Todesfalle Anerkennung – Wovor sich die AfD in Acht nehmen muss

Anfang der 2000er-Jahre war die Linke in Deutschland erfolgreich, sie gewann an Macht und wurde von den Altparteien anerkannt. In seinem Kommentar für FREILICH warnt Hans-Thomas Tillschneider die AfD genau vor dieser Anerkennung und verweist auf den Niedergang der Linken als mahnendes Beispiel.

17.7.2024
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5 Minuten Lesezeit
Todesfalle Anerkennung – Wovor sich die AfD in Acht nehmen muss

Hans-Thomas Tillschneider

© AfD

Wollte man die Geschichte des Niedergangs der Linken erzählen, müsste man mit Geschichten der Anerkennung beginnen. 2001 etwa, als die PDS in Berlin in die Regierung kam und Gysi Wirtschaftssenator wurde. Die Tolerierung einer SPD-Minderheitsregierung in Sachsen-Anhalt hatte der bundesdeutschen Öffentlichkeit da schon drei Jahre Zeit gelassen, sich an eine indirekte Regierungsbeteiligung der PDS zu gewöhnen. 2001 errang die PDS auch ihre ersten Landratsposten, einen in Sachsen-Anhalt und zwei in Mecklenburg-Vorpommern. Man könnte aus dieser Zeit Geschichten erzählen von Kommunalpolitikern, die PDS-Räte in Posten wählten, PDS-Anträgen zustimmten und sich über halbherzige Abgrenzungsbeschlüsse hinwegsetzten.

Man könnte nachzeichnen, wie die Presse in jener Zeit zwar immer noch mit einiger Reserve, aber doch schon deutlich vernehmbar die PDS nicht mehr nur in Bausch und Bogen verdammte, sondern gemischte Töne anschlug. An die Stelle der Hetze trat eine zwar geizige und zögerliche, aber doch eine Anerkennung, die es verstand, Interesse zu wecken. Der eine wurde als Realo gelobt, der andere als Fundi zurückgewiesen und die früheren pauschalen Verurteilungen gab man in selbstkritischer Pose als Irrweg aus. Man müsse endlich anerkennen, dass die PDS etabliert sei. Es gebe ja verschiedene Strömungen in der Partei. Man komme an ihr nicht vorbei usw. usf.

Die Tücke der differenzierten Betrachtung

Dieser differenzierte Blick ist vielleicht der böseste von allen. Er heuchelt Gerechtigkeit, ist aber in Wahrheit nichts anderes als der Versuch einer Steuerung von außen. Besser wäre es, solche Beobachter würden nichts mit einem zu tun haben wollen. Ihre Herablassung manipuliert und zersetzt. Als Köder dient die in Aussicht gestellte Zugehörigkeit zum Clan der Machthaber. Nach solchen Maßstäben werden Urteile gefällt, die wegen ihrer scheinbaren Ausgewogenheit umso schwerer wiegen. Und das Gift wirkt.

Zeitgleich mit der größten Machtentfaltung und der beginnenden Anerkennung durch die Altparteien erschienen in der PDS Politiker des Typs „Katja Kipping“: Für PDS-Verhältnisse verdächtig professionell agi(ti)erende, nicht selten attraktive Jungpolitikerinnen, die angetreten sind aufzuräumen mit der altlinken Kritik am Finanzkapital, mit störenden Traditionen, mit dem DDR-Mief, mit verkrusteten Moralvorstellungen, mit linkem Nationalgefühl, mit traditionellen Geschlechterrollen, mit Heteronormativität und Normalität überhaupt, mit Landesgrenzen und einigem mehr, was den Globalisten seit jeher ein Dorn im Auge ist.

