verfügen. Der spektakuläre Überfall auf den Frachter „Galaxy Leader“ mit einem Helikopter im November 2023 zeigte, dass die Huthi zudem in der Lage sind, bewaffnete Kämpfer abzusetzen und Schiffe in voller Fahrt zu kapern. Außerdem verfügen sie über mit Sprengstoff beladene Drohnenboote, die sie damals im Krieg gegen die von Saudi-Arabien geführte Koalition eingesetzt hatten. Einen so schwer ausgerüsteten Gegner mit diesen militärischen Fähigkeiten hatte die deutsche Marine in ihren Einsätzen der vergangenen zwei Jahrzehnte nicht. Bei der damaligen Mission „Atalanta“ am Horn von Afrika ging es vor allem darum, leicht bewaffnete somalische Piraten davon abzuhalten, Frachtschiffe zu kapern. Die Stellungen der Huthi an Land zu bekämpfen, bleibt aber der US-amerikanisch-britischen Mission vorbehalten. Der Militäreinsatz der EU hat nur zum Ziel, Raketen der Huthi abzuwehren.
Aussichtslose Militäroperation gegen die Huthi
Das für die Region zuständige Zentralkommando der USA hatte kürzlich mitgeteilt, die US-Marine habe ein kleines Schiff aufgebracht, das Bauteile für ballistische Raketen und für Marschflugkörper aus iranischer Produktion für die Huthi geladen hatte. Die iranische Revolutionsgarde hat dabei mitgeholfen, die Huthi aufzurüsten. Allerdings sind die jemenitischen Kämpfer nicht der willfährige Befehlsempfänger der iranischen Revolutionsgarde, wie immer in den Westmedien dargestellt wird. Ein Blick auf die Geschichte der Bewegung und ihren Aufstieg zeigt, dass die Beziehung zu Iran von einer begrenzten Zweckgemeinschaft zu einer von zunehmender ideologischer Nähe und wechselseitigem großen Nutzen geprägten Partnerschaft gewachsen ist.
Die Ursprünge der Huthi-Bewegung reichen Jahrzehnte zurück. Die Huthi-Rebellion entstand in den 1980er- und 1990er-Jahren als eine religiös geprägte Bewegung in der Provinz Saada, dem nordwestjemenitischen Kernland der Zaiditen, Anhängern einer Minderheitenrichtung im schiitischen Islam. Sie richtete sich ursprünglich einerseits gegen die politische und wirtschaftliche Marginalisierung ihrer Heimatregion durch die Führung in der Hauptstadt Sanaa, andererseits gegen die vom nördlichen Nachbarn Saudi-Arabien geförderte Verbreitung des sunnitischen Salafismus.
In den Jahren 2004 bis 2010 behaupteten sich die Huthi-Rebellen in mehreren Guerillakriegen gegen die Regierung in Sanaa, und zwar ohne iranische Waffenhilfe. Sie wurden für Teheran erst Ende 2009 wirklich interessant, als Irans Rivale Saudi-Arabien verstärkt in den Jemen-Konflikt hineingezogen wurde.
Im September 2014 nahmen die Huthi die Hauptstadt Sanaa und die wichtige Hafenstadt Hudeida ein. Der damalige Präsident Mansur Hadi floh nach Saudi-Arabien. Nach der Auflösung des Parlaments Anfang 2015 kündigten die Huthi an, die Macht im ganzen Land übernehmen zu wollen. Als Saudi-Arabien als Reaktion auf die Huhi-Machtübernahme 2015 an der Spitze einer internationalen Kriegskoalition im Jemen gegen die Huthi intervenierte, schweißte das Iran und die Huthi intensiver zusammen. Die jahrelang von Saudi-Arabien und der NATO geführte Kriegskoalition im Jemen führte seinerzeit nicht dazu, dass die Huthi das Diktat der USA über die Zukunft des Jemen akzeptierten. Und der saudische Kronprinz Mohammad Bin Salman sah sich damals gezwungen, an den Verhandlungstisch zurückzukehren und die Huthi als faktische Machthaber im Jemen anzuerkennen. Genau aus diesem Grund haben die Saudis sich sofort von den jüngsten Luftangriffen der USA und Großbritannien im Rahmen der „Operation Prosperity Guardian“ auf den Jemen distanziert. Denn Riad bemüht sich derzeit um eine heikle Entspannung mit Iran und einen Waffenstillstand im Jemen-Krieg, aus dem es sich endlich erfolglos zurückgezogen hat.
