Kalte Progression: Österreich plant dauerhafte Maßnahmen
Die kalte Progression ist – gerade in Zeiten hoher Inflation – ein wichtiges Thema für die Arbeitnehmer. Österreich will die Steuermehrbelastung jetzt dauerhaft eindämmen, die deutsche Bundesregierung hat bisher keine Pläne vorgelegt.
In Ländern mit progressiver Einkommensbesteuerung, wie Deutschland oder Österreich, werden hohe Einkommen prozentual stärker belastet als kleinere. Der Staat verteilt so Vermögen von oben nach unten um und gleicht Einkommensunterschiede teilweise aus. Über den Sinn oder Unsinn einer solchen Besteuerung kann man sicherlich streiten. Feststeht, dass sehr hohe Einkommens- und Vermögensunterschiede den sozialen Frieden gefährden. Ein höheres Einkommen ist aber auch ein Anreiz, sich persönlich und beruflich weiterzuentwickeln, neue Fähigkeiten zu erlernen und einen aktiven Beitrag zum Wohlergehen eines Unternehmens (und damit der Volkswirtschaft) zu leisten.
Die sogenannte kalte Progression macht diesen Anreiz zunichte. Hiervon spricht man, wenn Lohnerhöhungen nur die Inflation ausgleichen, aber keine Erhöhung der Kaufkraft zur Folge haben. Besonders stark fällt dieser Effekt bei kleinen und mittleren Einkommen aus, da der Einkommenssteuertarif hier schneller ansteigt.
Österreich: Bundesregierung sagt Kalter Progression den Kampf an
Die österreichische Bundesregierung will dieses Problem jetzt beheben. Ab 2023 sollen die Einkommenssteuertarife an die Inflation angepasst werden, darauf haben sich die Koalitionsparteien ÖVP und Grüne geeinigt. „Die Abschaffung der schleichenden Steuererhöhung ist ein historischer Schritt. Damit stellen wir sicher, dass eine Gehaltserhöhung all jenen, die tagtäglich hart arbeiten, auch tatsächlich zum Leben bleibt und nicht durch das Aufrücken in eine höhere Steuerklasse aufgefressen wird“, sagte Bundeskanzler Karl Nehammer am Dienstag. Die Bundesregierung will unter anderem die Grenzbeträge der beiden untersten Lohngruppen anheben. Auch die Sozial- und Familienleistungen sollen an die Inflation angepasst werden.
Die Opposition kritisiert, dass der Staat den Bürgern nicht die volle Summe zurückgibt, sondern sich ein Drittel einbehält. Außerdem wirke die Maßnahme zu spät, nämlich erst bei der Arbeitnehmerveranlagung für das kommende Jahr, die 2024 einreichbar ist. FPÖ-Wirtschaftssprecher Erwin Angerer bezeichnete den Vorstoß daher als „halbherzig und scheinheilig“. Er forderte die rückwirkende Anwendung: „Die Abschaffung der Kalten Progression darf nicht erst irgendwann in ferner Zukunft erfolgen, sondern sollte rückwirkend mit 1. Jänner 2022 greifen. Das wäre ein Schritt zur raschen und spürbaren Entlastung, welche die Menschen jetzt angesichts der steigenden Preise brauchen und nicht erst im nächsten Jahr“.
Keine Entlastung für deutsche Arbeitnehmer
Die deutsche Bundesregierung hat bisher keine vergleichbare Maßnahme auf den Weg gebracht. Bundesfinanzminister Christian Lindner konnte sich nach eigener Aussage mit Vorschlägen zur dauerhaften Bekämpfung der schleichenden Steuererhöhung nicht durchsetzen. In einem Interview mit dem Münchner Merkur bekräftigte er seine Forderung: „Ich finde aber, dass Steuererhöhungen nicht durch Untätigkeit passieren dürfen. Wenn 40.000 Euro aus diesem Jahr im kommenden Jahr nur noch Kaufkraft von 36.000 Euro haben, darf also nicht besteuert werden, als seien es noch 40.000. Wir brauchen deshalb wie viele europäische Länder einen Steuertarif auf Rädern, der automatisch an die Inflation angepasst wird.“ Interessant: Als die AfD im Frühjahr im Finanzausschuss einen Antrag einreichte, der genau das forderte, wurde dieser von allen Fraktionen – inklusive der FDP – abgelehnt.
Unterstützt wurde von der FDP dafür die Einführung des sogenannten Bürgergeldes, das zum 1. Januar 2023 das Hartz-IV-System ablösen soll. Geplant ist eine deutliche Steigerung der Regelsätze der Grundsicherung: Alleinstehende sollen künftig 502 Euro im Monat erhalten, Jugendliche 420 Euro. Aktuell bekommen Alleinstehende 449 Euro. Der Bund will zudem in den ersten beiden Jahren die Kosten für die Wohnung vollständig übernehmen, Ersparnisse bis 60.000 Euro bleiben unangetastet. Im ersten halben Jahr haben Bürgergeldempfänger zudem keine Sanktionen seitens des Jobcenters zu befürchten. Die arbeitende Bevölkerung will das Kabinett mit einer einmaligen Anhebung des Grundfreibetrags von 10.347 Euro auf 10.632 Euro unterstützen. Zudem sollen einige Eckwerte des Steuertarifs angepasst werden. Der Spitzensteuersatz soll 2023 bei 61.971 Euro greifen, 2024 bei 63.514 Euro.