Mayer (FPÖ): „Der Green Deal wird zum Green Desaster“

Der 2019 von Ursula von der Leyen vorgestellte Green Deal ist ein zentrales Element der EU-Klimapolitik mit dem Ziel, die Netto-Treibhausgasemissionen bis 2050 auf null zu reduzieren. FREILICH sprach mit dem FPÖ-Europaabgeordneten Georg Mayer über den Green Deal, das Lieferkettengesetz und Künstliche Intelligenz.

Stefan Juritz
Interview von
7.4.2024
/
6 Minuten Lesezeit
Mayer (FPÖ): „Der Green Deal wird zum Green Desaster“
© Heimatkurier

FREILICH: Die EU will energieeffizienter werden und den Energieverbrauch bis 2030 um 11,7 Prozent senken. Was ist die freiheitliche Position zu dieser Energieeffizienzrichtline der EU?

Georg Mayer: Sie ist ein Teil des „Green Deal“ und dieser „Green Deal“ wird zum „Green Desaster“ für Europa, wenn es so weitergeht. Die EU will nun den Menschen vorschreiben, ihre Häuser bis 2050 energieeffizient umzubauen. Bis 2030 soll das bei den Neubauten geschehen, was ja noch verständlich ist. Aber auch in Altbauten werden Gas- und Ölheizungen verboten. Das heißt, ich muss mir eine alternative Heizung überlegen. Ob das jetzt die Wärmepumpe ist oder was auch immer – das wird erhebliche Kosten verursachen. Dazu kommen noch die Kosten, um alles zu dämmen und neue Fenster einzubauen. Wir haben das ausgerechnet: Diese Investitionen werden bis zu 30.000 Euro pro Haushalt kosten.

Wie immer in der Europäischen Union wird wieder einmal Zwang ausgeübt. Man zwingt die Menschen dazu, das zu machen, anstatt Anreize zu schaffen. So geht das nicht. Es ist der nächste EU-Wahnsinn, wo die Leute sowieso schon kein Geld mehr haben, weil sie sich die Energie nicht mehr leisten können.

Und was noch dazu kommt: Mit dem „Green Deal“ kommt auch ein Atomstrom-Revival durch die Hintertür. Das ist für uns Österreicher natürlich besonders interessant und auch gefährlich, weil wir das nicht wollen. Die Franzosen bauen 25 neue Kraftwerke, die Tschechen bauen auch neue Kraftwerke und wir haben das Kraftwerk in Krško an der kroatisch-slowenischen Grenze. Wir brauchen uns um den Klimawandel keine Sorgen zu machen, wenn dieser alte Meiler hochgeht. Das sind Dinge, die man von Seiten der EU einmal angehen könnte, dass man diese alten Atomkraftwerke abschaltet. Und gleichzeitig steht fest, dass wir unseren Energiebedarf nicht nur mit Windrädern und Solarenergie decken können.

In der ID-Fraktion gibt es sehr unterschiedliche Positionen zur Atomkraft.

Ja, die Franzosen zum Beispiel sind natürlich für Atomkraft, die wollen uns den Atomstrom ja auch verkaufen. Wenn die Deutschen und wir nur Windräder bauen, werden wir den Strom irgendwoher brauchen und das wird dann der französische Atomstrom sein. Die Franzosen brauchen nicht so viele Windräder, die bauen lieber Atomkraftwerke.

Wie könnten wir den Energiebedarf denn künftig decken, wenn wir nicht auf Atomkraft zurückgreifen wollen? Und können wir in diesem wichtigen Bereich unabhängig sein?

Mayer: Momentan bleibt uns nur die Option, die man uns damals eingetrichtert hat. Gas ist ein billiger und effizienter Rohstoff, mit dem ein Großteil unserer Industrie funktioniert. Auch Öl ist, selbst mit den ganzen Klimamaßnahmen, ein bestimmender Faktor in vielen Bereichen. Dahingehend sollten wir natürlich erneuerbare Ausbauen, und selbstverständlich dort wo sie Sinn machen und nicht Wälder mit Windrädern vollpflastern, nur, weil diese die Landschaft dann als „klimaschonend“ ausschmücken. In der Energiepolitik sind zwei Faktoren ausschlaggebend: Effizienz und Sicherheit. Momentan macht die EU das genaue Gegenteil und verlässt sich auf das Risikoprojekt Atomenergie.

