Ist Freiheit rechts? Nein!

Es war mal wieder so weit: Eine Diskussion auf Twitter, dieses Mal aber über die Frage, ob Freiheit rechts sei. Angesichts der Verhältnisse in der Bundesrepublik 2022 und der stetig voranschreitenden Einschränkungen im Zuge der Coronapandemie, aber auch der steigenden Repression nicht-linker Akteure und Ideen, scheint die Beantwortung der Frage ganz intuitiv zu sein – ja, Freiheit ist rechts.

Kommentar von
17.10.2022
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6 Minuten Lesezeit
Ist Freiheit rechts? Nein!

Es war mal wieder so weit: Eine Diskussion auf Twitter, dieses Mal aber über die Frage, ob Freiheit rechts sei. Angesichts der Verhältnisse in der Bundesrepublik 2022 und der stetig voranschreitenden Einschränkungen im Zuge der Coronapandemie, aber auch der steigenden Repression nicht-linker Akteure und Ideen, scheint die Beantwortung der Frage ganz intuitiv zu sein – ja, Freiheit ist rechts.

Es liegt daher auf der Hand, wenn zum Beispiel die Bundestagsabgeordnete Joana Cotar auf einer Kachel für Twitter die Aussage „Freiheit ist unser höchstes Gut“ präsentiert, da die AfD die einzige Opposition darstellt. Der Einstand für die Freiheit ist also das Gebot der Stunde und auch richtig – kann man deswegen jedoch Freiheit als rechts bezeichnen? Wer rechts ist, steht für die Freiheit ein? Eine Frage, die bei einer genaueren Untersuchung anders beantwortet werden muss.

Zuallererst: Was ist Freiheit? Nun könnte man an dieser Stelle auf den Philosophen Isaiah Berlin mit seiner Unterscheidung zwischen positiver und negativer Freiheit hinweisen. Hinter dieser bekannten Formel stecken „Freiheit zu“ und „Freiheit von“ – simpler gesagt: Die Freiheit von Zwang und die Freiheit zur Selbstbestimmung. Alle politischen Lager beziehen sich in unterschiedlicher Intensität auf diese beiden Freiheiten, wobei – wenn man sich hier an der Terminologie eines Ernst Noltes orientiert – die ewige Linke und Rechte einen unterschiedlichen Fokus besitzen.

Freiheit oder Emanzipation

Komprimiert man diese beiden Freiheiten auf die Formeln Autonomie und Emanzipation, lässt sich eine gewisse Zuordnung erreichen. Die ewige Linke strebt nach Emanzipation, während die ewige Rechte eine gewisse Autonomie anstrebt. Diese Zuordnung ist dabei nicht willkürlich oder aufgrund historischer Entwicklungen vorgegeben, sondern folgt dabei der inneren Logik beider Lager.

Die ewige Linke, wie Ernst Nolte erkannte, ist eine antizivilisatorische Bewegung, da eine Zivilisation zwangsläufig auch Hierarchie, Ungleichheit und Autorität bedeutet – drei Aspekte, die inmitten einer emanzipatorischen Entwicklung aufgehoben und aufgelöst werden. Kultur und Zivilisation sowie ihre konkreten Ausformungen in Form von Familie, Moral oder Religion werden als Bürde oder Last verstanden, die den wahren Menschen verdecken oder – marxistisch gesprochen – entfremden. In dieser Argumentationslinie müssen die Argumentationslinien der ewigen Linken verstanden werden: Angefangen von den sozialrevolutionären Klagen eines Jesajas im alten Israel, über die beginnende Aufklärung in Frankreich bis zu Marx und den Neomarxisten.

Aufhebung der Selbstentfremdung

Die angesprochene Entfremdung, die linke Philosophen bei der Menschwerdung erkannten und die sich später in den Produktionsverhältnissen materialisierte und kristallisierte, soll durch die Reintegration des Menschen in die Natur aufgehoben werden – sprich: Der Mensch wird in die Natur reintegriert. Marx sprach an dieser Stelle von der Rücknahme des Menschen in seine Gattung. Neomarxistische Philosophen wie Marcuse entwickelten mit ihren Konzepten der repressiven Toleranz und der Selbstentfremdung in der industriellen Massenkultur einen gewissen entmaterialisierten Marxismus – nicht mehr die Produktionsverhältnisse, also der Unterbau, müssen revolutioniert werden, sondern der Überbau, der die geistigen Ausformungen wie Recht und Moral bezeichnet. Die anthropologische Revolution zielt auf das Bewusstsein, nicht auf das Eigentum. Durch die Sprengung der Kultur und dem Ausstieg aus der Geschichte sollen die Ketten des Menschen gesprengt werden.