Die innere Kapitulation und der Anfang vom Ende

Um diese Zeit herum soll Klaus Lederer die katastrophale Teilprivatisierung der Berliner Wasserwerke, die den Investoren Riesengewinne, der Stadt Berlin Haushaltslöcher und den Bürgern sprudelnde Preissteigerungen bescherte, als „progressive Entstaatlichung“ gerechtfertigt haben. Die „Jugendbrigaden“, wie sie parteiintern verniedlicht wurden, obwohl zu Verniedlichung nicht der geringste Anlass bestand, sammelten sich in der sogenannten „Emanzipatorischen Linken“ und griffen an. 2003 gelang es ihnen, im Grundsatzprogramm den Grundbegriff der Emanzipation zu verankern. Die Regenbogenagenda war ihr Programm. Damit war das Programm der PDS unterhöhlt.

2003 beginnt allerspätestens die Geschichte des Niedergangs. Die Leitmedien spendeten viel Lob für das moderne, eben emanzipatorische Programm. Doch gerade deshalb fühlten auch die Bürger, die keine Programme lesen, die aber umso besser zwischen den Zeilen zu lesen verstehen, dass diese Partei nicht mehr ihre Partei ist, sondern nun auch zu jenem Kartell gehört, das eine internationale Agenda von oben nach unten gegen die Bürger durchsetzt. Und so wandten sich die Bürger ab.

Die äußerliche Akzeptanz und die innere Schwäche

In all diesen äußeren Triumphen, diesen formalen Mehrheitsbeschaffungen und scheinbaren Machtübernahmen der Jahrtausendwende keimte schon die innere Kapitulation. Denn all diese äußeren Triumphe, diese formalen Mehrheitsbeschaffungen und scheinbaren Machtübernahmen lebten davon, dass die PDS von den Altparteien akzeptiert wurde. Die PDS gewann weniger Macht, als sie unter Einfluss geriet, und zwar umso mehr, als die Anerkennung nur wie eine vorläufige, von künftigem Wohlverhalten abhängige Gnadengabe verabreicht wurde. Auch wenn man keine schlechte Absicht unterstellen will, so bringt ein solches Handeln doch unter den Erwartungsdruck der Altparteien. Und jeder Druck wirkt auf die Atmosphäre.

Die Bürger merkten, dass diese Partei den Spieß umdrehte und nicht mehr den Altparteien den Marsch blies, sondern nun umgekehrt den Bürgern erklärte, wie sie zu leben hatten, womit sie sich abzufinden hatten und womit sie sich gefälligst hinwegtrösten sollten über ihr ärmliches Rentnerleben in Ostberlin, etwa mit Schwulenrechten und einer prächtigen Loveparade. Die Fusion mit der WASG 2007 gab der siechenden Partei noch einmal eine Infusion an authentischem Bürgerwillen und den neuen Namen „Die Linke“, doch dieser Vertrauensvorschuss war schneller verbraucht als das Vertrauen; diese Partei werde irgendwie die Verhältnisse der kleinen Leute bessern. Seitdem geht es bergab, in Sachsen-Anhalt zum Beispiel von 23,7 Prozent (2011) über 16,4 Prozent (2016) und elf Prozent (2021) bis hin zu kümmerlichen 4,8 Prozent bei der Europawahl 2024. Woanders sieht es nicht anders aus. Begonnen hat es mit der Anerkennung durch die Altparteien.

Der Fall Thüringen und die Lehre für die AfD

Thüringen ist kein Gegenbeispiel, im Gegenteil. Außer Regenbogenfahnen vor der Staatskanzlei, die auch woanders wehen, außer Versorgungsposten für Parteinetzwerke und außer dem schlagenden Beweis, dass die Politik der Linken kaum etwas von CDU, SPD, Grüne oder FDP unterscheidet, hat die Regierung Ramelow nichts erbracht. In Thüringen ist die Partei des Ministerpräsidenten nach neuesten Umfragen bei etwas über zehn Prozent gerade mal noch viertstärkste Kraft. Ramelow ist einer ihrer prominentesten Totengräber. Wer Widerstand gegen die Klima-, die Migrations-, die Ukraine- und die Regenbogenagenda will, wählt AfD; wer noch in der Altparteienmatrix lebt, der geht zurück zu den älteren Altparteien. Dieses Schicksal sei der AfD gerade nach den Erfolgen bei den Kommunalwahlen im Osten am 9. Juni eine Mahnung. Der größte Fehler, den eine echte Oppositionskraft in der gegenwärtigen Konstellation begehen kann, ist, die Anerkennung durch die Altparteien als erstrebenswert anzusehen.

