Happy „Gender Pay Gap“-Day
Wie jedes Jahr mehrmals wird der Tag begangen, ab dem Frauen „gratis“ arbeiten, weil sie 21 Prozent weniger Gehalt bekommen als Männer. Doch wie entwickelte sich die Lohnlücke über die Jahrzehnte und was verursacht sie heute? Wie diskriminiert sind Frauen heute in der Arbeitswelt. Eine Analyse.
Mit dem 25. Oktober war es in Österreich wieder soweit. Die Legende vom Gender Pay Gap geisterte durch alle Medien, von der APA über die Zeit im Bild und selbst die Gratisblätter sind sich einig: Frauen arbeiten ab heute die kommenden 68 Tage gratis im Vergleich zu Männern. In der Regel finden sich unter solchen Artikeln schließlich hunderte von Kommentaren, die auf den Unterschied zwischen bereinigter und unbereinigter Lohnlücke zwischen Männern und Frauen hinweisen – in den Zeitungsredaktionen nicht nur dieses Landes, sondern der ganzen westlichen Welt, verhallen diese in der Regel ungehört.
Besonders krude an dieser Betrachtungsweise der etablierten Medien, dass es die einzige statistische Problemstellung ist, die sich nicht auf die Faktoren konzentriert, die die Lohnlücke erklären, sondern dass generell in den Teil, der sich nicht erklären lässt, allerhand Weltanschauliches hineininterpretiert wird. Meistens hat dies dann aber gar nichts mit der Lebenswelt der meisten Frauen außerhalb des akademischen Elfenbeinturms zu tun.
Was erklärt die Lohnlücke zwischen Mann und Frau
Hier ist zunächst die Betrachtung der langfristigen Trends interessant. So schloss sich der sogenannte Pay Gap zu den Männern zwischen 1980 bis 1989 besonders rasant. Dieser Aufholprozess ist vor allem auf höhere Bildung für Frauen, ihre zunehmende Arbeitserfahrung und schließlich auch auf ihren steigenden Organisationsgrad als Gewerkschaft zurückzuführen – kurz gesagt, Frauen erlernten Berufe und traten in den Arbeitsmarkt ein und prägten ihn. In dieser Zeit fiel der unerklärbare Unterschied – oder der vielfach zitierte – bereinigte Gender Pay Gap ebenso rasant. Der Teil an Gap, der sich nicht erklären ließ, schmolz ebenso auf die Hälfte nämlich.
Seit den 90ern blieb diese unerklärbare Lücke annähernd konstant, genauso wie sich die erklärbare Lohnlücke nur noch langsamer schließt. Obwohl seitdem die Anzahl der Frauen jene der Männer an den Universitäten übersteigt und Frauen genauso im Berufsleben stehen wie Männer, sinkt der Pay Gap nur unwesentlich – und dies über fast alle Industrieländer hinweg. Die Faktoren Ausbildung und Berufserfahrung sind seit der Jahrtausendwende also nicht mehr in der Lage, die Unterschiede zwischen den Geschlechtern in den Gehältern zu erklären. Wichtiger Erklärungsfaktor wurde stattdessen die Wahl des Berufes oder des Studienfaches sowie die Sparte.
Man könnte also schließen, bis in die 90er-Jahre hinein wählten Frauen Karrierewege, die sie aus der Unabhängigkeit von verzopften Abhängigkeitsverhältnissen befreiten. Ohne jetzt eine 589.000 US-Dollar Förderung wie die Wissenschaftler im verlinkten Artikel bewilligt bekommen zu haben, könnte man vermuten, dies ist auch die starke Motivation in islamischen Ländern, ein Ingenieursstudium zu beginnen. (Ähnlich könnten es diese Inderinnen sehen.)