Freiheit im Sinne von Emanzipation bedeutet also konsequent zu Ende gedacht die Auflösung. In diesem Sinne ist Freiheit für linke Kräfte immer noch ein großes Motiv: Es geht nicht nur darum, jungen Menschen „die Freiheit zu ermöglichen, ihr Geschlecht frei zu wählen“, sondern um einen geschichtsphilosophischen Auftrag, weshalb die postulierte Freiheit faktisch auch in Unfreiheit umschlagen kann. Wenn am Ende der emanzipierte freie Mensch steht, dann sind auf dem Weg auch Opfer zu bringen – wo gehobelt wird, fallen Späne. Hier zeigt sich der jakobinische Zwang zur Freiheit, der zur „Furie des Verschwindens“ (Hegel) mutiert. Weitgehende Eingriffe in die persönliche Freiheit in Form von Quarantäne oder Meinungsäußerungen sind also keine Widersprüche zum Auftrag der Linken, den Menschen zu befreien. Das Ziel der Freiheit wirkt dann oft nur vorgeschoben, wie zum Beispiel bei der vermeintlichen Wahlfreiheit einer Frau zwischen Karriere oder Familie – für linke Akteure ist diese Wahlfreiheit höchstens formell, aber nicht real.

Nur mit dem Bürgertum

Dass die Freiheit am Ende letztendlich ihre Aussagekraft bei der ewigen Linken verliert, ist die zwingende logische Konsequenz. Außerhalb einer bürgerlichen Gesellschaft stellen bürgerliche Begriffe, die der Freiheit auch einen substanziellen Inhalt geben, keinen Wert mehr da. Wird der Mensch auf linken Wegen zurück in die Natur reintegriert, passiert eine Devolution: Der Mensch verlässt Kultur und Zivilisation und geht zurück ins Dasein eines Herdentieres. Der Begriff Freiheit, der erst angesichts solcher Fakten wie Familie, Religion und Gesellschaft eine Kontur und auch ein Ziel bekommt (von was soll der Mensch frei sein? Zu was benötigt er diese Freiheit?), zerfällt, da selbst die Ebene einer Sprache – die, wie wir mittlerweile laut linken Ideologen wissen, auch nur ein Mittel zur Repression darstellt – im Zuge der Emanzipation nicht mehr zur Kommunikation genutzt werden kann. Die vollständige Emanzipation im Sinne der Linken ist also Zerfall und verkehrt zu einer Nicht-Emanzipation. Die Tendenz, die die Frankfurter Philosophen Horkheimer und Adorno beschrieben haben, dass die Aufklärung in ihr Gegenteil umschlägt, kann hier genauso angewendet werden: Die Freiheit schlägt konkret und auch in letzter Konsequenz in ihr Gegenteil um.

Diese Dialektik der Freiheit – sprich: der Mensch soll aus seiner Unfreiheit befreit werden, gelangt dabei aber nur in eine andere Form der Unfreiheit – steht in einem totalen Gegensatz zum rechten Verständnis der Freiheit im Sinne der Autonomie. Diese ist einerseits Ziel, andererseits auch Mittel bzw. Konsequenz rechter Prämissen und Wahrheiten. Ein Mängelwesen Mensch benötigt Institutionen, um durch deren Entlastungsfunktion stabile Ordnungen schaffen zu können. Die Autonomie des Menschen in einer stabilen Ordnung sichert die Nachhaltigkeit des politischen Systems, da so eine Kristallisierung verhindert werden kann – ein autonomer Mensch ist schwerer für eine totalitäre Gesellschaft zu begeistern und einzuspannen. Die Reaktionen der Bundesbürger auf die Coronamaßnahmen geben ein gutes Beispiel: Wir haben es nicht mit autonomen, sondern mit verhausschweinten Menschen zu tun, die jede Maßnahme brav befolgen. Die Sicherstellung eines autonomen Menschen ist dementsprechend die Konsequenz einer politischen Klugheit.

