Guido Reil (AfD): „Unser industrielles Herz wird herausgerissen“
Eines der beherrschenden Themen im EU-Parlament ist der sogenannte Green Deal. Dieser beschleunigt den Strukturwandel massiv. Der Sozialpolitiker und EU-Abgeordnete Guido Reil (AfD) hat nun ein Buch verfasst, das sich diesen Entwicklungen widmet. Die TAGESSTIMME sprach mit ihm darüber.
TAGESSTIMME: Herr Reil, die EU reißt immer mehr Kompetenzen an sich und spielt im Leben der Menschen eine immer größere Rolle. Der Green Deal ist ein Mammut-Projekt, das für Jahrzehnte die Gesellschaft und den Alltag der Menschen prägen wird. Was gefällt Ihnen daran nicht?
Guido Reil: Der Green Deal gefährdet den Wohlstand in Deutschland und damit auch den sozialen Frieden. Der Green Deal wird zur De-Industrialisierung Deutschlands führen. Wir werden verarmen. Brüssel ist aber daran gewöhnt, dass wir für alles zahlen. Wenn das nicht mehr möglich ist, wenn Deutschland strauchelt, dann fällt die EU.
Was macht Sie da so sicher?
Ich bin ein Kind des Ruhrgebiets. Als ich klein war, gab es bei uns keine Arbeitslosigkeit. Das Leben blühte und brummte. Heute sieht es ganz anders aus. Nämlich so wie im Osten kurz vor der Wende. Man nennt das „Strukturwandel“, aber tatsächlich ist es ein Strukturbruch. Alles, was man kannte, zerfällt innerhalb kürzester Zeit und das, was dafür an Neuem entsteht, reicht hinten und vorne nicht.
Der Green Deal bedeutet einen gigantischen Strukturbruch. Unsere Autoindustrie wird abwandern, die Zulieferer werden ihr folgen. Außerdem die ganzen energieintensiven Industriezweige wie Aluminiumwerke, dann der Kraftwerksbau, der Turbinenbau, die komplette Energiebranche, alles. Es werden nicht nur einzelne Regionen betroffen sein, sondern ganz Deutschland. Unser industrielles Herz wird herausgerissen – wissentlich und ohne Not, aus rein ideologischen Gründen. Stattdessen bekommen wir ein paar Lithium-Batterien. Das Ruhrgebiet wird überall sein.
Das klingt eher pessimistisch. Kann so ein Strukturwandel, oder Strukturbruch, wie Sie sagen, nicht auch eine Chance sein?
Theoretisch ja, es hat nur praktisch nie funktioniert. Wenn Schlüsselindustrien wegbrechen, reagieren Politiker immer nach dem gleichen Schema: zuerst fordern sie einen ICE-Anschluss. Aber warum sollte ein ICE da halten, wo nichts mehr los ist? Dann fordern sie die Ansiedlung einer Universität, oder besser noch: einer Universitätsklinik. Aber für Studenten sind tote Städte nicht attraktiv. Sie schreiben sich nicht in Pirmasens ein, weil die Mieten günstig sind.
Und dann gibt es noch die Geheimwaffe aller Politiker: Start-ups. Die sind ausgesprochen beliebt. Leider sind Start-ups meistens Scheinriesen. Sobald die Subventionen wegfallen, verschwinden 80 Prozent aller Start-ups wieder. Ich habe noch nie gesehen, dass es gelungen wäre, eine Stadt oder eine Region, die einmal kaputtgegangen ist, nur dadurch wiederaufzubauen, dass man Geld reinpumpt.
Sie haben dazu nun ein Buch geschrieben: „Abwärts in Europa“. Worum geht es und warum haben Sie sich ausgerechnet dieses Thema ausgesucht?
Ich möchte die Leute davor warnen, dass wir in sozialistische Strukturen schlittern. Es fängt schon mit den Plänen an. In der Sowjetunion haben sie Fünfjahrespläne gemacht. Hier in Brüssel sind sie cooler und machen gleich Sechsjahrespläne. Beim Green Deal planen sie sogar die nächsten 50 Jahre. Unglaublich, wie vorausschauend die hier sind. Aber Spaß beiseite: Sozialismus hat noch nie, in keinem Land der Welt, zu Wohlstand und Freiheit geführt.
Es trifft immer die kleinen Leute. Die können sich kein E-Auto vor die Tür stellen, sondern müssen ihren alten Diesel fahren, bis der auseinanderfällt. Die müssen die Heizung aufdrehen, wenn ihnen im Winter kalt wird. Die bekommen keine Subventionen. Die Großen juckt das nicht.
Sie mussten innerhalb kürzester Zeit eine zweite Auflage drucken. Wie erklären Sie sich diesen Erfolg?
Zum einen war es das richtige Thema zur richtigen Zeit, zum anderen hatte ich auch viel Hilfe durch Tino Chrupalla, dem Bundessprecher meiner Partei, und Enxhi Seli-Zacharias, einer Kommunalpolitikerin aus Gelsenkirchen, die interessante Gastbeiträge geschrieben haben. Außerdem bin ich bin wieder viel durch Deutschland gereist, um mit ganz normalen Leuten zu sprechen, was bei ihnen vor Ort los ist. Dadurch ist das Buch natürlich anschaulicher geworden.
Davon mal abgesehen ist das mein Job. Wenn wir ehrlich sind, müssen wir zugeben, dass wir politisch in Brüssel nicht viel ausrichten können, aber wir können die Ressourcen des Parlaments nutzen, um zu berichten, was hier passiert und was die noch alles mit uns vorhaben. Es gibt ja immer noch viele da draußen, die sich nicht vorstellen können, wie verrückt die hier wirklich sind.
Das Buch verstehe ich als einen Beitrag zur Aufklärung. Weil es mit Geldern der EU gedruckt wurde, ist es kostenlos und kann auf meiner Homepage bestellt werden.
Herr Reil, vielen Dank für das Gespräch!
Zur Person:
Guido Reil, Jahrgang 1970, ist AfD-Politiker und ehemaliger Bergmann. Im Jahr 2016 trat er nach 26 Jahren Mitgliedschaft aus der SPD aus und in die AfD ein. Seit 2019 sitzt er als Abgeordneter im EU-Parlament.
Das Buch von Guido Reil kann kostenlos, falls gewünscht mit Widmung, hier bestellt werden: