Arbeit: So beschönigen Medien die Zahlen zur Integration

Die deutsche Bundesagentur für Arbeit (BA) zeigt sich mit dem Fortschritt der Integration von ehemaligen Asylsuchenden in den Arbeitsmarkt erfreut. Die veröffentlichten Zahlen werfen jedoch einige Fragen auf.
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Arbeit: So beschönigen Medien die Zahlen zur Integration

Zahlen der Bundesagentur für Arbeit (BA) zufolge sind erstmals mehr als 300.000 der einstigen Asylwerber in Arbeit. Symbolbild (BA-Bürogebäude Hannover-Röpkestraße): Christian A. Schröder via Wikimedia Commons [CC BY-SA 4.0] (Bild zugeschnitten)

Die deutsche Bundesagentur für Arbeit (BA) zeigt sich mit dem Fortschritt der Integration von ehemaligen Asylsuchenden in den Arbeitsmarkt erfreut. Die veröffentlichten Zahlen werfen jedoch einige Fragen auf.

Wie SpiegelOnline am Dienstag berichtete, waren insgesamt 306.574 Menschen aus den acht Haupt-Asylzugangsländern im Mai 2018 in einem aufrechten Beschäftigungsverhältnis. Im Jahresvergleich konstatierte die BA dabei einen erheblichen Anstieg, damals galt dies nur für 203.736 Personen. Insgesamt befinden sich demselben Medium zufolge etwa 1,5 Millionen Menschen aus diesen Ländern in Deutschland.

Weniger als die Hälfte arbeiten Vollzeit

Ebenso positiv streicht der Spiegel heraus, dass der Großteil den sozialversicherten Beschäftigten zuzurechnen sei. Dort bedeute die gegenwärtige Zahl von 237.537 einen satten Anstieg von 87.991 Personen. Auch die BA konstatierte, dass dies die eigenen Erwartungen überträfe. Auf Anfrage der Tagesstimme zur Aufschlüsselung nach den Beschäftigungsarten gab man dabei zu Protokoll, dass es sich bei den aktuellen Zahlen lediglich um eine Hochrechnung handle und verwies auf die letzte exakte statistische Erhebung im Dezember 2017. Diese würde „von den Größenordnungen passen“.

Von damals etwa 291.047 Beschäftigten befanden sich nur 140.359 in einer Vollzeitbeschäftigung – das ist knapp weniger als die Hälfte. Und: Während damals beinahe alle Vollzeitarbeiter (139.983) auch sozialversicherungspflichtig angestellt waren, galt dies nur für 46,7 Prozent der Teilzeitjobber (69.783). Sämtliche dieser Befunde unterscheiden sich dabei maßgeblich sowohl von der Statistik für alle Arbeitnehmer im Bundesgebiet als auch im Querschnitt aller Menschen mit einer ausländischen Staatsbürgerschaft. Die mediale Weglassung solcher Informationen suggeriert hingegen fälschlicherweise eine nicht gegebene vollständige Integration in den Arbeitsmarkt.

Ungereimtheiten bei Zahl der Arbeitssuchenden

Die Zahlen, auf welche sich der Spiegel beruft weisen außerdem 482.000 Menschen auf Arbeitssuche aus, davon 187.000 in tatsächlicher Arbeitslosigkeit. Die höhere Ziffer weist dabei auch Personen mit kurzzeitiger Arbeitsunfähigkeit aus, sowie solche, welche integrations- und arbeitsmarktpolitische Maßnahmen wahrnehmen. Allerdings machen diese unmöglich, wie man glauben möchte, sämtliche 295.000 Personen aus.

Gegenüber der Tagesstimme erwähnte ein Sprecher der BA nämlich eine Zahl von 179.000 Schutzsuchenden, welche sich im April 2018 in einer sogenannten Fremdförderung befänden. Diese Bezeichnung subsumiert sämtliche Maßnahmen, welche nicht durch Förderungen der Agenturen für Arbeit (AfA) oder der Jobcenters zustande kämen. In diesem Personenkreis beträfe dies vor allem Integrationskurse des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF). Erneut erscheint hier ein Umstand also vor allem durch seine Nichterwähnung als positiver, als unsere Recherche offenbart.

Und die andere Hälfte?

Auffällig ist weiters der große Unterschied zwischen der Addition an arbeitenden sowie arbeitssuchenden Asylwerbern und Asylberechtigten und der Gesamtanzahl an Migranten aus diesem demographischen Segment. Obwohl der Spiegel diese in seinem Artikel erwähnt, geht er nicht näher auf die Details ein. Ein aufmerksamer Kommentator machte auf der Kurznachrichtenplattform Twitter auf diesen Umstand aufmerksam:

BA kann Diskrepanz nicht erklären

Diese durchaus relevante Diskrepanz konnte allerdings auch die BA auf Tagesstimme-Nachfrage nicht aufklären. Man vermutet dort, dass sich der Spiegel hier auf Zahlen des Ausländerzentralregisters beruft. Ebenso möglich ist freilich, dass diese Fehlziffer auf eine allfällige hohe Anzahl von Minderjährigen sowie Frauen zurückgeht, welche beispielsweise aus sozialen Gründen oder Altersgründen nicht in dieser Statistik aufscheinen, da sie nicht auf den Arbeitsmarkt drängen. Ein Tagesspiegel-Bericht bezifferte die Gesamtanzahl der Personen dieses Gesellschaftssegments im arbeitsfähigen Alter im Juni auf etwa eine Million Menschen.

Parallelen finden sich jedenfalls. Erst kürzlich berichtete Die Tagesstimme über den Befund aus Großbritannien. Dort befindet sich – etwa weil muslimische Frauen häufiger bei den Kindern bleiben – nur jeder fünfte erwachsene Muslim tatsächlich in einem Vollzeit-Arbeitsverhältnis. Unter den acht häufigsten Asylherkunftsländern befinden sich gleich sechs (Syrien, Irak, Afghanistan, Iran, Pakistan und Somalia) mit einer überwiegenden muslimischen Mehrheit. In den übrigen beiden (Eritrea, Nigeria) machen sie in etwa die Hälfte der Bevölkerung aus.

Über den Autor
Julian Schernthaner

Julian Schernthaner

Der studierte Sprachwissenschafter wurde 1988 in Innsbruck geboren und lebte sieben Jahre in Großbritannien. Vor kurzem verlegte er seinen Lebensmittelpunkt ins malerische Innviertel, dessen Hügel, Wiesen und Wälder er gerne bewandert.

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