Die Regenbogenagenda war die mit der internationalen Agenda der Globalisten kompatible Gestalt linker Politik. Der Deal „Traditionsvernichtung statt Massenwohlstand“ war die Perversion, also die Verkehrung linker Politik, über deren Annahme die Linke ins Altparteiensystem eingepasst werden konnte. Aber auch für die AfD haben die Globalisten einen solchen Deal bereit. „Nationale Folklore statt echter Souveränität“ könnte man ihn überschreiben. Die mit der Globalistenagenda kompatible Gestalt rechter Politik besteht in einer Mixtur aus folgenden Ingredienzen: oberflächliche Kritik am Gendern, NATO-Treue, wohlstandsvernichtende Liberalisierung, Pseudosouveränität (= die Freiheit, sich den USA zu unterwerfen) und schließlich eine Form der Kritik an Migration, die das Problem nicht löst, sondern über eine Steigerung der Spannung in den Bürgerkrieg führt. Das ist das Placebo für die Rechten, das ist die Perversion rechter Politik, die der AfD als Brücke ins System der Altparteien geboten wird. Das Schicksal der AfD wird sich daran entscheiden, ob sie sich als immun gegen dieses vergiftete Angebot erweist.

Die Gefahr der Anerkennung durch die Altparteien

Kaum eine größere Idiotie ist denkbar als die Haltung desjenigen AfDlers, der einmal einen Antrag in irgendeinem Gemeinderat, Kreistag oder Landtag durchbekommen hat, weil dieser Antrag so substanzlos war, dass er auch von einer Altpartei hätte stammen können, weshalb die Altparteien ja auch schmerzfrei zustimmen konnten. Und der deshalb jetzt seine Anträge in vorauseilendem Gehorsam nur noch auf solche Anerkennung berechnet und alles Aneckende, alles Grundsätzliche entfernt. Jede Einbindung, die von der Anerkennung der Altparteien abhängt, ist kein politischer Erfolg, sondern ein riskantes Spiel. Horizontale Verbandelungen auf dem Parkett der Gremien und Vertretungen hemmen die AfD in ihrer vertikalen Ausrichtung auf die Bürger. Das System unseres Handelns besteht nicht aus Beziehungen zu Altparteien, sondern zu den Bürgern, und das heißt zu Vereinen, Initiativen und allen Aktivitäten, die mit den Altparteien gebrochen haben. Einfacher gesagt: Es wählen uns am Ende nicht die Kollegen von den Altparteien, sondern die Bürger. Wir tun also gut daran, nicht den Kollegen von den Altparteien gefallen zu wollen, sondern den Bürgern.

Schon jetzt werden Stimmen laut, die AfD sei eine Altpartei wie die anderen auch. Das ist die Begleitmusik des Abstiegs. Der Weg der Anerkennung durch die Altparteien ist ein Weg ins Nichts. Die Anerkennung durch die Altparteien kann eine echte Oppositionspartei vernichten, zunächst programmatisch, dann auch in der Existenz. Es kommt deshalb nicht darauf an, in die Logik der Anerkennung hineinzufinden; es kommt darauf an, aus ihr auszubrechen.


Zur Person:

Dr. Hans-Thomas Tillschneider ist Islamwissenschaftler und sitzt seit 2016 für die AfD im Landtag Sachsen-Anhalt. Dort ist er der kulturpolitische Sprecher der AfD-Fraktion.

Die in Gastbeiträgen geäußerten Ansichten geben ausschließlich die Meinung des jeweiligen Autors wieder und entsprechen nicht notwendigerweise denen der Freilich-Redaktion.