Mit den derzeitigen Bombardierungen des Jemen erreicht praktisch nur Israel sein Ziel, die USA in den Nahostkrieg weiter hineinzuziehen, während die EU sich auch der US-Operationen gegen Jemen angeschlossen hat. Israel arbeitet derzeit an einer Provokation in der Region, um von dem nicht erfolgreich verlaufenden Militäreinsatz in Gaza abzulenken. Der Jemen ist im Gegensatz zum „Freiluftgefängnis“ Gaza genug groß, um weiter die Schifffahrt im Roten Meer durch Raketenangriffe zu unterbrechen und dem US-Bombardement zu entkommen. Diplomatie auf Augenhöhe ist nun für die Entschärfung der Eskalationen im Roten Meer geboten.
Unterbrechung der Lieferkette und Wirtschaftskrise
90 Prozent der Containerschiffe, die früher durch das Seegebiet fuhren, nehmen seit den Huthi-Angriffen den weiten Umweg um das Kap der Guten Hoffnung an der Südspitze Südafrikas. Dieser Umweg dauert rund zehn Tage länger und hat die Kosten für den Transport eines Schiffscontainers zwischen Schanghai und europäischen Häfen wie Rotterdam oder Genua um mehr als das Vierfache verteuert. Das sorgt für Unruhe, zumal die EU immer noch mit den Folgen einer Energiekrise zu kämpfen hat, nachdem Europa wegen des Ukrainekriegs die Erdgasversorgung des Kontinents durch Gaslieferungen von Russland weitgehend eingestellt hat.
Europa war jahrzehntelang auf Gas angewiesen, das durch Pipelines aus Russland transportiert wurde. Das LNG-Gas wurde nach dem Beginn des Ukrainekriegs und dem Einfrieren der Beziehungen zu Moskau aber zum Rettungsanker. Nach der Verhängung massiver Sanktionen gegen Russland hat die deutsche Regierung eilig schwimmende LNG-Importterminals an Deutschlands Nordküste errichtet. Im vergangenen Jahr wurden 12,9 Prozent des europäischen LNG von Lieferanten aus dem Nahen Osten, hauptsächlich aus Katar, über das Rote Meer bezogen. Katar hatte jedoch aus Sicherheitsgründen mehrfach in letzter Zeit Lieferungen von Flüssiggas an EU-Staaten gestoppt. Wie groß das Risiko ist, zeigt sich daran, wie schnell die Versicherungsgesellschaften reagiert haben. Sie bieten schon Kriegstarife an, die Versicherung der Fracht kostet ein Vielfaches des Normaltarifs.
Dabei ist zudem anzumerken, dass die USA kürzlich auf Druck von Klimaaktivisten den Bau neuer LNG-Terminals ausgesetzt haben. Die Meldung war ein herber Schlag für die Bundesregierung, da Deutschland die Wirtschaft des Landes am stärksten in Europa auf den Bezug von LNG ausgerichtet hat. Die Gasexporte der USA sind seit dem Beginn des Ukrainekriegs im Februar 2022 stark angestiegen. Die Biden-Regierung nutzt nun die Lieferungen nach Europa als wichtige geopolitische Waffe zur Durchsetzung der US-Interessen. Der Industrieverband (Eurogas) bezeichnete Bidens Vorgehen zum Baustopp neuer LNG-Exportterminals vor Kurzem als „alarmierend“ und erklärte, dass US-Gasimporte im Falle möglicher Engpässe eine entscheidende Rolle für die europäische Energiesicherheit spielen würden.
Vor der gegenwärtigen geopolitischen Gemengelage läuft Europa schon Gefahr, von einem einzigen Lieferanten abhängig zu sein und letztendlich den von ihm festgelegten Preisen ausgeliefert zu sein. Für viele Betriebe in Deutschland bedeutet bereits die Energiekrise den Todesstoß. Die Wirtschaftszeitung Bloomberg zeichnete vor Kurzem angesichts des Wegfalls der Lieferungen von billigem Erdgas aus Russland ein furchterregendes Bild von den Zukunftsaussichten der deutschen Wirtschaft.
Zur Person:
Dr. Seyed Alireza Mousavi ist promovierter Politikwissenschaftler, Carl-Schmitt-Exeget und freier Journalist, spezialisiert auf Geopolitik und lebt in Berlin.