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Die AfD und der „Slopulismus“: Triumph der Zahlen oder Verlust des Ziels?

Trotz Rekordwerten in den Umfragen droht sich die AfD im eigenen Erfolg zu verlieren. Statt auf inhaltliche Vertiefung setzt sie auf Reichweite – mit fatalen Folgen für ihre strategische Substanz, warnt Bruno Wolters.

Kommentar von
24.4.2025
/
4 Minuten Lesezeit
Die AfD und der „Slopulismus“: Triumph der Zahlen oder Verlust des Ziels?

Derzeit liegt die AfD in den Umfragen an erster Stelle, steht dadurch aber an einem Scheideweg.

© IMAGO / Andreas Gora

Die Alternative für Deutschland erlebt einen Höhenflug: Mit 26 Prozent in den jüngsten Umfragen hat sie die Union überholt und rückt als zweitstärkste Kraft im Bundestag immer mehr ins Zentrum der politischen Aufmerksamkeit. Für ihre Anhänger ist das ein Beweis für die Richtigkeit ihres Kurses, linke, aber auch wohlwollende Kritiker sehen die wachsende Zustimmung mit Sorge. Denn hinter den glänzenden Zahlen lauert eine Gefahr, die die Partei selbst zu übersehen droht: die Verwechslung von Ziel und Selbstzweck. Statt als Instrument für eine größere Vision zu dienen, droht die AfD, sich in ihrer eigenen Erfolgswelle zu verlieren und ihre Substanz zugunsten kurzfristiger Popularität zu opfern.

Der Rausch der Umfragewerte

Die starken Umfragewerte könnten suggerieren, dass die AfD auf dem richtigen Weg ist. Hohe Prozentzahlen, virale Social-Media-Posts und wachsende Reichweiten werden als Beleg für politischen Erfolg gefeiert. Doch diese Fokussierung auf kurzfristige Erfolge birgt erhebliche Risiken. Die Partei scheint oft mehr damit beschäftigt zu sein, Aufmerksamkeit zu generieren, als tiefgreifende Lösungen für komplexe Herausforderungen wie die demografische Krise, den Mangel an bezahlbarem Wohnraum oder die Industriepolitik zu entwickeln. Dieser „Slopulismus“ – „Slop“ meint im Englischen billige und oftmals eher niveaulose und niedrigschwellige Inhalte – droht die Partei in eine Falle zu locken, in der Quantität vor Qualität geht.

Die Jagd nach (digitaler) Aufmerksamkeit führt dazu, dass Form vor Inhalt geht. Komplexe Themen wie eine nachhaltige Rentenreform, eine strategische Militärpolitik oder die Bewältigung der Wohnungsnot passen nicht in reißerische Tweets oder 60-Sekunden-Videos für Instagram. Stattdessen dominieren einfache, oft oberflächliche Narrative, die zwar Klicks und Likes generieren und im Parlament anecken, aber wenig zur Lösung struktureller Probleme beitragen. Das Problem: Ein tiefgründiges politisches Programm lässt sich nur schwer in 60-Sekunden-TikTok-Videos oder einer parlamentarischen Rede erklären, weshalb auf ein ganzheitliches Programm von vornherein verzichtet werden kann, so die zugrundeliegende Logik. Die vorherrschende Kommunikationsform schränkt somit die inhaltliche Arbeit von vornherein ein. Diese Selbstbeschränkung droht die AfD zu einer monothematischen Protestpartei zu machen, die sich auf aktuelle Themen (Zuwanderung, Energiekrise, Krieg) konzentriert, laut ist, aber wenig Konkretes zu bieten hat. Die Algorithmen der Sozialen Medien, in denen die AfD dominiert, verstärken diesen Effekt, indem sie reißerische Inhalte belohnen und fundierte Analysen in den Hintergrund drängen.

Die Partei als Selbstzweck

Im Kern geht es um die Frage, ob die AfD als Mittel für ein höheres Ziel – etwa die Bewahrung der ethnisch-kulturellen Identität oder die Schaffung eines „besseren Deutschlands“ – fungiert oder sich selbst zum Zweck erklärt. Wird die AfD bewusst nur als Selbstzweck ihrer Akteure verstanden oder auch bloß in kleinen Schritten unbemerkt dazu erklärt, ergeben sich ganz andere Entwicklungspfade als in einem Mittel-Ziel-Verhältnis. Wenn der Erfolg der Partei, gemessen an Umfragewerten und Reichweite, zum alleinigen Maßstab wird, entfällt die Notwendigkeit, ein überzeugendes, umfassendes Programm zu entwickeln oder Verantwortung zu übernehmen. Das politische Vorfeld – also die unterstützenden Akteure, Medien und Bewegungen – wird dann nur noch zur Stütze für die nächste Umfrage, statt eine eigenständige Kraft für tiefgreifende Veränderungen zu sein. Dies führt zu einer gefährlichen Dynamik, in der die Partei aus der Verantwortung entlassen wird, mehr als nur oberflächliche Alternativen anzubieten.

