„Es drohen Hyperinflation, wirtschaftliche Depression, Blackout, Bürgerkrieg"

Im Interview mit FREILICH spricht der deutsche Sozialwissenschaftler Manfred Kleine-Hartlage über den Krieg in der Ukraine und die Krisen, die möglicherweise noch auf den aktuellen Konflikt zwischen Putin und Selenskyj folgen könnten. Er hält außerdem fest, dass es bei den aufeinanderfolgenden Krisen darum gehe, den Übergang zu einem totalitären Regime zu ermöglichen, diesmal möglichst im Weltmaßstab.

Interview von
10.1.2023
/
5 Minuten Lesezeit
„Es drohen Hyperinflation, wirtschaftliche Depression, Blackout, Bürgerkrieg"

Manfred Kleine-Hartlage

FREILICH: Herr Kleine-Hartlage, in Systemfrage beschrieben Sie eine selbstzerstörerische Dynamik der Krisenbewältigung in der BRD seit den letzten 15 Jahren und haben dies unter dem Begriff „Merkel-Syndrom“ zusammengefasst. Jetzt haben Sie das Buch Tödliche Torheit zur deutschen Politik im Ukrainekonflikt nachgelegt. Inwiefern ist die deutsche Rolle hier eine Fortsetzung des „Merkel-Syndroms“?

Manfred Kleine-Hartlage: Das Merkel-Syndrom ist eine Methodik zur systematischen und künstlichen Erzeugung von Krisen, die ausgeblieben wären, wenn die politische Klasse ihr Handwerk ordentlich ausübte. Alle Krisen der letzten zwölf Jahre waren vermeidbar oder wären leicht zu bewältigen gewesen: Eurokrise, Atom- und Kohleausstieg, Flüchtlingskrise, Verfassungskrise, überkandidelte Klimapolitik, Corona und jetzt eben der Ukrainekrieg. In allen Krisen wurden Strategien gewählt, die den Schaden maximierten und ein Höchstmaß an Repression und Demokratieabbau mit sich brachten. Die Politik in der Ukrainekrise ist allerdings der Gipfel der als Tollpatschigkeit getarnten oder mit ihr einhergehenden Bösartigkeit.

Wo sehen Sie die Hauptursachen des Konflikts?

Die USA versuchen ihren unvermeidbaren Abstieg durch Expansion ihres Herrschaftsbereichs und die Ausschaltung anderer Mächte hinauszuzögern. Daher haben sie eine Politik getrieben, von der sie wussten, dass sie Russlands vitale Interessen verletzt und zum Krieg führen würde. Diesen Krieg fechten die Ukrainer nun stellvertretend für die USA aus. Am Ende wird das Land zerstört und ruiniert sein, aber für Selenskyj und seine Entourage wird sich der Verrat an ihrem eigenen Volk zweifellos auszahlen.

Dass Europa ebenfalls ruiniert wird, ist aus der Sicht der USA ein willkommener Nebeneffekt, denn da sie sich durch eigene Leistung nicht mehr an der Spitze halten können, sind sie darauf angewiesen, Konkurrenten gewaltsam oder durch andere unlautere Mittel auszuschalten. Sie haben uns bereits durch einen Terroranschlag ihr wirtschaftlich nicht konkurrenzfähiges Frackinggas angedreht und können auch in anderen Bereichen wieder führend werden, vielleicht in der Automobilindustrie, die ihre hiesigen Kollaborateure zerstören. 

Westliche Sicherheitsexperten haben lange von einer (Ein-)Bindung der Ukraine in EU und NATO gewarnt, um russische Sicherheitsinteressen nicht zu berühren, so auch Merkel auf dem NATO-Gipfel 2008. Putin selbst hat mehrfach klargestellt, dass dies eine rote Linie sei. Warum, glauben Sie, hat man die Lage ausgerechnet in einer Zeit, in der sich die Krisen nicht nur in der Bundesrepublik verstärken, so eskalieren lassen?

