Cicero, linksextreme Zeitschriften, PKK-Verlage: Zensurmaßnahmen in Deutschland
Am Dienstagmorgen wurde bekannt, dass die deutsche Innenministerin Nancy Faeser das rechte Magazin Compact verboten hat. Das Verbot eines Magazins erscheint in Deutschland zunächst extrem, da die Pressefreiheit durch das Grundgesetz geschützt ist. Dennoch gab es in der Vergangenheit immer wieder Zensurmaßnahmen und auch Verbote von Verlagen.
Nach dem Verbot des Compact-Magazins durch Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD), durchsuchen Beamte seit den frühen Dienstagmorgenstunden die Geschäftsräume des Compact-Magazins in Falkensee und Werder bei Berlin und Potsdam. Auch die Wohnungen des Chefredakteurs Jürgen Elsässer, seiner Frau und weiterer Compact-Mitarbeiter wurden nach Beweismaterial durchsucht.
Das Verbot des Magazins stützt sich auf das Vereinsgesetz, das es dem Bundesinnenministerium erlaubt, Vereine zu verbieten, die sich gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung richten. Unternehmen können davon auch betroffen sein. Laut Bundesinnenministerium beruht die Entscheidung auf umfangreichen Erkenntnissen des Bundesamtes für Verfassungsschutz und des brandenburgischen Verfassungsschutzes, die Compact seit Jahren beobachten und seit Ende 2021 als „sicher rechtsextremistisch“ einstufen.
Spannungsfeld Pressefreiheit
Ein Verbot einer Zeitschrift erscheint in Deutschland zunächst extrem, denn die Pressefreiheit ist grundgesetzlich geschützt. Artikel 5 des Grundgesetzes garantiert Meinungs-, Presse- und Kunstfreiheit, steht aber oft in einem Spannungsfeld zu anderen rechtlichen Aspekten. Persönlichkeitsrechte, Diskriminierungsverbote, Jugendschutz- und Sicherheitsgesetze können die Pressefreiheit einschränken. Insbesondere der „Schutz der freiheitlich-demokratischen Grundordnung“ dient der Abgrenzung zu „totalitären Auffassungen“ und soll Gesetze gegen Volksverhetzung, NS-Verherrlichung und Holocaustleugnung rechtfertigen.
Zensur kann verschiedene Formen annehmen: Beschlagnahme, Verbot, Indizierung oder Schwärzung. In der frühen Bundesrepublik waren davon vor allem erotische Medien betroffen, die häufig indiziert und damit in ihrer Verbreitung eingeschränkt wurden. Auch einige Filme aus dem Ostblock wurden verboten und durften nicht importiert werden.
Historischer Rückblick: Spiegel-Affäre
Ein bedeutender Eingriff in die Pressefreiheit erfolgte in den 1960er-Jahren mit der Spiegel-Affäre 1962, die einen Wendepunkt in der deutschen Nachkriegsgeschichte markierte und neue Maßstäbe für das Verhältnis von Staatsmacht und Pressefreiheit setzte. Auslöser war ein Artikel des Nachrichtenmagazins Der Spiegel, der die Verteidigungsbereitschaft der Bundeswehr kritisierte. Die Reaktion der Regierung unter Konrad Adenauer und Verteidigungsminister Franz Josef Strauß (CSU) war drastisch: Redaktionsräume wurden durchsucht, Journalisten verhaftet. Die Maßnahmen führten zu massiven Protesten und intensiven Debatten über die Rolle der Presse in einer Demokratie.
In den 1970er-Jahren prägten die Auseinandersetzung mit dem Terrorismus und die Nachwirkungen der 68er-Bewegung die öffentliche Debatte in Deutschland. Werke mit Texten aus dem Umfeld der Stadtguerilla und RAF wurden beschlagnahmt. Dazu gehörten Carlos Marighellas Zerschlagt die Wohlstandsinseln der Dritten Welt oder die Textsammlung Tragt den Klassenkampf in die Armee.
Die Cicero-Affäre
Auch Verleger wie Peter-Paul Zahl, der auch als Schriftsteller bekannt war, wurden strafrechtlich verfolgt und ihre Werke beschlagnahmt. 1976 solidarisierten sich rund 60 Verlage und Einzelpersonen und brachten den verbotenen Titel Wie alles anfing von Bommi Baumann, einem ehemaligen Mitglied der Bewegung 2. Juni, in kollektiver Herausgeberschaft wieder heraus.
Auch die Durchsuchung der Redaktionsräume des Cicero im September 2005 wegen eines Artikels über den jordanischen Terroristen Abu Musab az-Zarqawi löste heftige Kritik aus. Cicero-Chefredakteur Wolfram Weimer und der Journalist Bruno Schirra wurden der Beihilfe zum Geheimnisverrat beschuldigt. Vertreter von FDP, Grünen und Linkspartei forderten einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss. Das Bundesverfassungsgericht entschied schließlich 2007, dass die Durchsuchung verfassungswidrig war und einen erheblichen Eingriff in die Pressefreiheit darstellte.
Um das Jahr 2010 wurden Publikationen der linksextremen und autonomen Szene verboten. Die Zeitschriften Zeck, Interim und Prisma wurden unter anderem wegen Aufrufs zu Straftaten verboten und beschlagnahmt. Die Berliner Staatsanwaltschaft ermittelte erstmals auch gegen Buchhandlungen, in denen die Publikationen auslagen, wegen Beihilfe zur Anleitung zu Straftaten und Verstoßes gegen das Waffengesetz. Im Zuge der Ermittlungen kam es mehrfach zu Durchsuchungen und Beschlagnahmungen.
Verbot kurdischer Verlage
2019 ging das Bundesinnenministerium gegen die kurdische Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) vor und ließ die Geschäftsräume der „Mezopotamien Verlag und Vertrieb GmbH“ und der „MIR Multimedia GmbH“ in Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen durchsuchen. Der damalige Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) verbot die beiden Unternehmen, die als Tarnorganisationen der PKK agierten. Beide Verlage dienten nach Angaben des Innenministeriums dazu, die PKK finanziell zu unterstützen und ihre Aktivitäten in Deutschland und Europa zu fördern. Damit werde das PKK-Verbot in Deutschland systematisch unterlaufen.
Der Mezopotamien Verlag verkaufte Bücher über den kurdischen Freiheitskampf und Biografien kurdischer Persönlichkeiten. Der MIR-Verlag fungierte als Künstleragentur für kurdische Musiker, verkaufte CDs und organisierte Konzerte in Deutschland. Mit ihrem wirtschaftlichen Ertrag hätten die Verlage die Aktionsmöglichkeiten der Terrororganisation PKK in Deutschland und Europa gestärkt, erklärte das Innenministerium damals.
Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) in Leipzig hat am 26. Januar 2022 abschließend entschieden, dass das mit Verfügung des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat (BMI) vom 1. Februar 2019 ausgesprochene Verbot des Verlags und der Musikproduktionsfirma als Teilorganisationen der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) rechtmäßig ist. „Die Klägerinnen sind in die Strukturen der PKK eingegliedert. Sie sind nach den feststellbaren Indizien vor allem organisatorisch und finanziell, aber auch personell eng mit der PKK verflochten, sodass sie nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse als deren Teilorganisationen anzusehen sind“, hieß es damals in einer Pressemitteilung des BVerwG. Der Verlag und die Musikproduktionsfirma blieben daher verboten.