Das Vorfeld der AfD, bestehend aus Aktivisten, Publizisten und Unterstützern, steht vor einer ähnlichen Herausforderung. Statt als eigenständige Kraft eine breite Bewegung aufzubauen, droht es, sich in der Rolle eines bloßen Verstärkers der Partei zu verfangen. Der Fokus auf Reichweite führt dazu, dass Inhalte oft auf maximale Wirkung getrimmt werden, anstatt inhaltliche Tiefe zu bieten. Wenn alles unter dem Vorzeichen maximaler Reichweite und bester Umfragewerte verstanden wird, ist man einerseits zur Passivität verdammt, andererseits aber auch zur Verwechslung von Quantität und Qualität und zur Bevorzugung der Form vor dem Inhalt. Eine solche Dynamik schadet nicht nur der Partei, sondern auch ihrer Basis und dem Vorfeld, das damit ihr Potenzial für eine breitere und nachhaltigere Bewegung verliert.

Qualität statt Quantität: ein notwendiger Wandel

Die Lösung liegt in einem Paradigmenwechsel: weg von der Fixierung auf Quantität, hin zu einem Fokus auf Qualität. Das erfordert den Mut, auch unbequeme Debatten zu führen – etwa über die Rolle libertärer Strömungen innerhalb Partei und Vorfeld oder die strategische Ausrichtung des Vorfeldes. Wer nur auf die Reichweite schaut, wird sich davor hüten, Akteure oder Gruppen zu kritisieren, die möglicherweise von falschen Voraussetzungen ausgehen, um den Erfolg der AfD nicht zu gefährden.

Doch genau diese Auseinandersetzung ist notwendig, um eine kohärente Bewegung zu schaffen, die mehr ist als ein kurzlebiges Protestphänomen. Es braucht eine offene Debatte darüber, was Qualität in der politischen Arbeit ausmacht und wer sie definiert. Ohne eine solche Diskussion läuft das dissidente Vorfeld Gefahr, sich in einem intellektuellen Elfenbeinturm zu verlieren, ähnlich der Konservativen Revolution der 1920er-Jahre, während sich die AfD im „Slopulismus“ verliert. Dass es auch anders geht, zeigt das Beispiel der FPÖ in Österreich. Vor allem unter dem Parteivorsitzenden Herbert Kickl haben sich die Freiheitlichen in den vergangenen Jahren inhaltlich vertieft, ohne den Zugang zur Bevölkerung zu verlieren. Kickl versteht es, aufgrund seiner Grundüberzeugungen, die auf jahrelanger politischer Bildung beruhen, größtmögliche Breitenwirkung mit inhaltlicher Tiefe zu verbinden. Eine AfD-Akteure wie Björn Höcke oder Matthias Helferich habenda bereits verstanden.

Agieren statt reagieren

Die AfD und das Vorfeld stehen an einem Scheideweg. Ihre 26 Prozent sind ein starkes Signal, aber kein Selbstläufer. Ohne eine klare Trennung von Ziel und Mittel droht sie in der Falle des Selbstzwecks zu landen – laut, aber substanzlos. Die richtige Antwort und Priorisierung von Ziel und Mittel, Quantität und Qualität, Inhalt und Form können dabei als Leitplanken dienen. Optimum statt Maximum muss die Devise heißen. Es liegt an den Parteien und ihren Vorständen, diese Leitplanken zu nutzen, um aus Wahlerfolgen eine nachhaltige, glaubwürdige Kraft zu formen. Dies erfordert nicht nur strategische Weitsicht, sondern auch die Bereitschaft, kurzfristige Erfolge zugunsten langfristiger Ziele zu opfern.

Die Herausforderung besteht darin, proaktiv zu agieren, statt nur auf die Fehler des politischen Gegners zu reagieren. Die AfD und ihr Vorfeld müssen sich fragen, wie sie ihre Erfolge in „harte Fakten“ umsetzen können – sei es durch eine überzeugende Programmatik, eine stärkere Vernetzung oder die Schaffung eines eigenen medialen Kosmos. Das Fehlen eines einflussreichen Massenmediums der Neuen Rechten, während liberalkonservative Plattformen die Früchte der aktuellen Unzufriedenheit ernten, zeigt, wie viel Potenzial ungenutzt bleibt. Die 26 Prozent sind ein Anfang, aber ohne eine klare Vision und die Bereitschaft, Qualität über Quantität zu stellen, drohen sie ein Strohfeuer zu bleiben. Es ist an der Zeit, den Fokus vom Selbstzweck wieder auf das eigentliche Ziel zu lenken – bevor der Rausch der Umfragen die Substanz endgültig überdeckt.

Die in Gastbeiträgen geäußerten Ansichten geben ausschließlich die Meinung des jeweiligen Autors wieder und entsprechen nicht notwendigerweise denen der Freilich-Redaktion.
Über den Autor

Bruno Wolters

Bruno Wolters wurde 1994 in Deutschland geboren und studierte Philosophie und Geschichte in Norddeutschland. Seit 2022 ist Wolters Redakteur bei Freilich. Seine Interessengebiete sind Ideengeschichte und politische Philosophie.

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