Regierung unter Zugzwang: Das Hick-Hack um Lockerungen geht weiter

Mal ist es der türkise Kanzler, mal der grüne Gesundheitsminister, der mit einer Vorstellung, wie die nächsten Öffnungsschritte auszusehen haben, vorprescht. Die Opposition übte scharfe Kritik an diesem ständigen Hick-Hack – und auch aus den Ländern kommen weitere Forderungen.
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Regierung unter Zugzwang: Das Hick-Hack um Lockerungen geht weiter

Symbolbild: Freepik

Mal ist es der türkise Kanzler, mal der grüne Gesundheitsminister, der mit einer Vorstellung, wie die nächsten Öffnungsschritte auszusehen haben, vorprescht. Die Opposition übte scharfe Kritik an diesem ständigen Hick-Hack – und auch aus den Ländern kommen weitere Forderungen.

Wien. – Das Pfingstwochenende ist normalerweise nicht immer für seinen Reichtum an Auftritten am politischen Parkett bekannt. Diesmal hingegen kommt es im Vorfeld eines Gipfels am Freitag, der sich mit allfälligen weiteren Lockerungen beschäftigen sollte, zu Verstimmungen innerhalb der Koalition. Als Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) am Rande eines EU-Treffens von Öffnungen am 17. Juni sprach, zeigte sich der grüne Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein zuerst abwartend – ehe er sich diese nun sogar eine weitere Woche früher vorstellen kann.

Große Debatte um kleine Öffnungsschritte

Eines ist klar: Eine vollständige Öffnung ist weder das eine noch das andere Modell. Denn die Schritte beträfen vor allem Regelungen, die teilweise erst durch die jüngste Novelle Realität wurden. So soll etwa die Maskenpflicht bei Veranstaltungen im Freien fallen oder abgeschwächt werden – diese ist erst seit der Vorwoche in Kraft. Kurz kann sich auch vorstellen, dass sich mehr Personen gleichzeitig im privaten Bereich treffen dürfen – bisher sind das untertags zehn Personen, ab 22 Uhr nur mehr vier Leute, jeweils zuzüglich minderjähriger Kinder.

Mückstein hatte sich daraufhin öffentlich am Alleingang des Kanzlers gestört und geriet in die öffentliche Kritik, weil der Anschein entstand, er sperre sich gegen eine Lockerung der weiter strengen Maßnahmen. Auch er bekannte sich zum Fall der Maskenpflicht im Freien – macht aber das 3G-Modell zum Maßstab dafür. Ab Juli kann er sich vorstellen, dass die FFP2-Maskenpflicht in Innenräumen wieder auf das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes abgeschwächt werde. Zuletzt sorgte seine Einschätzung, dass eine Maskentracht noch bis in den Winter vorstellbar ist, für Wirbel.

Geht es Regierung nur um Macht und Kontrolle?

Nicht weit genug gehen solche Überlegungen für die Freiheitlichen, der blaue Gesundheitssprecher Gerhard Kaniak ist sich beim türkis-grünen Corona-Kurs sicher, dass diese Bundesregierung ohnehin nur schauen wolle, „wie weit ein politisches System in einer westlichen Demokratie gehen kann.“ Es brauche „weder einen Überwachungspass noch Einschränkungen“, die Regierung tue Not, endlich für eine „rasche und vollständige Aufhebung der Einschränkungen“ zu sorgen.

Auch Klubobmann Herbert Kickl ist der Ansicht, dass „dieses Theater […] nichts mit Gesundheitspolitik zu tun hat.“ Es gehe „in Wahrheit um Kontrolle, Steuerung und Überwachung der Bürger mit der Methode ‚Zuckerbrot und Peitsche‘.“ Die Debatte erwecke den Anschein, als würden sich „zwei Kerkermeister über Freiheit unterhalten“. Der öffentliche Regierungsstreit offenbare jedenfalls „die ganze Scheinheiligkeit der seit nunmehr 15 Monaten ohne Evidenz erlassenen Maßnahmen.“

