Baden 1848: Als der Heckeraufstand zerschlagen wurde
Vom enttäuschten Reformer zum zornigen Revolutionär – Friedrich Hecker versuchte, die Demokratie in Süddeutschland mit Gewalt durchzusetzen. Am 20. April 1848 wurde sein „Heckerzug“ von hessischen und badischen Truppen gestoppt, Hecker musste fliehen. Ein Lehrstück über das Scheitern politischer Bewegungen.
Hecker forderte tiefgreifende Reformen wie die Abschaffung der Standesunterschiede und die Schaffung einer deutschen Republik.
© IMAGO / piemagsDas Großherzogtum Baden galt bereits in den 1830er-Jahren als politisches Unruhezentrum im Deutschen Bund. Hier hatte sich eine ausgeprägte liberale Öffentlichkeit entwickelt, begünstigt durch eine vergleichsweise liberale Verfassung von 1818 und eine lebendige Presselandschaft. Vielleicht gerade deshalb sah sich der politisch gemäßigte Großherzog Leopold unter dem besonders starken Druck seiner Untertanen zu weiteren Reformen gedrängt.
Eine der führenden Figuren, der Jurist Friedrich Hecker, hatte sich nach seinem Scheitern im Frankfurter Vorparlament wieder auf seine Heimat Baden besonnen. Als wortgewaltiger Gegner der monarchischen Ordnung forderte Hecker tiefgreifende Reformen, darunter die Abschaffung der Standesunterschiede, das allgemeine Wahlrecht und die Schaffung einer deutschen Republik. In Baden gab er seine demokratischen Reformversuche auf und versuchte zunächst in Konstanz einen Volksaufstand anzuzetteln, der jedoch scheiterte.
Aufstand und Konfrontation
Nur gut vier Dutzend Männer schlossen sich Hecker für seinen Zug nach Karlsruhe an, um dort den Großherzog zu stürzen und eine deutsche Republik auszurufen. Unterstützt von Gustav Struve unternahm er einen sogenannten „Volkszug“ durch Südbaden, um sich mit gleichgesinnten Revolutionären zu vereinigen, unter anderem mit dem Herweghschen Freikorps, das von Frankreich aus in den Aufstand eingreifen wollte. Die Revolutionäre hofften auf eine breite Unterstützung durch die Landbevölkerung, stießen aber vielerorts auf Ablehnung oder Desinteresse. Die Mehrheit der Bauern verhielt sich loyal zur bestehenden Ordnung oder fürchtete Repressalien.
Heckers Truppe war schlecht bewaffnet, schlecht organisiert und zunehmend erschöpft. Die Bewegung hatte keinen festen Plan, war personell schwach besetzt und bestand zum großen Teil aus Idealisten, Studenten und Handwerkern. Die badische Regierung reagierte schnell und mobilisierte reguläre Truppen unter General Friedrich von Gagern. Am 20. April 1848 trafen bei Kandern die rund 800 Aufständischen Heckers auf etwa 1.500 reguläre Soldaten. Die Konfrontation endete mit einer klaren Niederlage der Revolutionäre. Zwar fiel General von Gagern im Kampf, doch die Aufständischen wurden vernichtend geschlagen. Hecker selbst konnte fliehen und entkam später über die Schweiz in die USA.
Ein Symbol des Scheiterns im Kampf um die Demokratie
Der Hecker-Aufstand endete bereits nach wenigen Tagen und war weder militärisch noch politisch von nachhaltigem Erfolg gekrönt. Er offenbarte die strukturellen Schwächen der revolutionären Bewegung: mangelnde Planung, fehlende militärische Schlagkraft und geringe Verankerung in der Bevölkerung. Der Aufstand scheiterte nicht nur an der militärischen Überlegenheit der staatlichen Kräfte, sondern auch an der Kluft zwischen radikalen Republikanern und gemäßigten Liberalen, die die revolutionäre Dynamik bremste.
Wie die Märzrevolution insgesamt oder die Pariser Kommune von 1871 blieb auch Heckers Versuch, eine demokratische Republik durchzusetzen, ein Denkmal idealistischer Revolutionsversuche, denen es an struktureller Durchschlagskraft fehlte. Gleichwohl wurde Heckers Aufstand zu einem Symbol für demokratischen Widerstandsgeist und das Streben nach politischer Partizipation – ein Erbe, das in späteren demokratischen Bewegungen wieder aufgegriffen wurde.
Das Heckerlied als musikalisches Zeugnis
Der SPD-Kreisverband Konstanz verleiht bis heute jährlich den sogenannten Heckerhut an Persönlichkeiten, die sich für die Sozialdemokratie einsetzen. Das Erbe Heckers wird aber auch heute noch von Studentenverbindungen und insbesondere Burschenschaften besungen, die dem umstürzlerischen Denken Heckers und seinem glühenden Nationalbewusstsein näher stehen als die heutige Sozialdemokratie. Mit dem Heckerlied fand der Aufstand nicht nur einen politischen, sondern auch einen popkulturellen Widerhall in seiner Zeit.
Mit seiner eingängigen Melodie, die auf ein französisches Revolutionslied zurückgeht, und seinem kämpferischen Text wurde es zur Hymne der radikaldemokratischen Volksbewegung. Es besingt die Hoffnung auf Freiheit, die Entschlossenheit der Aufständischen und vor allem die Person Friedrich Heckers als Symbolfigur des Widerstands. Obwohl der Aufstand scheiterte, überlebte das Heckerlied als musikalisches Zeugnis revolutionären Geistes und wurde in den folgenden Jahrzehnten immer wieder von demokratischen Bewegungen aufgegriffen.