Junge Politiker und Berufserfahrung – warum wir Rechten anders denken sollten

In der AfD wird derzeit heftig darüber diskutiert, wie viel Berufs- und Lebenserfahrung Bewerber für ein Abgeordnetenmandat mitbringen sollten. Diese Diskussion basiert noch auf dem Koordinatensystem der alten BRD und führt in die falsche Richtung, meint der stellvertretende FREILICH-Chefredakteur Bruno Wolters.

Kommentar von
2.8.2023
/
5 Minuten Lesezeit
Junge Politiker und Berufserfahrung – warum wir Rechten anders denken sollten

Die Europa-Kandidatin Mary Khan-Hohloch

© AfD

In der AfD rumort es – mal wieder. Der Grund: Die Kandidatur einer jungen Nachwuchspolitikerin. Mary Khan-Hohloch hat sich am vergangenen Wochenende auf der Europawahlversammlung der AfD erfolgreich um einen Listenplatz beworben. Mit Platz 14 wird sie aller Voraussicht nach ab 2024 Abgeordnete in Brüssel und Straßburg sein – für die 28-Jährige, die bisher noch keine Erfahrungen als Mandatsträgerin sammeln konnte, ein durchaus großer Einstand. Khan-Hohloch studierte Religionswissenschaften und Öffentliches Recht und engagierte sich bis 2022 in der Jungen Alternative, zudem trat sie häufig als Moderatorin bei AfD-Veranstaltungen auf. Die Familienmutter, die mit dem brandenburgischen Landespolitiker und AfD-Bundesvorstandsmitglied Dennis Hohloch verheiratet ist und mit ihm eine Tochter hat, ist also schon eine gewisse Veteranin – nur eben nicht als Mandatsträgerin.

Ihre Kandidatur hat viel Ärger und Wut hervorgerufen, da einige mit ihrer Kandidatur unzufrieden sind. Eine Reihe von Vorwürfen stehen im Raum: Vetternwirtschaft durch ihren Ehemann, mögliche Einflussnahme auf die Delegierten oder auch falsche biografische Angaben. Keiner der Vorwürfe konnte bisher stichhaltig belegt werden, noch hat Khan-Hohloch versucht, sie zu entkräften. In Telegram-Kanälen kursiert sogar ein Antrag für den Parteitag, der sich mit der Causa Khan-Hohloch befasst und einen Verzicht auf die Kandidatur erreichen will. Es ist viel Druck im Kessel.

Einige Vorwürfe stehen im Raum

Ein Punkt der Vorwürfe, nämlich die offenen Fragen zum Lebenslauf, ist bei der AfD ein Thema, das seit Jahren immer wieder heiß diskutiert wird. Der Grund: Die AfD will sich bewusst gegen die Berufspolitiker der Altparteien positionieren. Das Modell der Etablierten, nämlich „Kreißsaal, Hörsaal, Plenarsaal“, soll bei der AfD keine Fortsetzung finden. Zunehmend entsenden die Altparteien auch Akteure in die Parlamente, die weder über eine Berufsausbildung noch über ein abgeschlossenes Studium verfügen. Als Partei des kleinen Mannes will man keine Funktionäre heranzüchten, die mehr an die eigene Karriere als an das Volk denken – zumindest in der Theorie. Politik als Lebensaufgabe und als Broterwerb? Das ist bei der AfD immer noch verpönt, vor allem bei der älteren Generation. Dementsprechend mussten die Bewerber am Wochenende auch angeben, wie viel Berufserfahrung sie außerhalb der Politik vorweisen können – eine reine Informationspflicht ohne Konsequenzen.

