Bildungskrise in Wien: Erstklässler ohne grundlegende Fähigkeiten

Eine Wiener Volksschuldirektorin berichtet von gravierenden Defiziten bei Erstklässlern: mangelnde Deutschkenntnisse und fehlende Fertigkeiten im Umgang mit Stift und Schere. Die Ursachen sind vielfältig.

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Bildungskrise in Wien: Erstklässler ohne grundlegende Fähigkeiten

Immer mehr Erstklässlern an Wiener Schulen fehlen grundlegende Kompetenzen.

© IMAGO / Kirchner-Media

Wien. – Die Bildungslandschaft in Wien steht vor großen Herausforderungen, wie die Aussagen einer anonymen Direktorin einer Wiener Volksschule gegenüber der Nachrichtenplattform Heute eindrucksvoll belegen. Besonders alarmierend: Viele Erstklässler bringen grundlegende Fähigkeiten, die früher selbstverständlich waren, nicht mehr mit. Oft fehle es, so die Direktorin, an Deutschkenntnissen und an der Fähigkeit, mit einfachen Werkzeugen wie Stift und Schere umzugehen.

Die Lehrkräfte sehen sich zunehmend mit Kindern konfrontiert, die nicht einmal einen Stift oder eine Schere richtig halten können, obwohl sie mindestens ein Jahr im Kindergarten waren. Das liege nicht nur an der mangelnden Vorbereitung im Kindergarten, sondern auch an der fehlenden Unterstützung durch die Familien, sagte die Direktorin im Gespräch mit Heute. „Leider werden diese Fähigkeiten auch innerhalb vieler Familien nicht weitergegeben.“

Sprachbarrieren und Konzentrationsprobleme

Besonders besorgniserregend sind die mangelnden Deutschkenntnisse. Rund ein Drittel der Wiener Erstklässler versteht die Sprache so schlecht, dass sie dem Unterricht kaum folgen können. Das Problem betreffe aber nicht nur Kinder mit Migrationshintergrund, so die Direktorin, sondern auch „bei ganz normalen Kindern, egal aus welchem Milieu oder Land sie kommen“. Neben den sprachlichen Defiziten sei auch die Konzentrationsfähigkeit vieler Kinder stark eingeschränkt. „Das ist ein massives Problem geworden“, sagt sie.

Ein weiteres Phänomen, das Lehrer immer häufiger beobachten, sind Kinder, die sich am ersten Schultag kaum von ihren Eltern trennen können – ähnlich wie bei der Eingewöhnung im Kindergarten. „Wir sehen immer mehr Kinder, die sich nicht von ihrer Mama lösen können. Da habe ich jedes Jahr mindestens ein Problemkind“, berichtet die Direktorin. Sie fragt sich, ob diese Kinder wirklich regelmäßig den Kindergarten besuchen und ob die Anwesenheitspflicht dort ausreichend kontrolliert wird.

Lehrermangel verschärft sich

Die angespannte Personalsituation an den Schulen verschärft die Situation zusätzlich. „Seit Corona stopfen wir nur noch Löcher“, beschreibt die Direktorin die aktuelle Situation. An ihrer Schule fehlen derzeit drei Lehrer, zwei Teilzeitstellen sind unbesetzt und ein Lehrer ist seit Schuljahresbeginn krank. Um die Ausfälle zu kompensieren, springt sie selbst stundenweise ein. Noch dramatischer ist die Situation an anderen Schulen, wo Klassenvorstände fehlen und von anderen Schulen abgezogen werden.

Die Probleme der Erstklässler sind aber nur die Spitze des Eisbergs. Eine Analyse des ThinkTanks Agenda Austria zeigt, dass 70 Prozent der Pflichtschüler in Wien im Alltag kein Deutsch sprechen (FREILICH berichtete). Das ist ein großes Hindernis nicht nur für den Schulerfolg, sondern auch für die spätere Integration in den Arbeitsmarkt. Carmen Treml, Ökonomin bei Agenda Austria, betont, dass es ein enormes Potenzial für Jugendliche gibt, auch außerhalb der Schule mehr Deutsch zu sprechen. Dadurch könnten die schulischen Leistungen und die Chancen am Arbeitsmarkt deutlich verbessert werden.

Deutschförderung in Kindergärten gefordert

Der Verein Startklar, der sich auf Sprachförderung in Kindergärten spezialisiert hat, schlägt Alarm: Vor allem durch den Familiennachzug gibt es immer mehr Kinder unter sieben Jahren, die zusätzliche Deutschförderung benötigen (FREILICH berichtete). Es sei das Recht der Kinder, „die Chance zu erhalten, Deutsch auf Erstsprachenniveau zu erwerben“, erklärt Obfrau Janine Fischer. Laut Statistik Austria hatten zu Beginn des Kindergartenjahres 2022/23 knapp 30 Prozent der Kinder Förderbedarf in der deutschen Sprache.

Auch auf politischer Ebene wird die Debatte über die Notwendigkeit von mehr Deutschförderung in Kindergärten hitzig geführt. Die FPÖ fordert eine restriktivere Asylpolitik, um die Kindergärten zu entlasten und die Deutschkenntnisse der Pädagogen zu verbessern. Auch die Kindergartenplattform Educare und das Netzwerk Elementarer Bildung Österreichs (NEBÖ) plädieren für mehr Ressourcen im pädagogischen Bereich, anstatt sich auf externe Sprachförderkräfte zu verlassen.

Die Herausforderungen im Wiener Schulsystem sind nach wie vor vielfältig – von Sprachbarrieren bis hin zu personellen Engpässen. Lösungen sind dringend notwendig, um den Bildungserfolg der nächsten Generation zu sichern.

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