Organisierte Kriminalität: Syrische Clans in Deutschland auf dem Vormarsch
Die Zahl syrisch dominierter Clans in der organisierten Kriminalität ist in den vergangenen Jahren stark gestiegen, zeigt eine Antwort der Bundesregierung. Experten warnen vor einer Verfestigung der Strukturen.
Berlin. – Nach Angaben des Bundeskriminalamtes waren im Jahr 2023 sieben von 44 erfassten OK-Gruppierungen (organisierte Kriminalität) im Bereich der Clankriminalität syrisch dominiert. In den Jahren 2022 und 2021 waren es drei beziehungsweise zwei Gruppierungen. Das geht aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der AfD hervor. Darin betont die Bundesregierung aber auch, dass für die Bestimmung der „dominierenden Staatsangehörigkeit“ innerhalb einer OK-Gruppierung die Staatsangehörigkeit der Führungsperson entscheidend sei. Es sei nicht erforderlich, dass die Mehrheit der Mitglieder dieselbe Staatsangehörigkeit besitze.
Anteil seit 2018 mehr als verdoppelt
Der Anteil syrisch dominierter Gruppierungen an der OK ist demnach in den letzten Jahren gestiegen: 2018 lag er bei 6,7 Prozent, 2023 bereits bei 15,9 Prozent. Der Politikwissenschaftler und Clanforscher Dr. Mahmoud Jaraba von der Universität Erlangen-Nürnberg erklärte im Oktober 2024: „Während meiner Feldforschung habe ich in den letzten Jahren einen zunehmenden Trend krimineller Aktivitäten in den sogenannten ‚neuen Clans‘, insbesondere in syrischen Gemeinschaften, beobachtet.“ Zu ersten öffentlich wahrgenommenen Konflikten zwischen syrischen und libanesischen Clans kam es im Juni 2023 in Essen, wo es zu Straßenschlachten mit Baseballschlägern und Messern kam. Der Essener Polizeipräsident Andreas Stüve betonte: „Wir können und wollen nicht warten, bis sich kriminelle Strukturen verfestigen und von den nächsten Generationen übernommen werden“.
Migration und Clanbildung
Die Bundesregierung betont in ihrer Antwort jedoch, dass Clanstrukturen nicht mit kriminellen Strukturen gleichzusetzen seien. Häufig handele es sich um traditionelle Familiennetzwerke, die nicht zwangsläufig kriminell agierten, sondern eine „soziale Struktur“ darstellen, „in welcher man sich ggf. untereinander unterstützen, füreinander einstehen und die Lebensexistenz gemeinsam organisieren kann“. Die Bundesregierung widerspricht in ihrer Antwort auch der Darstellung, dass unkontrollierte Massenzuwanderung die Entstehung von Clanstrukturen begünstige. Sie verweist auf das geltende Zuwanderungsrecht und betont, dass „traditionelle familiäre Strukturen“ nicht nur im arabischen Raum, sondern weltweit verbreitet seien. Wissenschaftler wie Jaraba sehen allerdings einen Wandel: Syrische Netzwerke basierten anfangs auf gemeinsamer regionaler Herkunft, zunehmend würden aber familiäre Clanstrukturen übernommen.
Unzureichende Datenlage
Die Bundesregierung betont die Bedeutung differenzierter Maßnahmen im Umgang mit Clankriminalität. Der Bund Deutscher Kriminalbeamter regt an, Ansätze aus der Bekämpfung der italienischen Mafia zu übernehmen, um gezielt gegen patriarchale Clanstrukturen vorzugehen. Zudem hatte Innenministerin Nancy Faeser 2023 vorgeschlagen, auch nicht straffällig gewordene Clanmitglieder auszuweisen. Eine Umsetzung dieses Vorstoßes ist bislang nicht bekannt.
Die Bundesregierung sieht die Schaffung einer umfassenden Datenlage als essentiell an, um das Phänomen der syrisch dominierten Clankriminalität zu bekämpfen. Derzeit fehlen jedoch belastbare Zahlen, etwa zur Strafverfolgung oder zum Dunkelfeld. Auch Zusammenhänge mit politisch motivierter Kriminalität oder Waffenbesitz können nicht abschließend beurteilt werden.