Kolumne: Dürfen sich Prominente und Sportler nur für Linke einsetzen?
Im Jahr 2018 gehört es für linke Journalisten offenbar zu guten Ton, anderen Personen des öffentlichen Lebens vorzuschreiben, welche Politiker sie toll finden dürfen – und welche nicht. Bei der Berichterstattung um die Präsidentenwahl in Brasilien erreicht die beabsichtigte Bevormundung eine vorläufige Spitze.
Kommentar von Julian Schernthaner
Dunkeldeutschland wirft seine Schatten voraus – mittlerweile sogar bis nach Lateinamerika. Hüben wie drüben haben sozialistische und mittige Politiker ein ehemals stolzes Land endgültig in den Boden gewirtschaftet. Ebenso beiderseits des Atlantiks entscheidet sich der Souverän, konservativ-patriotischen Politikern zunehmend das Vertrauen zu schenken. So weit, so gut – denn hier hören die Gemeinsamkeiten auf.
Prominente und die Politik
Denn wenigstens können sich die Meinungsmacher in Deutschland auf den Rückenwind der „Kulturschaffenden“ berufen. Diese dürfen sich medienwirksam und auf Geheiß höchster Würdenträger bei Gratis-Konzerten „gegen Rechts“ die Ehre geben. In Brasilien hingegen ist offenbar sogar diese Bastion gebrochen. Denn dort positionieren sich immer mehr Prominente als Unterstützer des Stichwahl-Favoriten Jair Bolsonaro. Dieser gewann kürzlich den ersten Wahlgang mit 46 Prozent.
Entsprechend groß war der hiesige mediale Aufschrei, als quasi die gesamte Sportlerelite des größten südamerikanischen Landes diesem plötzlich die Stange hält. Von den Fußball-Stars Ronaldinho, Cafu und Kaka bis hin zum zweifachen Formel-1-Weltmeister Emerson Fittipaldi: allesamt Bolsonaro-Fans. Völlig unabhängig ihres ethnischen oder sozialen Hintergrunds schließen sie sich dem ehemaligen Soldaten an. Und das, oh Schreck, völlig ohne die Erlaubnis der Tugendwächter in deutschen Redaktionsstuben!
Herbeigeschriebene Bösartigkeit
Denn, wie es die taz so schön formuliert: „Wenn Sportler für Hetzer trommeln“, dann hat beispielsweise ein Fußballer eindeutig „zu viele Kopfbälle genommen“. Denn Bolsonaro ist ein Mensch, der angeblich „rassistisch, homophob und frauenfeindlich herumpoltert“. Schon zuvor war man sich etwa in der englischsprachigen Welt einig: Dieser Mann ist noch schlimmer als Trump. Und damit, in den Worten eines australischen Journalisten, der „abscheulichste Politiker der Welt“. Und dessen Unterstützung von Prominenten deshalb nicht nur „skurril„, sondern eben ein handfester Skandal.
Freilich: Manche der früheren Aussagen des rechtskonservativen Kandidaten sind tatsächlich streitbar und schießen weit übers Ziel hinaus. Aber der abscheulichste Politiker? In Zeiten, in denen Abgeordnete unter dem Verdacht im Besitz kinderpornographischen Materials in Amt und Würden bleiben? In Zeiten, in denen linke Parteien ihren Gründer in den Nationalrat zurückholen, nachdem die Ermittlungen wegen sexueller Belästigung nicht wegen erwiesener Unschuld sondern lediglich wegen Verjährung eingestellt werden? Wohl kaum.
Bolsonaro ein Rechtsextremer?
Hier sei als Exkurs erwähnt: Die Partido Social Liberal (PSL), welcher Bolsonaro angehört, ist gleichermaßen wirtschaftlich libertär wie wertkonservativ. Weil sich allerdings fast niemand hierzulande mit dem politischen System in Brasilien auskennt, fällt es den heimischen Medien leicht, aus einem Konservativen einen Rechtsextremen zu machen. Als Indiz gelten jene exemplarische Aussagen, welche in seinem tief gespaltenen Land in Wirklichkeit eben niemanden verschrecken, hierzulande aber außerhalb des Overton-Fensters liegen.
Tatsächlich nimmt das politische Profil der Partei im dortigen Spektrum eine Position wohl irgendwo zwischen rechtem CSU-Flügel und der FPÖ ein. Aber die Brandmarkung zieht – denn ein Rechtsextremer ist und bleibt ein solcher. Ein Rechtsextremer wurde rechtsextrem geboren, lebt rechtsextrem und stirbt rechtsextrem. Für den öffentlich-rechtlichen ORF war Bolsonaro nämlich sogar noch ein Rechtsextremer, als er Anfang September nach einem feigen Messerattentat nur dank schneller medizinischer Hilfe überlebte.
Linke Positionierungen hochgelobt
Zurück zum Sport: Richtig abenteuerlich wird die Sache, wenn man bedenkt, dass politische Äußerungen für Prominente und Sportler generell kein Grund für entsprechende Medien ist, die Betreffenden zu maßregeln. Wenn es die „richtigen“ Aussagen sind, so werden sie regelrecht beworben. Wenn sich ein Marcel Hirscher hinstellt und für offene Grenzen wirbt, ist dies keine Instrumentalisierung. Es ist eine „klare Botschaft“ und er „setzt Zeichen„. Bei Zlatko Junuzovic, selbst einst Bürgerkriegsflüchtling, ist es immerhin noch ein „emotionales Plädoyer“.
Auch wenn Hermann Maier die Petition eines grünen Landesrats unterstützt, macht er sich „stark“. Colin Kaepernick, dessen Weigerung für die amerikanische Hymne aufzustehen, seine Karriere beschädigte, wurde in den Schreibstuben als Vorkämpfer für Bürgerrechte idealisiert. Ja, es gilt sogar für die Nachbetrachtung des umstrittenen Black-Power-Grußes bei den Olympischen Spielen 1968: Medien und Popkultur bejubeln heute Tommie Smith und John Carlos. Demgegenüber verpasste ein Schweizer Sportler wegen zugegeben fragwürdiger (rechter) Gesten und Zitate die diesjährige Leichtathletik-EM.
Unterschiedlichste Handhabung?
Auffallend ist dabei, dass sich der Maßstab des Erlaubten ständig verschiebt – und einseitig offen bleibt. Während von linker Seite goutierte Unmutsäußerungen stets in Ordnung sind, kann auf rechter Seite schon einmal die Sippenhaft gelten. Im Jahr 2012 zogen linke Medien eine deutsche Olympiaruderin wegen der rechten Kontakte ihres Lebensgefährten so lange durch den Schmutz, bis sie freiwillig aus London abreiste.
Und stellen wir uns einmal vor, Manuel Neuer hätte sich kurz vor der Fußball-WM mit Alexander Gauland von der AfD ablichten lassen. Hätte derselben Welpenschutz gegolten wie im Fall von Özil und Gündogan, die trotz ihres infamen Erdogan-Fotos mit nach Russland durften? Hätte die Zeit den Aufschrei ebenfalls als „scheinheilig“ bezeichnet? Es ist ist zumindest etwas stärker zu bezweifeln. Viel eher hätte der linke Beißreflex zugeschnappt und nicht locker gelassen. Im Gegensatz zur taz bin ich aber der Meinung: Doch, wir können anders, als mit zweierlei Maß zu messen.