Die aufeinanderfolgenden Krisen zeigen eine klare Klimax und greifen so ineinander, dass der böse Wille dahinter erkennbar ist. Es geht darum, den Übergang zu einem totalitären Regime zu ermöglichen, diesmal möglichst im Weltmaßstab. Dazu braucht man das, was Sebastian Haffner mit Blick auf 1933 einen „kollektiven Nervenzusammenbruch“ nannte. Wir haben es mit einer Strategie der Spannung zu tun: Die immer kürzer aufeinanderfolgenden Krisen sollen denselben Effekt haben, den man schon bei einer ähnlichen eng getakteten Krisenabfolge zwischen 1914 und 1933 beobachten konnte. Die kulturellen und sozialpsychologischen Vorbereitungen sind schon weit gediehen: Von einer demokratischen politischen Kultur, wie es sie vor dreißig Jahren noch gab, kann in unserem Land jedenfalls nicht mehr die Rede sein, die Abwehrkräfte gegen Machtanmaßungen sind nur noch gering; Personengruppen, die sich dagegen auflehnen könnten, wurden durch die vorherigen Krisen identifizierbar gemacht und marginalisiert.

Der jahrelang schleichende kalte Staatsstreich der politischen Klasse gegen die verfassungsmäßige Rechtsordnung nimmt immer mehr Fahrt auf. Zwar bröckelt die Anhängerschaft des herrschenden Kartells unaufhaltsam; bisher aber hat es diesen selbstverschuldeten Machtverfall durch immer weiter getriebene Machtusurpationen kompensieren können. Im Falle eines multiplen Zusammenbruchs des Gesellschaftsgefüges könnte diese Strategie aber immer noch scheitern; die Risikobereitschaft des Kartells ist jedenfalls so atemberaubend, dass dies per se schon darauf hinweist, dass die Politiker der BRD, für die Konsequenzen dieses Scheitern gefährlich werden können, nicht die eigentlichen Entscheidungsträger sind.

Glauben Sie, die Bundesrepublik hätte trotz der jetzigen Situation – auch angesichts der Anschläge auf die Nord Stream 2-Pipelines – überhaupt genug Spielraum für eine eigene interessengeleitete Außenpolitik?

Sie kann nicht aus der NATO austreten und sich mit Russland verbünden, wenn Sie das meinen. In einem solchen Fall würden unsere sogenannten Freunde mit uns etwa so umgehen wie Russland mit der Ukraine, sogar eher brutaler, falls wir uns wehren. Unterhalb dieser Schwelle gäbe es dagegen sehr wohl Spielraum für interessengeleitete Außenpolitik: Der Spielraum ist nicht groß, aber größer als null. Was die BRD aber nicht hat und auch nicht mehr bekommen wird, jedenfalls nicht ohne eine Revolution, ist eine politische Klasse, die die Interessen des eigenen Staates vertritt, ganz zu schweigen von denen des deutschen Volkes.

Welche Krisen könnten sich an den Krieg in der Ukraine anschließen bzw. durch ihn noch verschärfen?

Es drohen unmittelbar folgende Szenarien: Hyperinflation, wirtschaftliche Depression, Blackout, Bürgerkrieg, wahrscheinlich mit Ethno- und Dschihadkomponente, nicht zuletzt die Ausweitung des Krieges auf Mitteleuropa. Letzteres hängt von Putin ab, nicht von der Bundesregierung.

Der Journalist und Unternehmensberater Enno Lenze postete neulich ein Foto einer ukrainischen Granate, die er gegen eine Spende mit einer persönlichen „Grußbotschaft“ an die – wie die Webseite dieser Aktion wirbt – „orcs“ (gemeint sind damit die russischen Soldaten) versehen hat. Das steht beispielhaft für vielfach beobachtbare Kriegsverherrlichung und wirkliche Menschenverachtung im linken und linksliberalen Spektrum. Wie lässt sich so ein Verhalten erklären?

