Habeck und die FAZ: Wie Journalisten ihre Profession verraten

Kurz vor der Bundestagswahl erhebt Plagiatsjäger Stefan Weber schwere Vorwürfe gegen Robert Habeck. Besonders interessant an der Affäre ist aber auch das Verhalten der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, wie Julian Marius Plutz in seinem Kommentar für FREILICH skizziert.

Kommentar von
12.2.2025
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4 Minuten Lesezeit
Habeck und die FAZ: Wie Journalisten ihre Profession verraten

Kurz vor der Bundestagswahl sieht sich Robert Habeck mit Plagiatsvorwürfen konfrontiert.

© IMAGO / dts Nachrichtenagentur

Es gibt Skandale, die sprechen für sich. Ihre Strahlkraft entpuppt sich als so bedeutend, dass es keinen Redebedarf mehr gibt und keinen Raum für Rechtfertigung oder Relativierung bietet. Der Fall um Claas Relotius zum Beispiel. Keiner, wirklich niemand, wollte sich auch nur im Ansatz mit dem einst hochgejubelten Journalisten gemein machen, als sich herausstellte, dass er gar kein Journalist, sondern ein Geschichtenerzähler ist.

Und dann gibt es Skandale – Stichwort Geschichtenerzähler –, die einen Skandal im Skandal evozieren. Am 10. Februar veröffentlichte das Nachrichtenportal NIUS eine Recherche, die sich auf ein Gutachten des bekannten Plagiatsjägers Stefan Weber beruft. Im Fokus: die literaturwissenschaftliche Dissertation des Kanzlerkandidaten Robert Habeck. Die Einschätzung des Experten zeigt, dass der Grünen-Politiker unwissenschaftlich und unehrlich gearbeitet hat. Konkret geht es um sogenannte Quellenplagiate. Statt die Primärquelle zu lesen – was wissenschaftlicher Standard ist –, begnügte sich Habeck an vielen Stellen mit der Sekundärquelle.

Das heißt, er suggeriert dem Leser, er habe etwas gelesen, was er in Wahrheit gar nicht gelesen hat. Außerdem macht er sich die wissenschaftliche Vorarbeit der tatsächlichen Primärquellen zu eigen. Habeck täuschte Arbeit vor, die er gar nicht geleistet hat. Das ist nicht nur einer Doktorarbeit unwürdig, sondern es suggeriert auch dem Wähler, er habe es mit einem elaborierten Intellektuellen zu tun, der viel gelesen habe. Dies mag für eine Wahlentscheidung wenig relevant sein, aber offenbar war es Habeck ein großes Anliegen, der Welt nicht nur zu zeigen, dass er der Schwarm aller Heckel-Hannelores ist, sondern dass er auch noch ein großer Denker sei.

Habeck wurde vorgewarnt

Ersteres stimmt, Letzteres sicher nicht. Oder können Sie etwas mit dem Satz anfangen: „So wie Natur als raumzeitliches Totalitätsgeschehen formal begriffen wird, wird Kultur als die bezeichnete Art und Weise einer aktuellen Bedeutungshaftigkeit aufgefasst.“ Keine Sorge, ich auch nicht. Nimmt man akademisierten Dampfplauderern die schweren Worte, bleibt nichts weiter als ein textualisiertes Testbild. Doch offenkundig ist die grünbürgerliche Bourgeoisie von Schwabing bis zum Prenzlauer Berg für akademische Worthülsen so empfänglich wie für laktosefreie Ziegenmilch im Demeter-Kopi-Luwak-Kaffee.

Doch der Skandal im Skandal ist nicht, dass Habeck nicht schreiben kann und zu faul ist, zu lesen, es aber vorgibt zu tun. Der Skandal ist, dass mutmaßlich einer von zwei FAZ-Journalisten einen der empfindlichsten journalistischen Standards gebrochen hat – nämlich den Quellenschutz. Denn laut Stefan Weber haben neben NIUS lediglich zwei FAZ-Autoren das vorläufige Gutachten erhalten. Doch noch vor der Veröffentlichung konnte sich Robert Habeck zu den Vorwürfen äußern. Er wurde also nicht nur vorgewarnt, ihm lag auch das Gutachten vor. Und da es auszuschließen ist, dass Julian Reichelt seine eigene Recherche manipuliert, bleibt nur noch das ehemalige konservative Medium aus Frankfurt übrig. Dabei wurden sie lediglich um eine Einschätzung gebeten.

