Bauernproteste in den Niederlanden: Vor Ort bei Bauern und Politik
Der AfD-Abgeordnete Zacharias Schalley sah sich die Bauernproteste in den Niederlanden genauer vor Ort an, um die Motive und Gründe der Bauern kennenzulernen. Für die TAGESSTIMME hat Schalley einen Reisebericht verfasst.
Die niederländischen Bauernproteste sind in unserem politischen Milieu derzeit in aller Munde. Mehrheitlich werden die Proteste als Ausdruck einer graswurzelartigen Opposition gegen lebensferne Eurokraten oder gar als Revolte gegen eine globalistische Agenda begrüßt. Es wird also viel hineinprojiziert, jedoch meist ohne selbst vor Ort gewesen zu sein und mit den Trägern der Proteste gesprochen zu haben. Grund genug also mal über die Maas zu fahren und sich selbst ein Bild zu machen.
Bei den Bauern
Der erste Termin kam dank Vermittlung der Parteifreundin Irmhild Boßdorf zustande, die aufgrund familiärer Bande beste Verbindungen in die Niederlande und nach Flandern hat und auch des Niederländischen mächtig ist.
Die Bauern hatten eine große Protestaktion angekündigt. Angesichts der harten Gangart, die die niederländischen Behörden gegenüber den Bauern an den Tag legen, kam das Treffen nur schleppend und fast schon klandestin zu Stande. In Abständen von mehreren Tagen wurden uns der Ort und schließlich der Tag mitgeteilt. Kein Wort über Inhalt der Veranstaltung, was angesichts vergangener Autobahnblockaden eine gewisse Nervosität auslöste, da wir ja mit den Bauern sprechen wollten und nicht auf einer von ihnen blockierten Autobahn ohne Gesprächsmöglichkeit enden wollten. Doch schließlich wurde es konkreter: GPS-Daten in der Nähe von Nijmegen wurden uns zugesandt und eine Uhrzeit, zu der wir anwesend sein sollten.
Als wir dann zum Ort des Geschehens fuhren, mussten wir ungefähr 1,5 Kilometer vor den GPS-Daten den Wagen stehen lassen, denn der asphaltierte Feldweg, dem wir weiter hätten folgen müssen, war gesperrt und eine riesige Menschenmenge in Wanderkleidung, darunter zahlreiche Soldaten aus aller Herren Länder, wanderten den Weg entlang Richtung Nijmwegen, davon viele mit Gladiolen am Rucksack.
Dass dies nicht der Bauernprotest sein konnte war uns schnell klar, also gingen wir den Feldweg entlang, genau entgegengesetzt zu der Menschenmenge, die sich auf dem traditionellen Nijmegenmarsch befand. Neben den Gladiolen fielen uns immer wieder kleine Boxen mit Käse, frisches Obst und die ausgelassene Stimmung der Wanderer auf.
Wandernde Soldaten
Schließlich kamen wir zu einem abgemähten Feld, auf dem zahlreiche Traktoren mit umgedrehten niederländischen Flaggen oder roten Tüchern, die sichtbaren Solidaritäts-Zeichen mit den niederländischen Bauern, abgestellt waren. Weiter auf dem Feld war eine große Bühne aufgebaut, aber auch ein Bierwagen und direkt am Feldweg eine Ausgabe für die oben erwähnten landwirtschaftlichen Produkte. Hier wimmelte es von zahlreichen Bauern mittleren Alters und deren Familien, die teilweise zu holländischem Techno feierten.
Nachdem wir uns ein wenig umgesehen hatten, fanden wir schließlich unseren Kontaktmann, der schon sichtlich angeheitert von Bier oder vielleicht anderen landwirtschaftlichen Erzeugnissen war und ein freundliches Gespräch über die Motivation der Bauernproteste mit uns führte, uns dann aber an den Zuständigen für ausländische Kontakte der „Farmers Defence Force“ verwies. Diese Organisation sammelt Spenden für Landwirte, die aufgrund ihrer Protestaktionen Bußbescheide zahlen müssen und ist vielerorts Träger und Organisator der Proteste.
Wir kamen dann mit dem Bauern Jos ins Gespräch, der auch bereitwillig das Interview bei laufender Kamera mit uns führte und die politische Gemengelage zu erklären versuchte. Die Bauern selbst glauben, dass die Stickstoffproblematik nur vorgeschoben ist, da andere Branchen, die ebenfalls viel Stickstoff produzieren, wie die Industrie oder Luftfahrt, nicht von so scharfen Einschnitten betroffen sind wie die Viehhalter in den Niederlanden. Vielmehr sei es auch widersinnig gerade die niederländischen Landwirten nun auf diese Weise zu gängeln, da sie auf einer so kleinen Fläche derart effizient wirtschaften, dass die Niederlande zum zweitgrößten Agrarexporteur der Welt werden konnten.
Die Regierung will Fläche
Jos vermutet, dass der Angriff auf die niederländischen Viehhalter, denn besonders die betrifft es, deshalb besonders lohnenswert ist, weil man sie für ein leichtes Ziel hielt. Auch wir in Deutschland können uns noch an die Debatte über die CO2-Bilanz von einem Kilo Fleisch erinnern. Auch der allgemeine Trend bzw. gewollte Schwenk auf mehr vegetarische Nahrung, da man auf derselben Fläche mehr pflanzliche Erzeugnisse produzieren könnte als tierische, ist laut Jos der wahre Grund für den Angriff der Politik.
Und wozu das ganze? Jos Erklärung war klar: Fläche.
Die Niederlande sind ein kleines Land, dessen Fläche häufig mühsam dem Meer abgetrotzt wurde und die unter akutem Platzmangel leidet.
So sind die Stickstoffgrenzwerte und die über Jahre geschürte feindliche Stimmung genau der richtige Hebel, um seitens der Regierung Flächen zu erhalten. Doch was will die Regierung mit der Fläche? Diese Frage lassen wir noch im Raum stehen und schwenken zum Besuch im niederländischen Parlament in Den Haag.
Bei der Politik
Der Kontakt zu Gideon van Meijeren, agrarpolitischer Sprecher des Forum voor Democratie, in der zweiten Kammer der Generalstaaten, dem niederländischen Parlament, kam weniger klandestin zustande. Ein kurzer Austausch über den Messenger und der Termin stand fest.
Die Tweede Kamer tagt in einem hässlichen modernistischen Gebäude und versprüht den Charme einer dystopischen Haftanstalt.
Welch schöner Kontrast sind dazu die Fraktionsräumlichkeiten des Forums für Demokratie, die komplett mit Antikmöbeln, Teppichen und Ölgemälden mit Motiven von Schiffen der niederländischen Ostindienkompanie dekoriert sind.
Hier nahmen wir in gemütlichen Ledersofas Platz, um uns mit Gideon über die Bauernproteste und die Reaktionen der Politik, aber auch die allgemeine Lage auszutauschen.
Das Forum für Demokratie kämpft in den Niederlanden mit denselben Repressalien, der wir auch als AfD ausgesetzt sind. Von Verteufelung in den Medien über das Vorenthalten von parlamentarischen Rechten, all dies kommt einem AfD-Politiker sehr bekannt vor.
Eine zahme Opposition?
Als wir dann auf die Bauernproteste zu sprechen kommen antwortet Gideon, dass zwar die Regierungsparteien massiv an Zustimmung verloren haben, jedoch nicht die fundamentaloppositionellen Kräfte in der breite die Wähler einsammeln können.
Dies liegt an einer jungen politischen Partei, zu der es in Deutschland schon seit Jahrzehnten kein passendes Pendant gibt: Die BoerBurgerBeweging. Die Partei, an deren Spitze eine ehemalige Journalistin steht, tritt als klassische Bauernpartei auf. Allerdings wird sie, trotz der teils heftigen Proteste der Bauern, von den etablierten Medien nicht auf dieselbe Art verteufelt wie die uns nahestehenden Parteien.
Gideon van Meijeren erklärt dies damit, dass die Vorsitzende, die in den Medien und Talkshows sehr präsent ist, stets nur das Themenfeld der Agrarpolitik besetzt und nicht die globalistische Agenda hinter der umstrittenen Politik kritisiert.
Damit kommen wir zurück zur Frage nach der Fläche:
Gideon van Meijeren analysiert die Kontroverse um die Stickstoffgrenzwerte genau wie unser Bauer Jos: Es geht der Politik darum günstig an Fläche zu kommen. Da Fläche in den Niederlanden Mangelware ist, braucht die Regierung einen Hebel, um möglichst günstig Flächen zu erwerben. Denn des Pudels Kern sei tatsächlich die Migrationspolitik der niederländischen Regierung. Die Niederlande sind eines der wenigen europäischen Länder, welches eine positive Demographie hat. Diese ist jedoch nahezu vollständig auf Migration und Geburten von Niederländern mit Migrationshintergrund zurück zu führen. Entsprechend richtet die Regierung ihre Wohnungspolitik fast vollständig auf Migration aus. So hören wir mehrmals am Rande der Bauernproteste, dass man in Den Haag nur noch eine Sozialwohnung bekomme, wenn man Flüchtling sei.
Migration als Motivation
Da das Forum für Demokratie genau diesen Zusammenhang kritisiert, werden sie vom polit-medialem Komplex bis aufs Messer bekämpft und Caroline van der Plas und ihre Bauern-Bürger-Bewegung werden als harmlosere Scheinalternative hofiert.
Wir sehen also, dass die globalistische Agenda auch im europäischen Ausland hinter vielen vermeintlichen Sachthemen stecken kann. Inwiefern in der deutschen oder nordrhein-westfälischen Agrarpolitik ein ähnliches Ziel stecken kann oder gar umsetzbar ist, ist zumindest zweifelhaft, da unsere Agrarstruktur und politische Gegebenheiten noch deutlich anders als bei den Nachbarn jenseits der Maas sind.
Allerdings lässt die Trennung der Ministerien für Landwirtschaft und des Umweltschutzministeriums zumindest erahnen, dass die Grünen ihre linksliberale Agenda verschärfen wollen, während die CDU, die das Landwirtschaftsministerium behalten wollte, vor allem um ihre Stammwähler unter den Landwirten und im ländlichen Raum bangt.
Im Laufe der kommenden Legislatur wird sich zeigen, ob bei dieser Ressortaufteilung ernsthafte Konflikte den Koalitionsfrieden gefährden, oder ob die CDU, wie so oft, bereitwillig ihre Positionen räumt und den Grünen das Feld (auch im wörtlichen Sinn) überlässt.
Zur Person:
Zacharias Schalley, Jahrgang 1991, ist studierter Historiker und seit 2022 Abgeordneter für die AfD im Landtag Nordrhein-Westfalen. Dort fokussiert er sich auf ökologische und landwirtschaftliche Themen.
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