Kickl: Grüner Pass nimmt weitere Freiheit

Am Dienstag legte Kickl im Ö1-Morgenjournal nach. Die linke Hand wisse nicht, was die recht tue. Es sei „pervers“, von Öffnungsschritten mit Verkündung am Freitag zu sprechen, wenn man zuvor in der Sitzungswoche den „Grünen Pass“ in Bewegung setze und „damit den größten Tabubruch begeht, indem man ein System der gesundheitspolitischen Apartheid etabliert.“ Seine Partei, so Kickl, werde „nicht widerstandslos hinnehmen, dass man den Österreichern hier die Freiheit nimmt.“

Noch deutlicher äußerte sich Kickl dann Stunden später in einer Pressekonferenz. Beim Grünen Pass handle es sich um „Gesundheitskommunismus“ und einen „unglaublichen Sündenfall“. Mit einer Art „Rollkommando-Parlamentarismus“ versuche die Regierung hier „massive Eingriffe in unsere Grund- und Freiheitsrechte“ vorzunehmen. Außerdem kritisierte er den datenschutzrechtlichen Aspekt. Er vermisst zudem die Berücksichtigung der Kritik aus dem Begutachtungsverfahren – trotz einer neuerlich nur einwöchigen Frist gingen über 16.000 Stellungnahmen ein.

NEOS fordern „planvolles Vorgehen“

Die NEOS hingegen stützten in der Debatte schon am Wochenende Mückstein den Rücken. Sie richten ihre Kritik vor allem in Richtung der Kanzlerpartei und ihrer empfundenen Selbstdarstellung. Kurz trete nur mit großen Ankündigungen auf, wenn es gerade seinen Umfragewerten dienlich sei, bemängelt Gesundheitssprecher Loacker. Und: „Der Gesundheitsminister darf dann hinter ihm herräumen und muss gezwungenermaßen die Rolle des Bremsers und Spielverderbers einnehmen. Alles zugunsten des Kanzlers. Willkommen im System Kurz.“

Zwar durchschaue Mückstein dieses Spiel im Gegensatz zu seinem Vorgänger Rudi Anschober und zögere nicht, selbst in die Öffentlichkeit zu gehen. Allerdings bräuchten die Menschen „nach Monaten ohne echte Perspektive […] ein planvolles Vorgehen“, so Loacker. Stattdessen sage der Kanzler „A“, der Gesundheitsminister aber „B“. Eine solche Situation sei „entbehrlich für alle Österreicherinnen und Österreicher“. Der Kanzler sollte sich seiner Verantwortung bewusst werden und den Fachminister arbeiten lassen, fordert der NEOS-Politiker.

Am Dienstag legte Loacker dann in einer Pressekonferenz nach und forderte ein Ende der Maskenpflicht in Schulen und Fußballstadien. Es brauche „sofortige “ Öffnungen.

Auch Landeshauptleute drängen auf Öffnungen

Inzwischen wächst auch aus den Ländern der Druck auf die türkis-grüne Regierung. Auch ÖVP-Landeshauptleute wünschen sich konkrete Öffnungsschritte. So machte sich Günther Platter (Tirol) dafür stark, die Erleichterungen für Kultur und Vereine rasch voranzutreiben, gerade dort sei – Stichwort Musikproben – die 20-Meter-Regelung nicht gangbar. Wilfried Haslauer (Salzburg) wünscht sich weiters eine Aufbesserung der Einreise-Regelung – wohl nicht zuletzt der Geographie seines Landes geschuldet.

Burgenlands Landeshauptmann Hans-Peter Doskozil (SPÖ) wiederum pocht auf eine spätere Sperrstunde in der Gastronomie. Dies sei vor allem im Hinblick auf kulturelle Festivals wichtig, diese seien andernfalls nicht durchführbar. Einzig seine roten Parteikollegen Peter Kaiser (Kärnten) und Michael Ludwig (Wien) gaben sich unter den Landeshauptleuten abwartend gegenüber neuen Öffnungen.


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Über den Autor
Julian Schernthaner

Julian Schernthaner

Der studierte Sprachwissenschafter wurde 1988 in Innsbruck geboren und lebte sieben Jahre in Großbritannien. Vor kurzem verlegte er seinen Lebensmittelpunkt ins malerische Innviertel, dessen Hügel, Wiesen und Wälder er gerne bewandert.

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