Khan-Hohloch ist mit Ende 20 noch jung, ihr Studium hat sie nach eigenen Angaben vor einigen Jahren abgeschlossen. Ebenso verwies sie auf vier Jahre Berufserfahrung außerhalb der Politik – das wurde nun angezweifelt. Die Argumentation: Das kann nicht stimmen, sie hat keine Erfahrung außerhalb des AfD-Parteibetriebs, da sie ihr Studium erst vor kurzem abgeschlossen hat. Nun sieht sich die junge Frau im Visier einiger, die das Thema Lebens- und Berufserfahrung aus den bereits genannten Gründen wie eine heilige Kuh behandeln. Damit tut sich die Partei keinen Gefallen.

Pauschale Urteile sind falsch

Zuallererst: Inwieweit soll dieser Punkt überhaupt etwas über die Qualitäten und Fähigkeiten eines Bewerbers aussagen? Ein Beispiel: Ist jemand, der zehn Jahre als Pädagoge gearbeitet hat, in irgendeiner Weise besser für ein Mandat qualifiziert als jemand, der beispielsweise als Jurist direkt nach dem Studium eine Stelle als Referent bei der AfD angenommen hat und jahrelang Pressemitteilungen, Reden und Gesetzentwürfe vorbereitet hat? Sicher: Ein Blick auf Ausbildung und Berufserfahrung kann bei der ersten Einschätzung eines Bewerbers helfen, sollte aber nicht pauschal als alleinige Orientierung dienen. Denn schließlich gehört zu einem Politiker mehr als nur Fachwissen oder ein erfolgreiches Berufsleben. Werte und Tugenden wie Verantwortung, Disziplin und Pflichtbewusstsein kann man sich auch außerhalb des Berufslebens aneignen. Politisches Talent findet man nicht in den Büros von Dienstleistern, sondern in Parteien.

Außerdem: Es ist für die junge Generation logisch nicht mehr möglich, erst 20 Jahre lang Erfahrungen in der Privatwirtschaft zu sammeln, weil die Politik jetzt unser Land zerstört. Warten ist keine Option. Die jungen Menschen sind heute mit den Folgen und Konsequenzen der katastrophalen Politik der letzten Jahrzehnte konfrontiert. Es ist schizophren, diese Idealisten jetzt dafür zu bestrafen, dass sie sich über die heutigen Zustände empören, sie ändern wollen und dies über die politischen Institutionen versuchen, indem sie in Ämter und Mandate gelangen. Wer unser Land retten will, muss nicht zehn Jahre lang von seinem Chef gegängelt worden sein, um dies dann als „Berufserfahrung“ vorweisen zu können. Einerseits verzieht man das Gesicht vor den „Klimahüpfern“ der Grünen und Linken, andererseits will man die eigene nachfolgende Generation nicht nach oben lassen. Das ist Selbstsabotage.

Die junge Generation ist idealistisch

Hinzu kommt, dass es für einen jungen Rechten schwierig ist, in der Privatwirtschaft Fuß zu fassen und Karriere zu machen. Das Privileg, das die Älteren unter uns jahrelang hatten, nämlich unbehelligt von den großen politischen Fragen eine Karriere verfolgen und erfolgreich abschließen zu können, weil man in der alten BRD noch ungestört leben und den kleinbürgerlichen Traum von Haus, Frau, Kindern und Dackel verwirklichen konnte, das haben wir Jungen nicht mehr. Wer heute nicht gendert, kann an der Uni durch Prüfungen fallen. Kürzlich wurde eine Lehrerin rausgeworfen, weil sie die Migrationspolitik kritisierte. Antifa und die linke Zivilgesellschaft verfolgen jeden Rechten auf Schritt und Tritt, es folgen Schikanen und Diffamierungen. Wer rechts ist und sich offen dazu bekennt, hat in der Privatwirtschaft keine oder schlechtere Karrierechancen. Wir haben also nicht mehr die Bonner Republik, in der Karriere für jeden möglich war.