Die Prämissen der Anthropologie

Die Autonomie eines Menschen gewinnt jedoch nur an Sinn und Substanz, wenn das Bezugssystem klar definiert wird. Ein autonomer Mensch ohne Bezugsystem ist in letzter Konsequenz auch nur ein emanzipierter Mensch, da die Fragen, in welchem System oder auf welcher Ebene ein Mensch autonom ist, ins Leere laufen. Während die Linke hier schnell an die Grenzen kommt und höchstens pseudo-metaphysische Bestimmungen wie das Gattungswesen Mensch bemühen kann, die aber oft blutleer werden und verkleidete materialistische Prämissen darstellen, eröffnet sich den Rechten hier ein Zugriff auf Argumentationslinien, die ins Religiöse und Anthropologische gehen. Die Autonomie gewinnt ihre Basis, wenn sie als Verantwortung vor Gott, aber auch als Geschenk Gottes verstanden wird, oder – wenn man es rationalistischer will – als ein Produkt der menschlichen Vernunft, welches einen Einblick in die Naturgesetze ermöglicht, interpretiert wird. Die autonome Freiheit ist also gebunden und somit relativ – gebunden an die Verantwortung vor Gott und an die menschliche Vernunft. Der Mensch kann dementsprechend nicht über sie hinausgreifen und sich von allem emanzipieren.

Der Mensch im rechten Verständnis ist also kein Prometheus-Mensch, der in seiner absoluten Freiheit durch Emanzipation zur Gottwerdung emporsteigt, sondern die autonome Freiheit als Last, aber auch Geschenk versteht.

Anders als Linke verstehen Rechte also die Freiheit nicht als einen vorstaatlichen – anders gesagt: vorzivilisatorischen – Zustand, sondern als eine Dimension, die in einem Spannungsverhältnis zu anderen wie Gott und Vernunft, aber auch zur politischen Klugheit steht. Um ein Beispiel der antiken Geschichte zu bringen: Die Bürger der attischen Polis waren nicht freie Bürger, um alleinig frei zu sein, sondern um verantwortungsbewusste Politik für die Stadt zu machen. Freiheit war Voraussetzung, aber nicht das einzige Ziel, weshalb die Verteidigung der Freiheit und Autonomie ein wichtiger Bestandteil für die Verteidigung gegen die Perser darstellte. Der Hoplit starb aber nicht für die abstrakte, hypothetische Freiheit, sondern für die konkrete freiheitliche Verfassung seiner Polis.

Freiheit fungiert also für einen Rechten nicht als erstes Prinzip, sondern gesellt sich zu anderen Prämissen und Prinzipien, die zu den Grundlagen rechten Denkens gehören.

Freiheit ist multidimensional

Kann man nach diesen Überlegungen Freiheit als rechts bezeichnen? Ja, aber nur im konkreten, nicht im abstrakten Sinne.

Für die heutigen Verhältnisse bedeuten die hier geschriebenen Zeilen auch gewisse Instruktionen: Eine rechte Partei muss gewiss freiheitlich sein, aber nicht im ersten Sinne liberal. Die Autonomie muss erreicht und geschützt werden. Konkrete Forderungen sind demnach also die Verteidigung der persönlichen und geistigen Freiheit auf der politischen Ebene, sowie der Vollzug einer anthropologischen Gegenrevolution – eine autonome Freiheit setzt höhere Ansprüche an das Wesen Mensch als die emanzipierte Freiheit und benötigt einen Vermittler, Denker wie Ernst Nolte oder Hegel dachten hierbei an den Staat. Der Umgang mit dem Begriff Freiheit kann – zumindest in der intellektuellen Auseinandersetzung – nicht mit einem simplen Wunsch nach Freiheit oder der Verabsolutierung der Freiheit enden. Freiheit muss im Verbund mit anderen Dimensionen gedacht werden, um so nicht unbewusst auf den Wegen der Linken und Liberalen zu wandern.

Die in Gastbeiträgen geäußerten Ansichten geben ausschließlich die Meinung des jeweiligen Autors wieder und entsprechen nicht notwendigerweise denen der Freilich-Redaktion.
Über den Autor

Bruno Wolters

Bruno Wolters wurde 1994 in Deutschland geboren und studierte Philosophie und Geschichte in Norddeutschland. Seit 2022 ist Wolters Redakteur bei Freilich. Seine Interessengebiete sind Ideengeschichte und politische Philosophie.

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