Nach Asylkritik: Suhrkamp-Verlag distanziert sich von Autor Uwe Tellkamp
Uwe Tellkamp hat mit seiner Kritik an der deutschen Asylpolitik für mediales Aufsehen gesorgt. Der Suhrkamp-Verlag distanzierte sich auf Twitter von den Äußerungen seines Autors. Das Verhalten des Verlags führte schließlich zu heftigen Diskussionen.
Am Donnerstag veranstaltete das Dresdner Kulturhauptstadtbüro eine Podiumsdiskussion mit Uwe Tellkamp und Durs Grünbein. Unter dem Titel „Streitbar“ diskutierten die beiden renommierten Autoren über die Meinungsfreiheit in Deutschland. Über 700 Menschen hörten sich das Streitgespräch im Dresdner Kulturpalast an.
Kritik an Merkels Grenzöffnung
Als die beiden Autoren auf die Asylpolitik der deutschen Bundesregierung zu sprechen kamen, erklärte Tellkamp:
„Die meisten fliehen nicht vor Krieg und Verfolgung, sondern kommen her, um in die Sozialsysteme einzuwandern: über 95 Prozent. Wenn man die 30 Milliarden Euro, die die Flüchtlinge im Jahr kosten, und das ist die offizielle Zahl aus dem Finanzministerium, wenn wir die in die Rentenlöcher stecken, ist das Problem Rentenloch erledigt.“
In den entscheidenden Debatten wie der Grenzöffnung 2015 habe es im Bundestag „noch nicht einmal von der Linken eine Opposition“ gegeben. Bundeskanzlerin Angela Merkel habe den Bundestag bis heute nicht darüber entscheiden lassen, so Tellkamp.
Zudem warnte der Autor des preisgekrönten DDR-Romans Der Turm vor einer „Gesinnungsdiktatur“ und der Aushöhlung der Meinungsfreiheit.
Suhrkamp reagiert auf Twitter
Am Tag darauf distanzierte sich der Suhrkampf-Verlag von den Aussagen seines Bestseller-Autors:
Aus gegebenem Anlass: Die Haltung, die in Äußerungen von Autoren des Hauses zum Ausdruck kommt, ist nicht mit der des Verlags zu verwechseln. #Tellkamp
— Suhrkamp Verlag (@suhrkamp) 9. März 2018
Es braucht einen offenen Diskurs
Die Distanzierung des Verlags sorgte am Wochenende schließlich für große mediale Aufregung in Deutschland. Im Deutschlandfunk etwa bezeichnete die Moderatorin und Publizistin Alexandra Gerlach die Reaktion des Suhrkamp-Verlags als „Drama“: Anstatt eine „grundlegende Debatte zu entfachen“, werde Tellkamp „sanktioniert“, „in die Ecke gestellt“ und als Rechter „geschmäht“.
„Es wird Zeit, einen Weckruf wie den von Tellkamp ernst- und aufzunehmen, statt zu ächten. Denn genau diese Intoleranz hat den Populisten leichtes Spiel bereitet“, so Gerlach.
Das gehe ihrer Ansicht nach aber nur, wenn „ohne ideologische Scheuklappen diskutiert“ und auch „unliebsame, unbequeme Meinungen offen und skandalfrei“ debattiert würden.
„Es geht ein Riss durch die Gesellschaft, das ist unübersehbar. Wenn wir diesen kitten wollen, brauchen wir viel mehr Offenheit, viel mehr Toleranz und viel mehr von diesem Dresdner Diskurs“, zeigt sich die Moderatorin überzeugt.
„Überflüssig wie ein Kropf“
Und auch Tilman Krause von der Welt stellte sich hinter Tellkamp:
„Die linke Meinung ist natürlich frei, sich in allen Facetten und Feinheiten zu äußern. Wer sich hingegen vom linken Mainstream (der für sich selbst in Anspruch nimmt, linksliberal zu sein) entfernt, tja, der muss höllisch aufpassen, dass er nicht in die rechte, am besten gleich in die rechtsradikale Ecke gestellt wird“, kritisiert der leitende Feuilleton-Redakteur.
Der Tweet des Verlags sei „überflüssig wie ein Kropf“.
„Und Uwe Tellkamp hat jedes Recht der Welt, über die Abertausende von Flüchtlingen, die dieses Land – im Gegensatz zu seinen europäischen „Verbündeten“ – aufgenommen hat, zu sagen, was er denkt“, betont Krause.
Ministerpräsident verteidigt Tellkamp
Ebenfalls zu Worte meldete sich der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU): „Ich wünsche mir, dass wir in der Sache diskutieren. Wenn ein Streitgespräch zur Verurteilung einer Person führt, darf man sich nicht wundern, wenn keine offene Debatte mehr geführt wird.“
Anderer Ansicht ist hingegen die sächsische Staatsministerin für Wissenschaft und Kultur, Eva-Maria Stange. Nach Angaben der Welt sagte die SPD-Politikerin am Samstag gegenüber der dpa: „Verallgemeinerungen dieser Art geben denen Futter, die mit ausländerfeindlichen Parolen das gesellschaftliche Klima vergiften. Viele Menschen, die zu uns kommen, fliehen vor Krieg, politischer Verfolgung und Diskriminierung sowie wirtschaftlicher Not in ihren Heimatländern und bedürfen dringend unserer Hilfe.“
Autor Klaus-Rüdiger Mai zieht Konsequenz
Erste direkte Auswirkungen hat der Tweet des Suhrkamp-Verlages bereits: Wie Tichys Einblick berichtet, zog der Autor Klaus-Rüdiger Mai seine mit dem Verlag besprochene Publikationsabsicht zurück. In einer E-Mail an den Verleger Thomas Spaar warf er Suhrkamp vor, sich zu einem „Parteiverlag“ zu entwickeln. „Sie haben sich gegen die Vielfalt und für die politische Einfalt entschieden. Ich sehe nicht und glaube auch nicht, wie ein kritischer Essay, wie ich ihn projektiert habe, bei Ihnen erscheinen kann. Ich ziehe hiermit meinen Vorschlag zurück. Er wird andernorts und mit mehr Recht erscheinen.“
Auf YouTube findet man das gesamte Gespräch zwischen Tellkamp und Grünbein: