Weimar: Breite Kritik an Razzia bei Richter, der Schul-Maßnahmen aufhob
Es war ein Richterspruch, der für Aufsehen sorgte: In Weimar bestimmte ein Richter des Familiengerichts vor knapp drei Wochen, dass die Maskenpflicht in mehreren Schulen der Stadt aufzuheben sei. Das in weiten Teilen des dissidenten Spektrums als mutig rezipierte Urteil zieht nun aber einen Rattenschwanz nach sich.
Weimar. – Schon wenige Tage später kassierte das Verwaltungsgericht Weimar den Spruch wieder, erklärte die Maskenpflicht für rechtens und das Urteil des unbotmäßigen Kollegen als „offensichtlich rechtswidrig“. Die Begründung: Ein Familiengericht habe keine Befugnis, gegenüber Behörden und ihren Vertretern Anordnungen zu machen, Hygienekonzepte würden Verwaltungsgerichten obliegen. Auf dieser Grundlage fußen nun auch die Ermittlungen gegen den Juristen.
Mobiltelefon bei Razzia beschlagnahmt
Denn in der Folge nahm die Staatsanwaltschaft Erfurt der Jungen Freiheit zufolge ein Ermittlungsverfahren wegen Verdachts der Rechtsbeugung gegen den Richter auf. Es sei zu klären, ob er mit seinem Beschluss eine willkürliche Überschreitung seiner gesetzlichen Kompetenzen abstrebte.
Auf dieser Basis kam es am Montag zu einer Durchsuchung seiner Wohn- und Arbeitsräume. Dabei wurde unter anderem das Mobiltelefon des Richters beschlagnahmt. Übereinstimmenden Medienberichten zufolge händigte der Beschuldigte dieses den Ermittlern auf Anfrage freiwillig aus.
„Krasser Eingriff in richterliche Unabhängigkeit“
Alleine der Umstand, dass es zu einer Razzia bei einem unabhängigen Richter aufgrund eines seiner Urteile kommt, versetzt Interessensgruppen in Alarmbereitschaft. Das „Netzwerk Kritische Richter“ sprach von einem „krassen Eingriff in die richterliche Unabhängigkeit“. Durch derartige Maßnahmen würde sich kein deutscher Richter mehr trauen, Entscheidungen in diese Richtung zu treffen, so ein Sprecher gegenüber Tichys Einblick. Zudem hält man die Razzia für rechtswidrig.
Der für seine Maßnahmenkritik bekannte Leipziger Anwalt Ralf Ludwig äußerte sich noch drastischer. Die richterliche Unabhängigkeit sei „ohne Wimpernzucken abgeräumt“ worden, es zeige sich immer mehr, dass man in einem „faschistischen Land“ lebe. Er zeigte Verständnis für Überlegungen mancher Kritiker, das Land zu verlassen. Ludwig rief alle Juristenkollegen auf, am 1. Mai in Weimar zu protestieren.
Star-Anwalt: Vorwürfe sind „völlig abwegig“
Wie der Focus berichtet, wird der Weimarer Richter von Gerhard Strate (71) vertreten, der sich einen Namen machte, indem er die Freilassung des bayerischen Justizopfers Gustl Mollath erwirkte, der zu Unrecht sieben Jahre in einer Psychiatrie saß, während das von ihm behauptete Politkomplott bis in höchste Kreise in Wirklichkeit durchaus handfestes Tatsachensubstrat besaß.
Strate befindet das Verfahren gegen seinen nunmehrigen Mandanten als „unzulässig und unbegründet“. eine Rechtsbeugung in den Raum zu stellen, sei „völlig abwegig“ und „offensichtlich dem Irrsinn zuzuschreiben, der sich in der Corona-Zeit breitzumachen beginnt.“ Weil Familiengerichte zur Abwendung von Gefahren für Kinder laut §1666 Abs. 4 BGB auch „Maßnahmen mit Wirkung gegen einen Dritten“ treffen könnten, sei dessen Vorgehen gedeckt.
Amtsverlust und bis zu fünf Jahre Haft drohen
Denn, so der Verteidiger, die Ansicht, dass „Dritte“ nicht nur natürliche Personen meine, sondern auch öffentliche Einrichtungen wie Schulen, sei eine „absolut vertretbare Position“. Genau dieser Paragraf 1666 BGB ist es, aufgrund dessen die Staatsanwaltschaft eine Rechtsbeugung unterstellt.
Auch dieser Vorwurf ist bereits happig: Denn der Tatbestand der Rechtsbeugung (§339 StGB) verlangt eine vorsätzliche Begehung. Im Falle eines Schuldspruches drohen bis zu fünf Jahren Haft, bei einer Verurteilung mit einem Strafmaß über einem Jahr zeitgleich der automatische Amtsverlust.
Richter: Kinder nehmen Schaden durch Maßnahmen
Neben der Maskenpflicht hatte das Urteil eigentlich auch die Schnelltests und die Abstandsregeln aufgehoben. Das Thüringer Unterrichtsministerium hatte schon unmittelbar danach angegeben, dieses nicht umsetzen zu wollen und kündigte eine obergerichtliche Prüfung an. Daher können sich Kritiker auch eine politische Intervention vorstellen, die zur einschneidenden Maßnahme einer Razzia führte.
Das Urteil fiel mit 178 Seiten ausführlich aus und stützte sich auf insgesamt drei Gutachten. Dabei wurde festgestellt, dass die Maßnahmen die Kinder „physisch, psychisch, pädagogisch und in ihrer psychosozialen Entwicklung“ schädigen würden. Dabei würden Schulen „keine wesentliche Rolle“ bei der Verbreitung des Virus spielen. Zudem stellte der Richter auf die hohe Fehleranfälligkeit bei Antigen-Schnelltests und PCR-Tests ab, wodurch diese für die Diagnostik untauglich wären.