Nach Datenleck: ORF-Journalist empört mit Telefonbuch-Vergleich
Für Wirbel in der österreichischen Innenpolitik und Medienlandschaft sorgt derzeit die öffentliche Zugänglichkeit von etwa einer Million sensibler Privatadressen.
Wien. – Am Donnerstag stellte sich heraus, dass das „Ergänzungsregister“ des Wirtschafts- und des Finanzministeriums die privaten Anschriften von mindestens einer Million Österreicher abrufbar machte. Darunter befanden sich etwa solche des Präsidenten, von Abgeordneten des Nationalrats, von Journalisten – aber auch die Daten von zahlreichen kleinen Selbständigen. NEOS und der Verein Epicenter-Works als Aufdecker sprechen vom „größten Datenskandal der Republik“, erst vergangene Nacht wurde der Zugang gekappt.
ÖVP spielt Causa herunter: „Künstliche Aufregung“
Für weitaus weniger Aufregung sorgt die Neuigkeit aber bei anderen Akteuren der Öffentlichkeit. So sieht ÖVP-Klubobmann August Wöginger einen „peinlichen Irrtum der NEOS“, es handle sich lediglich um „künstliche Aufregung“ und einen Versuch, ein bereits vor über zehn Jahren unter SPÖ-Kanzler Werner Faymann eingerichtetes Register zu skandalisieren. Die NEOS legten „Wissenslücken, Unwissenheit und Ahnungslosigkeit“ an den Tag, so Wöginger in einer Aussendung.
ORF-Journalist zieht pikanten Telefonbuch-Vergleich
Locker nimmt das auch ein Journalist des öffentlich-rechtlichen ORF. Hannes Auer, der als Moderator für Burgenland heute fungiert, schrieb auf Twitter: „Das Entsetzen um den ‚größten Datenskandal der Republik‘ belegt vor allem eine Änderung der Kultur. Früher hätte das niemanden aufgeregt – man nannte es ‚Telefonbuch‘.“ Zahlreiche Nutzer reagierten mit wütenden Kommentaren auf das Gleichnis, warfen Auer eine Verharmlosung der Tatsachen vor.
Das Entsetzen um den "größten Datenskandal der Republik" belegt vor allem eine Änderung der Kultur. Früher hätte das niemanden aufgeregt – man nannte es "Telefonbuch".
— Hannes Auer (@HannesAuer) May 8, 2020
Veröffentlichung könnte verfassungswidrig sein
Diesen Vergleich wollten auch NEOS als treibende politische Kraft hinter den Enthüllungen nicht gelten lassen. Zum einen sei es möglich, etwa mit einer Software den gesamten Datensatz einfach abzuziehen. Weiters gäbe es keine Schutzmöglichkeit, die Entfernung aus dem Register wäre nicht einmal möglich, wenn eine Person gestalkt würde oder aus beruflichen Gründen ein besonderes Schutzbedürfnis habe. Zuletzt, so die liberale Partei, stünden sogar in Fällen, wo es eine Firmenadresse gebe, die Privatadresse dort.
Epicenter.Works, eine Einrichtung, die sich vordergründig dem Datenschutz widmet, moniert zudem: „Es fehlen die technischen und organisatorischen Maßnahmen, um die Rechte der Betroffenen nach DSGVO [Datenschutz-Grundverordnung, Anm. d. Red] zu schützen.“ Dass nicht nur Daten aus dem Firmenregister öffentlich gewesen seien, widerspreche geltenden Gesetzen, die teilweise sogar im Verfassungsrang stünden. Betroffen sei jeder, der einmal selbständige Einkünfte bezog, betont die Plattform.