Experten warnen: Besorgniserregender Anstieg von Herzinfarkttoten in Berlin
Während die Sterblichkeit durch Herzinfarkte im Rest Deutschlands sinkt, steigt sie in Berlin. Experten warnen vor einer besorgniserregenden Entwicklung und fordern dringend präventive Maßnahmen.
Berlin. – Die deutsche Bundeshauptstadt Berlin hat ein ernstes Problem: Trotz bundesweiter Fortschritte bei der Behandlung von Herzinfarkten steigt die Sterblichkeit in der Hauptstadt, wie die Berliner Zeitung berichtet. Experten diskutierten kürzlich auf einem Symposium über den alarmierenden Anstieg der Herzinfarkt-Todesfälle außerhalb von Krankenhäusern. Professor Martin Stockburger, Chefarzt der Havelland-Kliniken, leitete die Diskussion und machte auf Zahlen aufmerksam, die besorgniserregende Rückschlüsse auf die Gesundheit der Berliner zulassen. „In Deutschland ist die Sterblichkeit an Herzinfarkt vom Jahr 2000 bis jetzt insgesamt massiv zurückgegangen. In Berlin dagegen ist sie zuletzt wieder gestiegen – in einer besorgniserregenden Art und Weise“, so Stockburger.
Steigende Zahl der Todesfälle in Berlin
Die Zahlen des Berlin-Brandenburger Herzinfarktregisters werfen Fragen auf. „Wir haben in Berlin einen Wert von 80 Menschen pro 100.000 Einwohner erreicht, für die als Todesursache Herzinfarkt im Totenschein dokumentiert ist“, sagt Stockburger. „Dieser Wert lag in der Vergangenheit schon einmal bei 46 pro 100.000.“ Diese besorgniserregende Entwicklung wird durch die Tatsache untermauert, dass in Berlin 63 Prozent der Herzinfarkttoten außerhalb von Krankenhäusern sterben, während es im übrigen Bundesgebiet nur 43 Prozent sind. Stockburger spricht von einem „echten Problem“ hinter dieser Entwicklung und verweist auf die schlechte körperliche Verfassung vieler Berliner.
Ursachen der steigenden Sterblichkeit
Ein wesentlicher Faktor scheint das mangelnde Gesundheitsbewusstsein vieler Menschen zu sein, vor allem der Jüngeren. „Es gab in den vergangenen Jahren einen leichten Trend, dass bei jüngeren Menschen, die ins Krankenhaus kommen, die Sterblichkeit zugenommen hat: Bei Menschen, die jünger oder geringfügig älter als 60 sind“, erklärt der Kardiologe. Bei dieser Personengruppe würden sich über die Zeit zahlreiche Risikofaktoren ansammeln – von erhöhten Cholesterinwerten und Übergewicht bis hin zu Bluthochdruck und Diabetes. Das Herz-Kreislauf-System ist dann stark vorgealtert. Die Betroffenen fühlen sich aber meist gesund und ignorieren oft die Warnzeichen für einen drohenden Herzinfarkt.
Die Risikokonstellation in Berlin und Brandenburg
Vor allem bei den geburtenstarken Jahrgängen (1957 bis 1968) sieht Stockburger eine „katastrophale Risikokonstellation“, die zu den vielen Herzinfarkttoten beiträgt. Diese Generation ist in Berlin stark vertreten, während sich die Altersstruktur in anderen Bundesländern längst verändert hat. Auch indirekt hat die Pandemie ihre Spuren hinterlassen. Während der Pandemie stieg die Zahl der unbehandelten Herzinfarkte, weil viele Menschen aus Angst vor Ansteckung den Arztbesuch mieden. Mit Beginn der Covid-Ära nahm plötzlich die Zahl der Herzinfarkte ab, die in Kliniken versorgt wurden, sie sank um 15 Prozent. „Wir wissen, dass es viel mehr Patienten mit einem Herzinfarkt gegeben haben muss, die entweder unzureichend oder gar nicht behandelt wurden.“
Probleme im Rettungsdienst und die Wichtigkeit präventiver Maßnahmen
Ein weiterer Aspekt, der die Situation verschärft, ist die Überlastung des Rettungsdienstes in Berlin. Berichte über längere Wartezeiten und eine hohe Zahl von Notrufen für weniger dringliche Fälle machen deutlich, dass der Rettungsdienst nicht immer schnell die notwendige Hilfe leisten kann. Stockburger: „Wir sehen das an Patienten, die sich in unseren Krankenhäusern selbst vorstellen, persönlich im Auto vorfahren oder sich von Privatpersonen bringen lassen.“ Das kann fatale Folgen haben, denn schnelle medizinische Hilfe ist nach einem Herzinfarkt überlebenswichtig.
Notwendigkeit einer besseren Prävention
Trotz der guten klinischen Versorgung durch spezialisierte Krankenhäuser in Berlin sieht Stockburger noch Verbesserungspotenzial bei der Prävention. „Ich würde mir außerdem ein strukturiertes Angebot der Prävention für die Bevölkerung wünschen, auch schon im jüngeren Erwachsenenalter“, fordert der Kardiologe. Prävention müsse bereits bei jungen Erwachsenen ansetzen, um die Menschen frühzeitig für Risikofaktoren zu sensibilisieren. „Mit 30 ist man vielleicht tatsächlich noch gesund, aber ein Risiko schon erkennbar. In dieser Lebensphase hat man noch eine sehr gute Handhabe, zu intervenieren.“
Politische Unterstützung für Prävention fehlt
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hat bereits ein Gesetz zur Früherkennung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen vorgelegt - das „Gesundes-Herz-Gesetz“. Acht medizinische Fachgesellschaften haben es unterstützt, doch nach dem Ende der Ampelkoalition liegt das Gesetz nun auf Eis. Auch auf dem Symposium in Berlin äußerten Experten ihren Unmut über das geringe politische Interesse an dem Thema. Man hätte sich da mehr gewünscht, allerdings blieb das aus.