Kommen wir zu den Energiepreisen, die in den vergangenen Jahren auf Rekordniveau angestiegen waren. Woran lag das?

Das waren die völlig nutzlosen Sanktionen gegen Russland. Was wir erleben, ist, dass die Russen jetzt ihre Energie halt nach Indien und Ostasien verkaufen und wir sie dann teilweise sogar von den Indern wieder zurückkaufen. Das heißt, russisches Gas geht nach Indien und kommt dann nach Deutschland zurück. Und wenn man weiß, dass die deutsche Regierung auch noch zwei Milliarden Euro als Entwicklungshilfe nach Indien pumpt, dann wird klar, dass sich da die Katze in den Schwanz beißt.

Wir haben verabsäumt, rechtzeitig für Energiesicherheit zu sorgen. Und jetzt wollen uns natürlich die Amerikaner ihr teures LNG-Gas verkaufen. Da fragt dann auch wieder kein Grüner, wo das herkommt. Denn das wird alles mit Fracking produziert, aber das ist den Grünen anscheinend egal. Hauptsache, es wird so getan, als würde etwas „grüner“, was de facto nicht der Fall ist.

Gibt es bei diesem „Green Deal“-Projekt der EU eigentlich auch positive Aspekte oder lehnt die FPÖ hier wirklich alles ab?

Nein, da gibt es nichts Positives. Sprechen wir einmal über die deutsche und österreichische Automobilindustrie, denn die Volkswirtschaften sind sehr stark miteinander verflochten. Wir wissen, dass die Deutschen für dieses Jahr ein Wachstum ihrer Volkswirtschaft von 0,2 Prozent prognostizieren, was vermutlich sogar weniger werden wird. Das werden wir in Österreich auch erleben. Das heißt zum Beispiel, dass unsere Zulieferer, die in Graz sind – dieser Autocluster –, ein Riesenproblem bekommen werden, weil einfach die Industrie aus Deutschland abwandert.

Ein Paradebeispiel ist der Motorsägenhersteller Stihl. Der ist Weltmarktführer und verlagert jetzt seine Produktion in die Schweiz. Obwohl dort das Lohnniveau wesentlich höher ist als in Deutschland, produzieren sie in der Schweiz billiger. Das ist leider der Weg, den wir mit dieser verfehlten Politik von Ursula von der Leyen, die da federführend ist, eingeschlagen haben. Da ist aber auch die ÖVP mit dabei, also die EVP-Fraktion, und mit ihr die Sozialisten, die das natürlich alles unterstützen.

Jetzt vor der Wahl versucht man ein bisschen zurückzurudern – Stichwort Verbrennungsmotorenverbot. Da heißt es jetzt: „Das wird so doch nicht kommen.“ Aber nach der Wahl wird das alles wieder anders sein und diese Religion – nichts anderes ist diese „Klimaneutralität“ – wird weiterverfolgt werden. Und wenn man weiß, dass Europa nur acht Prozent des weltweiten CO2-Ausstoßes verursacht, dann weiß man, wie wirkungslos die EU-Maßnahmen sein werden.

Sollen wir Europäer uns also gar nicht um Klimaschutz kümmern?

Die Pflicht der Politik ist es, sich um die Sorgen der Menschen zu kümmern und diese auch angemessen zu betreuen und entsprechende Lösungen zu finden. Was in den letzten Jahren auf EU-Ebene hinsichtlich Klimaschutz passiert ist, gleicht einer regelrechten Hysterie, bei der jene, die an den „Green Deal“ und die Maßnahmen dieses Deals zweifelten, in eine Ecke gestellt wurden und lächerlich gemacht wurden. Man sollte sich sehr wohl um den Klimaschutz kümmern, aber nicht so, dass man alles dieser Sache unterordnet und damit den Wohlstand und die Zukunft des Kontinents und somit seiner Menschen gefährdet.