Nachrichtenprofis wissen um die Kraft des Wortes

Laut dem Plagiatjäger antwortete einer der beiden, ihm fehle die Zeit. Der andere behauptete doch allen Ernstes, man solle dies nicht vor der Wahl veröffentlichen. Die Frage ist: Wann denn sonst? Etwa nach der Wahl? Stellt die Frankfurter Allgemeine Zeitung etwa ihre Mitarbeiter erst ein und liest dann den Lebenslauf? Die FAZ erweckt den Eindruck, keinen Journalismus zu betreiben, sondern lupenreinen Aktivismus. Zwar fehlte dem Medium die Zeit für die Publikation, dennoch fand der Autor Jochen Zenthöfer die Muße, nur kurze Zeit nach der Veröffentlichung von NIUS, Robert Habeck zu verteidigen.

Das einzig Positive: Dieses Schmierenstück ist hinter der Bezahlschranke, und da spätestens jetzt kein normaler Mensch mehr Geld für die FAZ ausgeben würde, bleibt die Zenthöfersche Enthüllung wohl in den Redaktionsräumen in Frankfurt.

Journalismus basiert auf Vertrauen. Die FAZ hat – wie Claas Relotius – dieses Vertrauen gebrochen. Damit sind die Protagonisten eine Gefahr für die Integrität journalistischer Arbeit und sabotieren am Ende des Tages den Pluralismus in diesem Land. Aber ich denke, das ist ihnen bewusst. Sie sind Nachrichtenprofis und wissen um die Kraft des Wortes – oder in diesem Fall um die Kraft des Nichtveröffentlichens

Auch der MDR zerstörte Vertrauen

Doch nicht nur die FAZ, auch der MDR hält es nicht so genau mit dem Quellenschutz. Wie Apollo News recherchierte beteiligte sich der jetzige thüringische Verfassungsschutzpräsident Kramer bei einer Kranzniederlegung für Gefallene der Roten Armee. Mit von der Partie waren unter anderem die extremistische Organisation Nachtwölfe. Auf einem Foto posierte Kramer mit mehreren dieser Mitglieder. Die ganze Veranstaltung wurde vom Verfassungsschutz observiert.

Mehrere Jahre kursierte laut der Recherche das Bild im Amt, ehe Mitarbeiter es veröffentlichen wollten. Also wandten sie sich an den MDR in der Hoffnung, der Sender würde journalistisch arbeiten. Doch stattdessen kontaktierten zwei Mitarbeiter des Senders Kramer – ein eklatanter Bruch journalistischer Standards.Ebenso wie die FAZ-Mitarbeiter in der Causa Habeck haben sie damit Vertrauen zerstört.

Vielleicht hat der Skandal eine reinigende Wirkung

Offenkundig ist der grüne Zeitgeist im publizistischen Juste Milieu bis hin zu ehemaligen konservativen Medien durchgedrungen. Während die Umfragewerte für linksgrüne Parteien immer weiter schwinden, wird das panische Establishment zunehmend nervöser. Und wie in diesem Fall greifen sie zu immer absurderen und plumperen Mitteln, um ihre schwindende Mehrheit zu retten.

Und so spricht auch der Skandal im Skandal für sich und wird Spuren hinterlassen. Vielleicht hat das Fehlverhalten der FAZ sogar etwas Reinigendes für den Journalismus, indem sich Kollegen wieder an die eigenen Werte erinnern und gute Arbeit statt schlechten Aktivismus betreiben. Das sollte dann allerdings ohne die Gazette aus Frankfurt geschehen, die jegliche Integrität verloren hat, sollte sie sich nicht von den beiden Kollegen glaubhaft distanzieren.

Die in Gastbeiträgen geäußerten Ansichten geben ausschließlich die Meinung des jeweiligen Autors wieder und entsprechen nicht notwendigerweise denen der Freilich-Redaktion.
Über den Autor

Julian Marius Plutz

Julian Marius Plutz, 1987 geboren, ist freier Journalist und schreibt unter anderen für Ansage, Sandwirt, Weltwoche und Jüdische Rundschau.

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