August von Kotzebue: Schriftsteller, Spion und Feind der Burschenschaften
August von Kotzebue war einer der bekanntesten Dramatiker seiner Zeit – und zugleich eine umstrittene Figur der deutschen Geschichte. Am 23. März 1819 wurde er von dem radikalen Burschenschafter Karl Ludwig Sand ermordet. Ein Mord mit weitreichenden Folgen.
Der Dramatiker, Publizist und kaiserliche Staatsrat August von Kotzebue ist deutschen Jugendlichen heute höchstens noch dem Namen nach aus dem Geschichtsunterricht bekannt. Oft in Verbindung mit seiner Tötung am 23. März 1819 durch den Studenten und Burschenschafter Karl Ludwig Sand ist er beinahe entpersonalisiertes Sinnbild für die Begründung von Reaktion und Zensurgesetzen durch den österreichischen Staatsmann Klemens von Metternich.
Dass Kotzebue Opfer dieser Gewalttat wurde, ist jedoch kein Zufall, ebenso wenig, dass Sand Burschenschafter war. Kotzebue lieferte Informationen aus deutschen Universitäten an den russischen Zarenhof, er galt als Befürworter der von Metternich geplanten Gleichschaltung der Universitäten und als erbitterter Feind der burschenschaftlichen Bewegung.
Karl Ludwig Sand: Attentäter aus Überzeugung
Wie viele Burschenschafter der ersten Stunde kämpfte Sand in den Befreiungskriegen, diente zwar in einem bayerischen Freiwilligenregiment, nahm aber nie aktiv an Kampfhandlungen teil. Seine Zeitzeugen bescheinigten dem jungen Theologiestudenten eine untadelige Gesinnung, aber auch ein beschränktes Auffassungsvermögen. Der deutsche Historiker Heinrich von Treitschke beschrieb Sand in der für ihn typischen Weise:
„Das starre Auge und die niedere, von langem, dunklem Haar umrahmte Stirn verrieten einen beschränkten Geist, der bei eisernem Fleiße nur langsam faßte und dann die schwer errungene Erkenntnis mit zähem Eigensinn gegen jede Einrede behauptete. […] Erfahrenen Menschenkennern hinterließ der verschlossene, im persönlichen Verkehre freundliche und gutmütige Jüngling doch einen unheimlichen Eindruck […]“.
Auch hinsichtlich seines Engagements in den Burschenschaften Erlangens und Jenas urteilt Treitschke hart:
„Umso eifriger stürzte er sich mit Leib und Seele in das Treiben der Burschenschaft; die Verbindung war ihm Staat und Kirche, Haus und Liebe, eines und alles, die ganze Welt sah er zerteilt in zwei große Heerlager: hier die reinen, freien, keuschen Burschen, dort die feilen Schergen der Zwingherrschaft.“
Ein Mord mit weitreichenden Konsequenzen
Für Sand war Kotzebue die Verkörperung dieser Zwangsherrschaft, in der sich politische und kulturelle Reaktion vereinigten. Seitdem seine Geschichte des Deutschen Reiches auf dem Wartburgfest von Jüngern des Turnvaters Jahn den Flammen übergeben worden war, agitierte Kotzebue gegen die Burschenschaften und ihren gegen den russischen Zaren gerichteten Nationalismus. Die Fehde zwischen der Jenaer Studentenschaft und dem umtriebigen Agitator ging so weit, dass selbst Kotzebues Sohn, ebenfalls Student und Burschenschafter in Jena, unter Übergriffen zu leiden hatte.
Kotzebues Ende kam jedoch nicht in der Saalestadt, sondern in Mannheim. Eigentlich als Zufluchtsort vor seinen Feinden gedacht, heftete sich Sand, der kurz zuvor aus der Jenaischen Burschenschaft ausgetreten war, an seine Fersen. Dort traf er auf Kotzebue und seine Familie. Unvermittelt zog Sand ein Messer und stürzte sich auf Kotzebue. Der Schriftsteller wurde mehrfach in Brust und Hals getroffen und brach blutüberströmt zusammen. Als Kotzebues vierjähriger Sohn schreiend ins Zimmer lief, versuchte Sand, sich mit einem Dolch in die Brust zu töten. Der Selbstmordversuch misslang jedoch und er wurde schwer verletzt von der Polizei festgenommen.
Fürsten witterten Verschwörung
Heinrich von Treitschke versuchte, Sand als naiven, selbstherrlichen Jüngling darzustellen, der auf den „Basiliskenblick“ des Rädelsführers Karl Follen hereingefallen sei. Follen gehörte zu einem Flügel von Burschenschaftern, die den Mord als Mittel der politischen Umwälzung ausdrücklich befürworteten, und Follen versuchte auch nach dem Attentat, seine Anhänger von der Richtigkeit solcher Taten zu überzeugen.
Die Reaktion der unruhigen deutschen Fürsten witterte jedoch hinter dieser Einzeltat eine groß angelegte Verschwörung der aufrührerischen Jugend und gab Metternich den Vorwand, gemeinsam mit dem preußischen König gegen die Burschenschaften und andere Dissidenten vorzugehen.
Infolge der Karlsbader Beschlüsse wurde nicht nur die Selbstverwaltung der Universitäten stark eingeschränkt, sondern auch die Forschungs- und Meinungsfreiheit von Professoren und Studenten. Burschenschafter, die nach Bekanntwerden der Beschlüsse in ihren Verbindungen blieben, mussten damit rechnen, keine öffentlichen Ämter mehr bekleiden zu dürfen – eine Austrittswelle ging durch die deutschen Verbindungshäuser. Doch gerade die heftige Reaktion der Fürsten stachelte den revolutionären Geist an und sollte knapp zweieinhalb Jahrzehnte später die europäische Ordnung auf den Kopf stellen.