Auch der Vorwurf, die Jungen wollten sich nur an den Diäten bedienen, ist lächerlich. Warum unterstellt man unseren jungen Politikern von vornherein, sie wollten sich nur an den Diäten bereichern? Möglicherweise sagt der Vorwurf selbst etwas über die Geisteshaltung der Kritiker aus – vielleicht Neid oder Gier, weil man es selbst nicht in die Ämter geschafft hat? Aber abgesehen davon: Haben nicht erfolgreiche Jungpolitiker wie Matthias Helferich oder Carlo Clemens, die ein Mandat erringen konnten, gezeigt, dass diese irrationale Skepsis fehl am Platz ist? Beide haben mit großem Engagement und Tatkraft gezeigt, dass sie ihre Diäten eben nicht für Hausrenovierungen und teure Urlaube verwenden, sondern in sinnvolle Strukturen wie Wahlkreisbüros oder Vorfeldorganisationen investieren. Etwas, was übrigens viele ältere Mandatsträger nicht tun, zumal ihnen auch die Sensibilität dafür fehlt.

Der Unterschied zwischen links und rechts

Man kann den Spieß auch umdrehen. Was würden die Älteren sagen, wenn man sie bei jeder Kandidatur fragen würde, welche Partei sie in den 80er- und 90er-Jahren gewählt haben? Warum sie damals politisch so passiv waren? Schließlich waren es die geburtenstarken Jahrgänge, die uns Jungen diese miserablen Verhältnisse hinterlassen haben, während sie fleißig Berufs- und Lebenserfahrung gesammelt haben. Inwieweit ist Lebenserfahrung in der BRD noch ein vorzeigbarer Wert, wenn sie für eine Biedermann-Haltung steht? Ich will keine Generation pauschal verteufeln, aber diese Generation sollte sich wirklich davor hüten, mit großer Skepsis auf die Jungen zu schauen. Denn wenn man wirklich einen Generationenvergleich machen würde, dann stünden die Babyboomer sicher nicht besser da.

Natürlich gibt es auch unter den Jugendlichen schwarze Schafe. Vor allem bei den Altparteien gibt es solche, die Politik nur als Lebensunterhalt sehen und dementsprechend brave Lemminge sind. Aber es gibt einen großen Unterschied zu rechten Nachwuchspolitikern. Linke und grüne Überzeugungen sind vor allem Glaubensbekenntnisse. Sie müssen nicht an der Lebenswirklichkeit überprüft werden. Eine „gute“ Gesinnung kann auch von einem Zyniker oder Unqualifizierten vorgetäuscht werden, um in linken Parteien Karriere zu machen. Natürlich ist eine richtige Gesinnung auch für uns Rechte wichtig, aber sie ist immer an die Wahrheit und die Wirklichkeit gebunden. Wer links die Utopie verspricht, macht Karriere. Wer es rechts tut, wird zu Recht skeptisch beäugt.

Es bleibt dabei: Die Jugend ist unsere Zukunft. Wer sie aus niederträchtigen und falschen Gründen ausgrenzen will, schadet Deutschland. Die AfD täte gut daran, endlich fair und gerecht mit der Jugend umzugehen. Berufserfahrung darf kein alleiniges Ausschlusskriterium mehr sein. Dennoch haben wir Jungen auch die Pflicht, mit einer gewissen Demut an die Sache heranzugehen: Keine Lügen über den eigenen Lebenslauf, genauso wenig sollte man vorschnell versuchen, in ein Mandat zu kommen. Als junger Mensch hat man viel Zeit – die sollte man nutzen.

Die in Gastbeiträgen geäußerten Ansichten geben ausschließlich die Meinung des jeweiligen Autors wieder und entsprechen nicht notwendigerweise denen der Freilich-Redaktion.
Über den Autor

Bruno Wolters

Bruno Wolters wurde 1994 in Deutschland geboren und studierte Philosophie und Geschichte in Norddeutschland. Seit 2022 ist Wolters Redakteur bei Freilich. Seine Interessengebiete sind Ideengeschichte und politische Philosophie.

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