Tausende Muslime strömen zum Freitagsgebet an die Hagia Sophia
Wegen des Coronavirus durfte allerdings nur eine begrenzte Zahl von Menschen zum Eröffnungsgebet.
Istanbul. – Nach der Rückumwandlung der ehemaligen Kirche Hagia Sophia in Istanbul in eine Moschee fand dort heute erstmals seit 86 Jahren ein muslimisches Freitagsgebet statt. An der offiziellen Eröffnung nahm auch der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan teil. An der Umwandlung gab es in den vergangenen Wochen viel Kritik. Auch liberale muslimische Theologen haben sich gegen die Hagia Sophia als Moschee ausgesprochen.
Erdogan beim Gebet
Beim heutigen Gebet versammelten sich rund tausend muslimische Gläubige im Gebäude. Zudem waren rund um das Gebäude Bereiche für betende Gläubige reserviert. Viele Straßen wurden für den Verkehr gesperrt. Die Behörden riefen dazu auf, eine Maske zu tragen und den Mindestabstand einzuhalten. Insgesamt sollen mehr als 20.000 Polizisten im Einsatz gewesen sein. Präsident Erdogan saß bereits vor Beginn des eigentlichen Gebets in der Hagia Sophia und hörte der Predigt des Imams zu, wie Aufnahmen der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu zeigten. Der Präsident trug zwischenzeitlich eine Atemschutzmaske und befand sich in Begleitung einiger hoher Beamter.
Der Gerichtsentscheid über die Umwandlung der Kirche in eine Moschee hat vor etwa zwei Wochen international Kritik hervorgerufen. Die UNESCO teilte damals mit, dass sie die Umwandlung des als Weltkulturerbe gelisteten Gebäudes bedauere. Besonders heftige Kritik übten aber Länder, die vom griechisch-orthodoxen Glauben geprägt sind. Griechenlands Präsidentin Katerina Sakellaropoulou wertet die geplante Umsetzung als einen „zutiefst provokanten Akt gegen die internationale Gemeinschaft“.
Muslimische Theologen gegen Nutzung als Moschee
Nun haben sich auch liberale muslimische Theologen in der Türkei öffentlich gegen die erneute Nutzung der Hagia Sophia als Moschee gewandt. Dies sei ein „schwerer und irreparabler Fehler“, heißt es in einer Erklärung. Der Schritt werde Nichtmuslime beleidigen und der Islamophobie Auftrieb geben, wie die türkische Zeitung Cumhuriyet berichtete. Während „aufrichtige Gläubige“ sich an der politischen Demonstration störten, die mit der Umwidmung verbunden sei, könne diese eine falsche Botschaft an radikale Islamisten senden.
Die erneute Umwidmung der früheren byzantinischen Reichskirche, die bereits 1453 zur Moschee wurde und seit 1934 ein Museum war, widerspreche den Werten der Toleranz und des Friedens im Islam. Die Theologen wenden sich auch ausdrücklich dagegen, die Umwidmung der Hagia Sophia mit Verweis auf die Umayyaden-Moschee im spanischen Cordoba zu legitimieren.
Christliche Mosaike werden verhüllt
Vor zwei Wochen hatte das oberste Verwaltungsgericht der Türkei den bisherigen Status der Hagia Sophia als Museum annulliert. Erdogan ordnete daraufhin die Nutzung als Moschee an. Die Hagia Sophia wurde im 6. Jahrhundert nach Chr. als byzantinische Kathedrale erbaut und war rund ein Jahrtausend lang die größte Kirche der Christenheit. Nach der Eroberung Konstantinopels (heute Istanbul) durch die muslimischen Osmanen wurde sie in eine Moschee umgewandelt. Im Jahr 1934 wurde das Gebäude auf Anordnung des säkularen türkischen Republikgründers Mustafa Kemal Atatürk zum Museum. Die wertvollen christlichen Mosaike, die die Hagia Sophia beherbergt, sollen laut vorherigen Ankündigungen während der islamischen Gebete verhüllt werden.
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Hagia Sophia: Christliche Mosaike werden bei Freitagsgebet verdeckt (22.07.2020)