Das ist ein Ergebnis des pseudoreligiösem Fanatismus, der für die Linken typisch ist, verbunden mit einer Menschenverachtung, die noch aus der NS-Zeit stammt. Da die sogenannte „Vergangenheitsbewältigung“ bloß auf der Ebene politischer Ideologie und verlogener Ritualistik erfolgte, aber die psychischen Dispositionen nicht überwunden wurden, die dem damaligen Brutalismus zugrundelagen, ist gerade bei den Linken die Wiederkehr des Verdrängten eine ständige Gefahr.

Die RAF und überhaupt die Menschenverachtung der extremen Linken war schon vor Jahrzehntem ein Hinweis darauf. Ihre ganze Ideologie, wonach der vermeintlich gute Zweck jedes Mittel heiligt, ist die passende Ideologie für Genickschützen und KZ-Aufseher im Wartestand. Dass die politischen Vorzeichen andere sind, ändert an diesem Befund nichts, im Gegenteil.

Welche weiteren Entwicklungen halten Sie im Kriegsverlauf angesichts der militärischen Misserfolge der russischen Armee für denkbar? Wie können russisch-westliche und deutsch-russische Beziehungen zukünftig aussehen?

Ich würde aus den bisherigen Misserfolgen der Russen keine weitreichenden Schlüsse ziehen: Erstens operieren sie seit Kriegsbeginn mit quantitativ schwachen Kräften in der Ukraine, sie haben ihr Potenzial noch kaum angezapft, und die Unterstützung für Putins Kurs nimmt – nicht zuletzt aufgrund der Torheit des Westens – nicht ab, sondern zu. Putin wird sich bald auch eine Generalmobilmachung leisten können, falls sie ihm strategisch ins Konzept passt. Zweitens war es auch schon im Zweiten Weltkrieg so, dass der Krieg zunächst einmal die über Jahre angestauten Schwächen der Roten Armee offenlegte, die dann aber mit fortdauerndem Krieg überwunden wurden.

Ich staune überhaupt, wie wenig geschichtsbewusst die westlichen Kommentatoren sind, die ernsthaft mit einem Zusammenbruch Russlands rechnen. Was die künftigen Beziehungen angeht, so hängt dies vom Kriegsverlauf und -ausgang ab. Das Porzellan wieder zu kitten, das unsere Regierenden zerschlagen haben, wird freilich eine Mammutaufgabe sein, sofern die jetzige politische Klasse an der Macht bleibt und sich dieser Aufgabe überhaupt stellt. Sicher ist nur eins: Am Ende werden wir und die anderen Völker Mittel- und Osteuropas – wie in den tausend Jahren zuvor – immer noch Nachbarn der Russen sein. Für eine Frau Baerbock wird dies natürlich eine unvorhersehbare Überraschung sein.

Kann dieses Krisenmanagement der BRD im Zuge von Krieg, der sich verstärkenden (selbst erzeugten) Energiekrise und den daraus entstehenden Folgen Ihrer Meinung nach überhaupt noch durchgehalten werden, ohne dass die deutsche Regierung ernstlich selbst in die Krise gerät?

Sie ist bereits in der Krise, und leider spricht nichts dafür, dass sie ihren Kurs ändert. Man muss davon ausgehen, dass das Kartell auf eine weitere Zuspitzung der Situation mit noch mehr Repression, noch schwerwiegenderen Rechtsbrüchen und noch strikterer Kontrolle der Medien und der Justiz, schließlich mit blanker Gewalt reagieren wird. Dies entspricht zumindest seinen bisherigen Verhaltensmustern, und es ist nicht zu erkennen, wie und warum es aus der Logik seiner bisherigen Handlungen ausbrechen sollte. Der Fluchtpunkt, auf den das Kartell zusteuert, ist ein äußerst repressiver bis totalitärer Staat, der über einer rapide verarmenden und zerfallenden Gesellschaft thront, bis er selbst an dem von ihm angerichteten Chaos zugrunde geht.

Herr Kleine-Hartlage, vielen Dank für Ihre Zeit!


Zur Person:

Manfred Kleine-Hartlage ist ein deutscher Sozialwissenschaftler und freier Publizist. Kleine-Hartlage betreibt einen Blog veröffentlicht regelmäßig Bücher im Verlag Antaios.

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