Mitte März haben sich die EU-Staaten jetzt doch noch auf ein Lieferkettengesetz geeinigt. Die SPÖ-EU-Abgeordnete Evelyn Regner begrüßt die Einigung, weil damit große Unternehmen in die Pflicht genommen werden, für den Schutz von Beschäftigten und Umwelt entlang der gesamten Lieferkette zu sorgen. Die Industriellenvereinigung spricht hingegen von einem „Bürokratiemonster“, das die Deindustrialisierung Europas vorantreibt. Wer hat Recht?

Dem Lieferkettengesetz zufolge hätten europäische Firmen ab 500 Mitarbeitern kontrollieren müssen, ob ihre Geschäftspartner außerhalb der EU die Menschenrechte einhalten und die Umwelt schützen. Und zwar über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg, vom Rohstoff bis zum fertigen Produkt. Von Anfang an ist dieses Gesetz völlig unsinnig gewesen, da man europäischen Unternehmen Verantwortung aufbürdet, die sie weder beeinflussen noch effektiv kontrollieren können. Da müssen sich also die europäischen Unternehmen auf saftige Schadensersatzklagen einstellen. Daher wird es zu einer Abwanderung von Unternehmen und Industrie aus Europa kommen. Ein weiteres Beispiel EU-ideologischer Maßnahmen, die den Wohlstand des Kontinents nicht nur gefährden, sondern sogar vernichten. 

Die EU will Künstliche Intelligenz regulieren und hat dazu einen Rechtsrahmen beschlossen. Sind Sie mit dem Ergebnis zufrieden?

Je höher die potenziellen Gefahren einer KI-Anwendung, desto strenger wird der für sie geltende Rechtsrahmen. Ein guter Ansatz, aber dass ausgerechnet der starre Beamtenapparat der vollkommen intransparenten EU-Kommission das Risiko einer Anwendung einschätzen soll, empfinde ich noch immer als großen Nachteil. Die Kommission wird durch den KI-Rechtsrahmen ermächtigt, selbst darüber zu entscheiden, welche Anwendung in welchen Klassifizierungsrahmen fällt. Dies macht sie mittels delegiertem Rechtsakt – und damit im Normallfall ohne Mitwirkung der beiden Co-Gesetzgeber Rat und EU-Parlament. Die verhältnismäßig lange Dauer der Einigung zum Rechtsrahmen will man nun mit den zahlreichen Ermächtigungen zu delegierten Rechtsakten wieder gut machen. Dies scheint auf den ersten Blick zwar effizient, zieht aber die Gefahr nach sich, dass inhaltlich essenzielle Entscheidungen in undurchsichtiger Art und Weise getroffen werden und man den eigentlichen Gesetzgeber vor vollendete Tatsachen stellt.

Wie bewerten Sie die Situation Österreichs in der KI-Forschung. Braucht es mehr Geld in diesem Bereich?

Ich glaube, KI wird in den nächsten zehn Jahren eines der dominierenden Gebiete sein, die sich mit rasanter Geschwindigkeit weiterentwickeln. Es wird alle Lebensbereiche betreffen und birgt neben den immensen Vorteilen natürlich auch immense Gefahren. Österreich, aber auch Europa darf diese Entwicklung nicht verschlafen und sollte entsprechende Maßnahmen aber auch Maßstäbe setzen, die zum Beispiel einen eigenen KI-Sektor im Land durch Start-Ups oder dergleichen fördern. In diesem Zusammenhang wäre natürlich eine entsprechende Steuerentlastung und die Bekämpfung von Teuerung und Inflation angebracht. Dies können wir nur erzielen, wenn sich die gesamte europäische Politik weg von ideologischen, linkslastigem Firlefanz und hin zu einer beständigen und fortschrittlich entwickelten Politik orientiert.

Herr Mayer, vielen Dank für das Gesrpäch!


Zur Person:

Georg Mayer ist FPÖ-Politiker und seit Juli 2014 Mitglied des Europäischen Parlaments. Zuvor war er von 2010 bis 2014 Mitglied des Steirischen Landtags und freiheitlicher Klubobmann.