To have the cake and eat it
Noch interessanter zeigt sich, dass sich die Lohnlücke für Frauen in den unteren Lohnsegmenten viel schneller schloss, als für die Frauen aus den oberen Schichten. In der Logik der postmodernen Linken bedeutet dies, dass eine Friseurin doch viel weniger diskriminiert ist, wie ihr männlicher Friseurkollege, weil der Gehaltsunterschied zwischen ihnen kaum merkbar ist, während zwischen der Ärztin und dem Arzt eine gewaltige Lücke klafft. Die Arbeiterkammer errechnete, dass die österreichische Lohnlücke zwischen Mann und Frau insgesamt 10.000 Euro oder 18 Prozent des Monatsgehaltes beträgt. Die Ärztin ist also benachteiligter zur Putzfrau, weil ihr Unterschied zum männlichen Kollegen fast ein Jahresgehalt genau jener Putzfrau beträgt, während deren Unterschied zum männlichen Fensterputzer lediglich in einem Kaffee pro Monat besteht.
Die Agenda Austria berechnete diese Unterschiede anhand verschiedener Methoden. Die Resultate sind immer ähnlich und decken sich durchaus mit den Studien aus anderen Ländern. Je besser eine Frau gebildet und je größer ihr Einkommen ist, umso größer die Unterschiede zu einem vergleichbaren Mann – vor allem unbereinigt.
1 Einkommensdifferenz zwischen Männern und Frauen nach Einkommensgruppe und verschiedene Berechnungsmethoden
Lohn-Dezil (Brutto-Stundenlohn in Euro) | Klassische Berechnung | Skills | Skills und Selbst-Reflexion |
<8,47 | 6,33 | 2,61 | 3,42 |
8,47-9,90 | 8,6 | 4,34 | 4,91 |
9,91-11,30 | 10,08 | 5,74 | 6,65 |
11,30-12,66 | 10,97 | 6,93 | 8,02 |
12,66-13,87 | 11,01 | 7,29 | 8,24 |
13,87-15,41 | 11,12 | 7,96 | 8,9 |
15,41-17,34 | 11,33 | 8,47 | 9,4 |
17,34-19,26 | 12,78 | 9,19 | 10,04 |
19,26-23,30 | 15 | 10,81 | 11,2 |
Quelle: Agenda Austria, eigene Darstellung |
Korrelation ist nicht Kausalität und Lebensentwürfe nicht automatisch Wunsch
Besonders gerne werden dann in Diskussionen diffuse patriarchale Gesellschaftsstrukturen genannt, die Mädchen keinen Werkzeugkasten zum Spielen gönnen, weswegen sie hinterher nur frauentypische Studien wählen, und Frauen in die Mutterrolle und Teilzeitarbeit zwingen. Ausgerechnet eine Umfrage aus dem feministischen Paradies Schweden kommt zum gegenteiligen Ergebnis. Mit 80 Prozent liegt die Beschäftigungsquote der Schwedinnen fast genauso hoch wie diejenige der Schweden. Allerdings nicht aus Freiwilligkeit, sondern weil der finanzielle Druck durch hohe Lebenshaltungskosten und unsichere Arbeitsbedingungen sie zur Vollzeitarbeit zwingen. Schwedinnen, die nicht selbst erwerbstätig sind, haben keinen Anspruch auf kostenlose Kindergärten, Kindergeld und andere Sozialleistungen. Gemäß der Umfrage geben 45 Prozent der Schwedinnen dennoch an, lieber Vollzeitmütter zu sein, anstatt im Büro zu sein – ein Privileg für reiche Frauen, die es sich leisten können. Also genau das Gegenteil von dem, was gerne als Narrativ durch die Medien geistert.
1 Bevorzugung von Frauen bei akademischen Berufen an amerikanischen Universitäten
Quelle: Economist.com, eigene Darstellung. Lesebeispiel: 30 Prozent der Biologinnen bevorzugten Männer bei gleicher Qualifikation, während 70 Prozent der Biologinnen Frauen bevorzugten.
Bei Bewerbungen nicht diskriminiert
Selbst das Narrativ, dass Frauen aufgrund ihres Geschlechtes bei Jobs quer durch die Bank diskriminiert würden, stimmt so nicht. So schickte man in einem Experiment idente Lebensläufe an Lehrstühle, die sich nur durch das Geschlecht unterschieden. Das Experiment wurde an 371 amerikanischen Universitäten mit 873 Professoren durchgeführt. Mit Ausnahme der männlichen Ökonomen bevorzugten bei gleicher Qualifikation alle Disziplinen und Geschlechter Frauen.
Noch bizarrer wird die Diskussion, wenn man bedenkt, dass quer über den Erdball zumeist nicht die individuellen Einkommen als Maßstab für Wohlstand gelten, sondern das gesamte Einkommen. Also was Mann und Frau in einem Haushalt gemeinsam erwirtschaften. Dies soll ja das eine oder andere Mal noch vorkommen. Es stellt sich heraus, dass hier Frauen das Groß dieser Einkommen verwalten. In Deutschland entscheiden Frauen über immerhin 70 Prozent aller Konsumausgaben und dies bei etwa 20 Prozent weniger Gehalt. Nicht schlecht, wer würde nicht gerne so diskriminiert werden!
Eine simple Logik dräut herauf, die eigentlich nur jemanden überraschen kann, der den Arbeitsmarkt praktisch als Bühne für die eigene Selbstverwirklichung sieht. Also fast ausschließlich reich geborene Links-Progressive: Menschen, die es sich leisten können, nutzen ihre Möglichkeiten, um sich davon fernzuhalten. Die es nicht können, müssen schuften, ob halbtags in der Wäscherei oder in der Abrechnung eines Unternehmens oder nachts in der Gastronomie. Unabhängig vom Geschlecht.
Quelle: Harvard Business Review, eigene Darstellung. Lesebeispiel in den USA entscheiden Männer über 27 Prozent der getätigten Ausgaben, während Frauen über 73 Prozent bestimmen. Für Deutschland gelten 30 Prozent für Männer und 70 Prozent der Konsumentscheidungen treffen Frauen.
Rechenbeispiel, wie reiche Frauen den Gender Pay Gap treiben
2 Beispielberechnung, wie wohlhabende Frauen den Gender Pay Gap in die Höhe treibt
Ursprüngliches Gehalt | Gehaltsentwicklung Szenario 1 | Gehaltsentwicklung Szenario 2 | |||
Absolut | Absolut | Prozentual | Absolut | Prozentual | |
Person | 1990 | 2010 (1) | 2010 (1) % | 2010 (2) | 2010(2) % |
Mann 1 | 110 | 110 | 1 | 110 | 1 |
Mann 2 | 60 | 60 | 1 | 60 | 1 |
Frau 1 | 100 | 100 | 1 | 107,27 | 1,0727 |
Frau 2 | 55 | 59 | 1,0727 | 55 | 1 |
Durchschnitt Männer | Durchschnitt Frauen | Gender Pay Gap | |||
1990 | 85 | 77,5 | 8,82 | ||
2010 (1) | 85 | 79,5 | 6,47 | ||
2010 (2) | 85 | 81,135 | 4,55 |
Eigene Berechnungen: In der zweiten Spalte ist das ursprüngliche Gehalt alle vier Personen aufgelistet. Die Bevölkerung enthält einen gutverdienenden Mann (1) und eine gutverdienende Frau (1), sowie eine schlechtverdienende Frau (2) wie einen schlechtverdienenden Mann (2). In Szenario 1 erhält nur die gutverdienende Frau eine Gehaltserhöhung von 7,27% oder 7,27 Euro. Das Gehalt der Männer und der schlechtverdienenden Frau bleibt gleich. Der Gender Pay Gap (Durchschnitt der Männer dividiert durch Durchschnitt der Frauen) sinkt auf von 8,8 auf 6,47 %. In Szenario 2 erhält lediglich die schlechtverdienende Frau 2 eine Gehaltserhöhung in der selben Größenordnung von 7,27%, was 4 Euro entspricht. Der Gender Pay Gap sinkt auf 4,55 % obwohl die gutverdienende Frau genauso „schlecht“ verdient wie noch im Ausgangszenario. Somit zeigt sich, dass der Gender Pay Gap, der sich nicht schließen will, ein hauptsächliches Problem der Frauen aus dem wohlhabendsten Teil der Gesellschaft ist.